Lisa Hoever, Kotscha Reist, Max Hari, Pascal Danz, Klaudia Schifferle_ Kunsthaus Langenthal 2001

Die Malerei als Bild der Wirklichkeit

www.annelisezwez.ch       Erschienen in Bieler Tagblatt vom 10. März 2001

Die Neuen Medien haben das Bild der Wirklichkeit vervielfacht. Fünf Maler/-innen zeigen in Langenthal eindrücklich und vielfältig wie sich Auflösung als Malerei neu verwirklicht.

Marianne Burki, Leiterin des Kunstmuseums Langenthal, hat fünf Schweizer Maler/-innen – die meisten bernischer Herkunft – zu einer Ausstellung mit dem Titel „Wirklichkeit. Malerei“ eingeladen. Ähnlich andernorts durchgeführten Ausstellungen wie „Gegen.Stand“ oder „Masse.Licht“ geht es dabei um zwei Begriffe, die einander zugleich anziehen wie abstossen. Wirklichkeit und Malerei sind Oppositionen, die sich reiben – seit der Vervielfachung von Sehen, Darstellen und Verändern mehr denn je. Die Subjektivität vermag als Einzige das Auseinanderdriften neu zu verfestigen. Als „Wirklichkeit. Malerei“ in Bildern von Lisa Hoever (1952), Klaudia Schifferle (1955), Pascal Danz (1961), Max Hari (1950) und Kotscha Reist (1963) zum Beispiel.

„Keine andere Ausdrucksweise kann mir das Labor der Malerei ersetzen, darum bleibe ich Maler“, sagte Pascal Danz einmal. Die Möglichkeit gleichzeitig und einzig im Gespräch mit sich selbst zu malen, zu erkennen, zu verändern ist für viele Künstler/-innen ein Prozess, den sie mit keiner Kamera und keiner Tastatur tauschen möchten. Da ihnen nichts die Unmittelbarkeit des Austauschs zwischen Bild und Körper ersetzt. Das ist wohl – neben Kunstmarkt-Faktoren – einer der zentralen Gründe, warum sich die Malerei ihre Bedeutung immer wieder zurückerobert, kaum hat man sie (einmal mehr) tot gesagt. Gerade zur Zeit ist der Feldzug zurück in die Museen voll im Gange.

Die Langenthaler Ausstellung zeigt, dass es sich dabei nicht um einen reaktionären Prozess handelt, sondern um die Neubetrachtung malerischer Positionen unter dem Aspekt der veränderten Zeit. Sie geht der Frage nach wie Maler/-innen mit der verwirrenden Vielfalt von Wirklichkeiten respektive Täuschungen umgehen. Die Palette hat fünf Farben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie an der Basis von der sichtbaren Welt ausgehen, von einem Zweig, einer Blume, einer Fotografie, einem Werbeplakat, einem Filmausschnitt. Dem Blick darauf traut freilich niemand; erst entkernt und neu formuliert entsteht daraus „Wirklichkeit“.

Pascal Danz zum Beispiel geht vom vorgefundenen, reproduzierten Bild aus, das er durch farbliche und formale Reduktion mit dem verknüpft, was er denkt und daraus schliesst, aber nicht sieht. Klaudia Schifferle fotografiert und nimmt die Nahaufnahmen aus dem Innern von Blumen als Ausgangspunkt, vervielfacht die Formen in der Malerei und löst sie durch Transparenz wieder auf. Lisa Hoever legt monochrome Schichten ölgetränkter Farbe auf die Leinwand und wirft dabei einem Akt der Erinnerung gleich Blätter, Blumen oder Zweige ins farbige „Grab“. Kotscha Reist hingegen überlagert lamellenartige Schichten von Horizontalen und Vertikalen so, dass sie einer gebauten Wirklichkeitsebene vorgelagert scheinen, letztlich aber doch nur vervielfachte Täuschung sind. Den sich ästhetisch-verführerisch gegen die Auflösung von Wirklichkeit wehrenden Bildsprachen stehen die expressiven Porträts von Max Hari spannungsvoll gegenüber. In wuchtigen Pinselzügen lässt der Maler ein als Grundmuster identisches Gesicht vielfarbig, überlebensgross und in ganz unterschiedlichen Ausdrucksweisen erscheinen. Dem Träumerischen, Melancholischen, Geheimnisvollen von Danz, Schifferle, Hoever und Reist stellt er, malerisch ausufernd und grossformatig die Radikalität projizierter Lebenswirklichkeiten entgegen.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Langenthal beschränkt sich nicht darauf, die Positionen als Einzelne zu zeigen. In einer angesichts der schwierigen Räume überaus geglückten Inszenierung werden sowohl geschlossene Werkgruppen gezeigt wie Bilddialoge hergestellt; im extrem eines der dramatischen Porträts von Max Hari neben einer der kleinstformatigen, scheinbar aus Schall und Rauch geformten „Landschaften“ von Klaudia Schifferle. Gerade diese Gegensätze verdeutlichen, wie viele Ansätze die Malerei bietet, um der Verunsicherung angesichts wankender Wirklichkeiten eigene Visionen entgegenzusetzen; die Weltkugel als Universum voller Bilder. Der zur Ausstellung erschienene Katalog (Texte: Marianne Burki, Susanne Bieri, Magdalena Schindler, Konrad Tobler, Samuel Herzog, Annelise Zwez) vertieft sowohl die Thematik der Ausstellung wie die individuellen Ansätze der einzelnen Kunstschaffenden.