Der Einbruch des Persönlichen in Architektur und Design

Einzelausstellung Isa Genzken in der Kunsthalle Zürich. BielerTagblatt 12_04_2003

Es kommt immer wieder vor, dass Werke lange einseitig rezipiert werden. Und schliesslich eine neue Sicht fordern. Die Ausstellung von Isa Genzken (55) in der Kunsthalle Zürich ist dazu Anlass.

Das Werk, das in der Ausstellung von Isa Genzken aller Augen auf sich zieht heisst „Empire, Vampire, Who kills Death“. Zwanzig modellhafte „Film“-Szenen, auf Augenhöhe platziert, welche die Thriller-, Game- und Lifestylegesellschaft apokalyptisch untergehen lassen. Mit Farbe und anderem übergossen, verharren die „Cowboys“ in den Scherben ihrer dekonstruierten Welt. Kaum zu glauben, dass dies eine Arbeit der als Post-Minimal-Künstlerin geltenden Architektur-Plastikerin Isa Genzken ist. Ein totaler Bruch nach dem Erlebnis des 11. September, den sie in New York erlebt hat?

Wer sich vor allem an die Arbeiten Genzkens erinnert, welche diverse Kuratoren für drei Documentas (1982/1992/2002) und zahlreiche Museumsausstellungen (u.a. 1989 im Kunstmuseum Winterthur) auswählten, dem scheint das so. Denn Isa Genzken wurde dabei stets als Erneuerin des Skulpturbegriffs – einer Skulptur als Dekonstruktion von Architektur – gepriesen, während analoge Arbeiten im Umfeld des Designs mehrheitlich ausgeklammert wurden. Genzken selbst bejaht bezüglich „Empire, Vampire, Who kills Death“ den Zusammenhang mit dem 11. September, verneint jedoch einen Bruch und sagt, eigentlich habe sie schon vor 10 Jahren einen Film zum Thema machen wollen, doch jetzt habe sie sich entschlossen vorerst Szenen plastisch zu erarbeiten. Das heisst: Die bisherige Rezeption des Werkes von Isa Genzken griff zu kurz und muss revidiert werden.

Drei sehr verschiedene Filme in der Ausstellung belegen die Auseinandersetzung Genzkens mit dem Medium: „Das Gefecht“ (1974), „Chicago“ (1992) und „Meine Grosseltern im bayrischen Wald“ (1992). Spannend, ja köstlich, ist der sowohl in die Frauen-Kunst-Welle der 70er Jahre passende wie, strukturell, die Auseinandersetzung mit Form, Volumen und Hülle vorwegnehmende Film „Zwei Frauen im Gefecht“. Darin geht es um den Kleidertausch zwischen einer langen dünnen und einer kleinen, fülligen Frau, bei dem sich die Hüllen (erstaunlicherweise) den Formen individuell anpassen. Auf das um 1979 einsetzende Haupt-Werk übertragen heisst das, dass Form und Individualität stets werkbestimmende Faktoren sind oder, anders ausgedrückt, der persönliche Erfahrungshintergrund der Künstlerin ist wesentlich stärker mitzudenken als dies auf theoretischer Ebene bisher geschah.

Nahrung geben dieser notwendigen Vertiefung weitere Arbeiten in der Ausstellung, zum Beispiel die hochhausartigen „Säulen“ ( ab 1998), die zum einen architektonisch geschlossene Werke darstellen, deren Oberfläche aber aus verschiedensten, metallig schillernden Materialien bis hin zu Plakat-Collagen bestehen und überdies Namen von Freund/-innen tragen. Welch ein Unterschied zu den spröd-schweren Beton-Fragmenten der 80er Jahre! Von einer Werkentwicklung im klassischen Sinn kann da nicht gesprochen werden. Wohl aber, wie dies im Werk von Frauen häufig, von einer Wechselwirkung von emotionaler Befindlichkeit und materiell-bildnerischem Ausdruck innerhalb der von Genzken seit den 70er Jahren verfolgten Thematik von Raum, Volumen und Hülle. Möglich, dass die aktuelle Entwicklung auf die mehrfache Zusammenarbeit mit dem jungen englischen Fotografen Wolfang Tillmanns – in Zürich ist die Spiegel-Raum-Installation „Science Fiction/Hier und jetzt zufrieden sein“ zu sehen, das innere Echolot stärker ins Aussen katapultiert hat und damit rückwirkend das Gesamtwerk neu zeigt ( bis 25. Mai).

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