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Ansprache anlässlich der Übergabe der „Anerkennung für kulturelle Verdienste“

durch die Stadt Biel an den Direktor des Centre PasquArt, Andreas Meier.

3. Dezember 2000

Annelise Zwez, Präsidentin der Kulturpreis-Kommission der Stadt Biel

Sehr geehrte Damen und Herren

Mesdames et Messieurs

lieber Andreas

Als wir miteinander telefonierten, um für die Vorbereitung dieser Laudatio einen Termin zu

vereinbaren, sagtest Du spontan: „Ich freue mich ja über die „Anerkennung“, aber am

liebsten würde ich sie mit Andreas Schärer teilen“. Das Telefongespräch, Sie erraten es,

fand kurz nach der Veröffentlichung des Rücktritts des Leiters der städtischen Abteilung

für Kultur statt. Ich erwähne dies hier nicht primär um den Adressatenkreis meiner Worte

zu erweitern. Sondern weil sich Andreas Meier darin spiegelt. Ich denke alle, die ihn

kennen, haben Ähnliches in anderem Zusammenhang auch schon gehört. Andreas Meier

ist – und ich würde behaupten, das ist eine rare Spezies – ein Mensch, dem es stets ein

Anliegen ist, das Du in sein Denken und Tun miteinzubeziehen. Das ist vielleicht – noch

bevor wir auf die äussere Geschichte auf dem Weg zum heutigen Tag eingehen – der

Grund, warum es Andreas Meier und den ihm Verbündeten allen Schwierigkeiten zum

Trotz gelang, die Realisierung des Centre PasquArt zum Erfolg zu führen. Und vielleicht

gründet in diesem Wesenszug des „Wir“ auch, dass es Centre PasquArt heisst und nicht

eine Museums-Pyramide ist mit einem Direktor an der Spitze, sondern ein Zentrum in

Form kommunizierender Gefässe für Kultur. Eine Häusergruppe, in denen sich die

bildende Kunst in ihrem ganzen Fassettenreichtum, die Fotografie, der Film und das

bildnerische Experiment treffen und als konzeptuelles Crossover durchwirken.

Als Andreas Meier vor 10 Jahren zum ersten Leiter des provisorischen Kunstmuseums im

PasquArt gewählt wurde, war er für viele ausserhalb der Region Biel ein Berner – und ich

sage das jetzt bewusst überspitzt – welcher der zeitgenössischen Kunst in der Provinz

zum Durchbruch verhelfen wollte. Denn überregional wahrgenommen hatte man den

Kunsthistoriker zuvor als Assistenten am Kunstmuseum Bern. Denn Biel war in Sachen

Kunst, mit Ausnahme der Schweizer Plastikausstellungen, gesamtschweizerisch ein

unbeschriebenes Blatt. Wie falsch diese Optik in Bezug auf Andreas Meier ist, habe ich

erst bei den Vorbereitungen für die heutige Feier so richtig realisiert. Denn es ist auch

nicht, wie ich zuvor meinte, knapp 20 Jahre her, das er sich für die Kunst in Biel einsetzt.

Damals, anfangs der 80er Jahre, hatte Andreas Meier den Auftrag erhalten, sich parallel

zu seiner Tätigkeit am Museum in Bern Gedanken im Hinblick auf eine öffentliche

Präsentation des biel-städtischen Kunstgutes zu machen. Was dann in der Folge zum

Konzept des Museum Neuhaus auf der einen Seite der Schüss und des Centre PasquArt

im alten Spital auf der anderen Seite der Seevorstadt führte.

Es sind nicht 20 sondern vielmehr 30 Jahre her, dass Andreas Meier damit begann,

zeitgenössische Kunst nach Biel zu bringen. Und wie! Ich merke, Sie beginnen jetzt

langsam zu rechnen. Mit Recht, denn Andreas Meier war tatsächlich erst etwas über 20

Jahre alt als er im kleinen Kunstkeller des Kunstvereins Schweizer Zeichnungen zeigte

und bald darauf „Schweizer Konkrete“ wie Richard Paul Lohse, Max Bill, Hansjürg

Glattfelder, Nelly Rudin u.a. Etwas erstaunt sei die Zürcher Galeristin von Gimpel &

Hannover schon gewesen, als er mit einem Mietauto vorgefahren sei, um die Lohse und

die Bill einzuladen. In Biel muss es damals geknistert haben vom Glauben an die Zukunft.

