Humor zeigen heisst nicht unpolitisch sein
Vor der Eröffnung der 10. Bieler Plastikausstellung
Am 17. Juni hat Transfert die 10. Bieler Plastikausstellung Vernissage. Dann werden die Skulpturen, Installationen und Interventionen platziert respektive programmiert sein. Doch jetzt sind die Künstler/-innen in der Stadt an der Arbeit.
Nicht Intellekt und nicht Ironie sei die Sprache der jungen Kunst, sondern Humor, sagt der Transfert-Künstler Renaud-Auguste Dormeuil. Denn keine andere Strategie wirke so direkt. Man meine aber nicht, so der Franzose weiter, dass der Künstler damit weniger seriös arbeite; auch diese Kunst sei politisch. Tatsächlich werden viele Transfert-Projekte zu hintergründigem Schmunzeln verleiten, indem sie Bekanntes in unbekannte Kontexte stellen oder Vertrautes durch Manipulation ins Gegenteil verwandeln. Gerade darum möchten viele Künstler/-innen nicht, dass man zuvor zuviel verrät.
Die Berner Künstlerin Nika Spalinger zum Beispiel sagt nur: Du musst halt dann die Ohren brauchen, um zu sehen, wenn Du in der Nähe des Kongresshauses bist.
Offensichtlicher ist da schon die Arbeit des in Paris lebenden Olivier Blanckart: Er hat vergangene Woche ein altes Transformatorenhäuschen an der Schüss in einen kleinen, farbigen Tempel verwandelt; ausschliesslich unter Verwendung von farbigen Scotch Bändern. Typisch ist dabei, dass Blanckart zwar mit billigem Material arbeitet, das sich jedermann leisten kann, gleichzeitig aber auf der künstlerischen Ebene höchste Präzision fordert. Als Beispiel: Das Renovationsteam durfte die Ziegel auf dem Dach nicht mit langen Bändern horizontal überkleben, was vom Aufwand her ökonomischer gewesen wäre, sondern musste jeden Ziegel einzeln überziehen.
Damit zeigt Olivier Blanckart, dass es ihm nicht einfach um ein farbiges Häuschen geht, sondern sehr präzise um das Wecken verschiedenster Assoziationen von der vielzitierten Bieler Innenstadtattraktivierung, über die Liebe, mit welcher, zum Beispiel junge Mädchen, ihre Wohnräume einrichten bis hin zum Glanz und zur Farbe indischer Tempel und wieder zurück zur Farbe in den Städten des europäischen Spätmittelalters. An solcher Offenheit und Komplexität lässt sich die Qualität der jungen Kunst, die so kaum mehr etwas mit dem traditionellen Kunstbegriff zu tun hat, ablesen.
Und ebenso wichtig: Es braucht keine Vorbildung dazu. Die jungen Kunstschaffenden suchen den direkten Kontakt mit der Gesellschaft. Eine Galerie, so sagt zum Beispiel die Kanadierin Dana Wyse, ist mir viel zu steril für eine Ausstellung; da stehe ich lieber morgens um fünf Uhr auf und stecke Flyer unter die Scheibenwischer der Autos, das ist viel effektvoller. In Biel werden ihre Werke in einer Apotheke an der Bahnhofstrasse erhältlich sein: Medizin für Geist und Seele.
Wer vorletzte Woche das Kongresshaus noch einmal inspizierte, mochte sich gewundert haben. Probebohrungen für die Sanierung oder bereits Bohrlöcher für die Sprengung? Nichts davon; wohl aber die junge, deutsche Künstlerin Ulrike Gruber, die in halsbrecherischer Höhe organgefarbige Reliefs am Turm befestigte. Was auf Distanz wie malerisches Taches aus der Zeit des Tachismus (50er/60er Jahre) aussieht und von nahe wie kleine Soft-Sculptures aus den popigen 60er Jahren, sind in Tat und Wahrheit Kletter-Griffe. Gute Arbeiten sind nie Attrappen, sagt die Künstlerin. Und natürlich geht es ihr gerade um die Wechselwirkung von Kunst und Realität, um das Paradox von Malen und Klettern, wobei die mögliche Assoziation von Kunst und Karriere durchaus mitgedacht werden darf.
Die Luxemburgerin Simone Decker wollte sich nicht fotografieren lassen, bei ihren Vorbereitungen für Transfert. Zuviel wäre verraten worden. Doch Weltformat-Plakate werden in Biel, in Bern, in Basel und in Berlin für die überraschende Bieler Tiefsee-Welt werben. Transfert wird handfest, geheimnisvoll und auch ein bisschen virtuell in einem sein.
Dass spannende Momente der Ausstellung jetzt, in der Phase der Vorbereitung stattfinden, darauf hat Transfert-Kurator Marc Olivier Wahler schon vor langer Zeit hingewiesen. Schon im vergangenen September montierte der Neuenburger Künstler Philippe Ramette hoch oben auf dem Volkshaus eine Aussichtsstuhl, um Biel mit der weiten Welt zu verknüpfen. Ganz gelungen ist es nicht, dieses Vor wie angekündigt als Teil der Ausstellung bewusst zu machen. Zu viele Schwierigkeiten stahlen den Organisatoren die Zeit weg. Doch nun läuft alles auf Hochtouren. Auch im Centre PasquArt.
Transfert ist die 10. Bieler Plastikausstellung. Dass dies erklärungsbedürftig ist, hängt damit zusammen, dass zum einen neun Jahre vergangenen sind seit der letzten Gross-Veranstaltung im Stadtraum, zum anderen aber auch damit, dass sich der progressive Strang der bildenden Kunst in den letzten Jahren so gewandelt hat , dass er nur noch mit Mühe in das eingebunden werden kann, was bisher als Kunst galt. Wie einst zu Dada-Zeiten und wieder zur Fluxus-Zeit wollen die jungen Künstler weg vom Betriebssystem Kunst, hinein ins Leben und zu den Menschen. Mobil wie sie sind, wollen sie keine schweren Skulpturen mitschleppen, sondern mit ihren Ideen mitten in der Stadt wirken, ihre Arbeiten dokumentieren und – vielleicht – als Fotomappe oder als Video – mit in die Zukunft nehmen. Mehr nicht.
So liegt es in der Natur der Sache, dass die parallele, grosse Ausstellung im Centre PasquArt, welche die kunstgeschichtlich bedeutende Tradition der Bieler Plastikausstellungen dokumentiert, mit Transfert im Stadtraum nicht so ganz zur Einheit formbar ist. Gerade mit den wichtigen Bildhauer-Positionen, die das PasquArt ins Zentrum stellt, wird die Museumsausstellung aber Kontrast und Vielfalt der Kunst im öffentlichen Raum seit den 50er Jahren aufzeigen. Akzente werden unter anderem Arbeiten von Marianne Grunder, Jürg Altherr, Carmen Perrin, Erika Pedretti, Gunter Frentzel und Ueli Berger setzen. Man darf gespannt sein.