Doch der Reihe nach. Und verzeihen sie mir, wenn ich einen Moment lang von den 50er,

den 60er und den 70er Jahren spreche. Ein Leben beginnt nie in der Mitte und Andreas

Meier ist ein klassisches Beispiel dafür, dass sich der Rucksack in der Jugend füllt. Im

übrigen geht es mir in meiner Laudatio nicht primär darum, die Geschichte des PasquArt

noch einmal aufzurollen – diese haben wir anfangs Jahr anlässlich der Eröffnung vielfach

gehört. Sondern etwas vom Menschlichen und Gesellschaftlichen zu skizzieren, das die

Geschichte des PasquArt mit Andreas Meier als Federführendem begreifbar macht.

Obwohl nicht einer Uhrenmacherfamilie enstammend, habe ihn das Klima der Stadt mit

ihrer spezifischen Ausrichtung stark geprägt, sagt Andreas Meier. Die ersten Schuljahre

absolvierte er gleich neben dem Rittermatte-Schulhaus, da also, wo Marcel Joray in den

50er Jahren die ersten Schweizerischen Plastikausstellungen durchführte. Mit grossen

Augen habe er zugeschaut, wie da Sockel aufgestellt und Plastiken platziert wurden. Auch

an die Auseinandersetzungen um die ersten abstrakten Kirchenfenster erinnere er sich

gut. Und ebenso an die Galerie Socrate, wo er erste Bilder von Künstlern wie Georges

Item, André Evard, Jean-François Comment und anderen gesehen habe, denn die Galerie

habe ihre Räume im Kirchgemeindehaus an der Murtenstrasse gehabt, wo er zum

kirchlichen Unterricht gegangen sei. Welchen Arp er in der Plastikausstellung von 1966

auswählte, um ihn im Zeichenunterricht abzuzeichnen, wisse er bis heute. Mit anderen

Worten: Die Schulzeit prägt. Jörg Leist, in den 60er Jahren Zeichenlehrer am Gymnasium

habe aber nicht nur ihm Wertvolles mitgegeben, sondern auch Künstlern wie Christoph

Rhis oder Pavel Schmidt. Dass er schliesslich schon vor der Matura Mitglied des

Kunstvereins war, hat indes mit einem Zeichen-Wettbewerb zu tun, den der Kunstverein

ausgeschrieben und den er damals zusammen mit Hans Flückiger, dem heutigen

Präsidenten der Kunstkommission der Stadt Biel, gewonnen hatte. Der Preis bestand

nämlich in einem Jahresblatt und der Mitgliedschaft beim Verein. Aufschlussreiches Detail:

Der heutige Leiter der Artplages von Murten kann sich nicht an den Wettbewerb erinnern.

Was vom Vielen, das Kinder, Jugendliche und wir alle täglich erfahren, schliesslich im

Gedächtnis haften bleibt, ist ungewiss und individuell.

Es stellt sich also die Frage, was Andreas Meier denn so fasziniert hat an der Kunst, dass

sie zu seinem Lebens-Inhalt wurde, nicht als Künstler, sondern als Vermittler und als

hartnäckiger Streiter für die Kunst.

Ganz wesentlich, so sagt er, seien die 68er Jahre gewesen. Die Tatsache, dass man die

neuen Philosophien, die politischen Entwicklungen, die Lebenshaltungen in der Schule

diskutierte und sie in Biel, geprägt von Optimismus und Zukunftsglauben, auch ihren

Lebens-Ausdruck fanden. Der Bau des Kongresshauses sei hiezu nur ein Beispiel, auch

wenn der Bau bezüglich Kunst ein Reinfall gewesen sei. Denn die Erwartungen des

Kunstvereins, hier Ausstellungen durchführen zu können, sei bald einmal verflogen. Die

offene Struktur des Gebäudes – inhaltlich und gestalterisch ein Stück 68er Gedankengut –

habe schon bei den ersten Ausstellungen zu so vielen Beschädigungen geführt, dass sich

der Kunstverein in den kleinen Keller am Ring zurückziehen musste. Gibt es somit einen

Bogen vom Kongresshaus zum PasquArt?

Eine Forderung der 68er Jahre zielte auf mehr politisch bewusste Akademiker. Das war

ganz im Sinn von Andreas Meier, der sich an der Universität Bern in Germanistik und

Kunstgeschichte einschrieb. Mit Sprache das Wesen der Kunst fassen und vermitteln

wurde zum Kern dessen, was Andreas Meier bis heute umtreibt. Man vergesse dabei

nicht, dass die zeitgenössische Kunst nach 1968 eine ausgesprochen politisch-kritische

war. Es ging nicht nur um die Vermittlung der schönen Künste, sondern auch um das

Bewusstmachen von deren politischer Sprengkraft. Und dies war nur möglich, indem man

ihr Raum gab und Orte der Auseinandersetzung schuf. Und so waren ihm die

Übungsstunden mit Professor Huggler, damals bereits Alt-Direktor des Berner

Kunstmuseums, das Diskutieren von Kunst am Original und vor Ort wesentlich wichtiger

als viele andere Vorlesungen. „Ich sehe heute noch wie er den Mirò von der Wand nahm,

auf die Staffelei stellte und engagiert erzählte“. Das war die Basis für das

museumspädagogische Engagement, das Andreas Meiers Karriere stets begleitet hat und

heute im PasquArt, unter der Leitung von Manette Fusenig, trotz Minimalbudget zum

Unverzichtbaren zählt.

Politisches begleitete Andreas Meier aber auch auf anderer Ebene. Als Werkstudent, der

sich sein Leben mit Unterricht am deutschen Gymnasium verdiente, wurde ihm bald

einmal klar, wie die Schule mit der Manövriermasse „Hilfslehrer“ umging. Und so ging er

auf die Barrikaden, für mehr Rechte für Hilfslehrer, kleinere Schulklassen u.a.m. Es galt

trotz wirschaftlichem Niedergang politisch bewusst zu bleiben und Rechte zu formulieren.

Als er sich nach Studienabschluss um eine Stelle als Assistent am Kunstmuseum Bern

bewarb und diese auch erhielt, sei er gar nicht sicher gewesen, ob in einem institutionellen

Museum arbeiten nicht hiess, sich von Anfang das eigene Grab schaufeln. So von

ungefähr kam der Schock nicht, als er den Museumsdirektor missverstand als dieser ihn

fragte, ob er Lust habe nach Moskau zu fahren. „Moskau einfach“ war damals ein

geflügeltes Wort, um dem Unmut gegenüber jungen Linken Ausdruck zu geben. Doch

konkret ging es um etwas ganz Anderes, nämlich um ein wertvolles Bild, das Bern nach

Moskau ausgeliehen hatte und nun unbedingt zurück haben wollte. Ich erzähle dies nicht

primär als Anekdote, sondern um aufzuzeigen, dass die Achse Biel – Bern nicht

ausreicht, um Andreas Meiers Blickfeld zu charakterisieren. Die Zeit am Kunstmuseum

erwies sich gerade in dieser Hinsicht als äusserst fruchtbar. Mit Klee reiste er nach Japan,

mit Van Gogh nach New York… mit Meyer-Amden in die Tiefen der Seele und mit dem

„Blauen Reiter“ ins Zentrum der Farbe. Doch nicht nur künstlerisch war Bern wichtig, auch

kulturpolitisch. Denn in Bern stand damals der politische Kampf um die Erneuerung und

den Umbau des Kunstmuseums an. Die Öffentlichkeit musste von der Bedeutung des

Museums als Ort der Kunst, der Begegnung, der Diskussion und des Erkennens

transparent gemacht werden. Bern, so wird im Rückblick klar, war die Schule für Biel.

Warum Andreas Schärer ausgerechnet Andreas Meier damit beauftragte, sich im

konjunkturell langsam wieder Tritt fassenden Biel mit museumspolitischen Fragen zu

beschäftigen, liegt nach dem Gesagten auf der Hand. Auf die Frage, warum er Bern

zugunsten Biels wieder verlassen habe, sagte Andreas Meier etwas sehr

Aufschlussreiches, das in einem Gedankenblitz plötzlich auch auf die Gegenwart, auf den

Rücktritt von Andreas Meier als Leiter des Centre PasquArt per Ende 2001, übersprang.

Er sagte nämlich ganz einfach und lapidar: „Reculer pour mieux sauter“. Da wollte einer

etwas erreichen. Zum Glück. Denn ein Beamter hätte nicht durchgestanden, was in der

Folge an banalen und an grundsätzlichen Infragestellungen auf ihn zukam. Das politische

Biel war eigentlich gar noch nicht bereit, eine Museumsstadt zu werden. Man musste es

sie lehren. Durch nicht nachlassen. „Wenn ich nicht immer auf einen harten kultureller

Kern in der Bevölkerung und bis hinein in den Stadt- und den Gemeinderat hätte zählen

können, wäre ich nicht stark genug gewesen“, sagt er im Gespräch; und die Stimme lässt

keinen Zweifel daran, dass nur das Gefühl eines gemeinsamen Ziels ihn nicht erlahmen

liess. Er weibelte, dachte, schrieb, diskutierte und formulierte Konzepte.

Überzeugungsarbeit, bis an die Grenzen des Möglichen. Zentral dabei die Trennung von

Kunst auf der einen und historischem Kulturgut auf der anderen Seite, denn die

zeitgenössische bildende Kunst braucht andere Räume als die Darstellung der Geschichte

der Uhrenindustrie, zum Beispiel. Der zähe Weg trug schliesslich Früchte, umso mehr sich

das alte Spital räumlich geradezu anbot, von Künstlern experimentell genutzt zu werden.

Und die Kunstschaffenden der Region machten mit; ihnen war klar, hier bot ihnen einer

eine Chance. 1990 wurde Andreas Meier zum Leiter eines provisorischen Bieler

Kunstmuseums gewählt. Fortan nahm ihn die Öffentlichkeit vorab in diese Funktion wahr,

obwohl er im Rahmen von Kommissionsarbeit auch weiterhin nicht aus der Konzeptarbeit

des Museum Neuhaus wegzudenken war. Doch lange währte die künstlerische

Aufbruchstimmung nicht: Nach nur wenigen Jahren kam der Schlag. Das Experiment

PasquArt sei aus dem Budget zu streichen, befand die Finanzdirektion. Ist es „Ironie des

Schicksals“, dass genau dies das Umgekehrte zur Folge hatte? Denn der Angriff

mobilisierte Gegenkräfte. Andreas Meier war es in den kurzen Jahren gelungen, eine

Bühne zu schaffen, die nun bespielt werden wollte. Verzweifelt Unterstützung suchend,

verschickte er unter anderem Fragebogen an Kunstfachleute in der ganzen Schweiz, in

dem er sie um ihre Meinung zur Bedeutung des PasquArt bat. Und siehe da, die Schweiz

reagierte und nahm dabei gleichzeitig erstmals so richtig wahr, was sich da in Biel

eigentlich abspielte. Und ergriff Partei – für Andreas Meier und für das Centre PasquArt.

Und – das sei nun einfach so behauptet – auch Aristide Poma liess sich genau davon

anstecken und schuf, von Marc F. Suter taktisch gut beraten, ein Legat, das alles Künftige,

das uns noch gut in Erinnerung ist, einleitete. Ende gut, alles gut? Loorbeeren zum

Ausruhen? Oh, nein!

Das Centre PasquArt gehört zu den Vorzeigeobjekten der Stadt. Sowohl die Architektur in

ihrer Form wie ihrer Funktionalität wird in Fachkreisen hoch gepriesen. Und die

Ausstellungen finden Echo von Zürich bis Genf. Die Kulturpreiskommission durfte sich des

Lobes sicher sein, als sie dem Gemeinderat vorschlug, Andreas Meier in Form einer

offiziellen Anerkennung für die geleisteten Dienste zu danken. Denn diese stehen ausser

Zweifel: 30 Jahre Kämpfen für die Kunst in Biel. Ein Engagement, das weit über die

bildende Kunst hinausgeht, denn längst ist die Kultur zu einem Faktor der Standort-

Qualität geworden. Da ist ein Dankeschön aller an Andreas Meier das Mindeste, was zu

tun ist. Und es sollte uns alle anspornen, auch in Zukunft mit aller Kraft für die Kultur in

Biel einzustehen. Im finanziellen Kampf der Stadt ums Überleben mit den zur Verfügung

stehenden Mitteln darf die Kultur nicht zum Streich-Konzert verkommen. Denn mit weniger

Mitteln als heute wird sie in provinzielle Randständigkeit zurücksinken. Der Dank an

Andreas Meier ist ein Aufruf an uns alle.

Ich danke fürs Zuhören.