Elsie Wyss: Werkkatalog 1970-2002

Gedachtes und Formuliertes

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez im Bieler Tagblatt vom 28. November 2003

 

Elsie Wyss, 1927 in Grenchen geboren, hat ein kleines, konsequentes Werk geschaffen, das indes (zu) wenig rezipiert wurde. Nun dokumentiert ein Werkkatalog das Gedachte und das Formulierte eindrücklich.

Da und dort wurde das auf rhythmische Präzision ausgerichtete bildnerische und plastische Schaffen der in Zürich lebenden, heute 76jährigen Grenchnerin Elsie Wyss gezeigt, insbesondere in den letzten 15 Jahren (1998 zum Beispiel, im Kunsthaus Grenchen). Doch erst der jetzt von John Matheson in der Galerie Nomad (Meilen) herausgegebene, Werkkatalog macht ihr um 1970 einsetzendes Kunstschaffen in seiner Bedeutung fassbar. „Geometrisch aufgebaut, sind die Bilder von Elsie Wyss doch nicht im eigentlichen Sinn konstruktivistisch. Immer sind sie räumlich empfunden und erwecken gegenständliche Assoziationen: Urlandschaften und sakrale Architekturen begegnen dem Hang zur Minimal Art“, schreibt der Kunstkritiker Martin Kraft treffend. Und was für die frühen Bilder gilt, durchzieht auch ihr plastisches Schaffen. „Ziel ist es, mit einfachsten Mitteln grösstmögliche Ausdehnung zu erzielen“, formuliert John Matheson und Barbara Miesch betont „Klarheit bei gleichzeitiger Vielfalt“.

Was sich indes wie ein roter Faden durch den dokumentarischen Katalog zieht, ist das Bedauern, vielleicht sogar die Fassungslosigkeit, wie wenig von dem, was Elsie Wyss gedacht, gezeichnet, im Modell präzise skizziert hat, jemals ausgeführt wurde. „Geplant als Grossplastik in Stein, geplant für Platzgestaltung, geplant als vom Boden bis zur Decke reichende Konstruktion …“ – immer wieder ist es in den Bildlegenden zu lesen. Das ist indes nicht untypisch für eine Künstlerin der Generation von Elsie Wyss. „Zu alt“ ist sie schon, als ihr junges Werk einsetzt (keine Stipendien), zu wenig ernst wird es im Umfeld der zweiten Generation der Zürcher Konkreten genommen und in den monumentalen Ideen für Kunst am Bau immer wieder zurückgesetzt.

Und als dann die Pensionierung (ein Brotjob muss ja sein) es ab 1990 endlich ermöglicht, sich breiter zu entfalten, ist die Zeit „davon gerannt“ und das wichtige Frühwerk, auf dem alles aufbaut, nicht mehr präsent. Und Elsie Wyss nicht der Charakter, sich in den Vordergrund zu stellen, weder früher noch später. Umso wichtiger ist der kleine, aber mustergültige Werkkatalog. Es ist – nicht untypisch für die Künstlerin – keine Monographie. Nur indirekt und in wenigen Sätzen ist Persönliches oder zum Beispiel ihr umweltkritisches Engagement (nicht zuletzt für den Naturschutz auf der Petersinsel) herauszulesen; etwa in den „Behausungen“.

Das künstlerische Schaffen trägt ihre Geisteshaltung indes in abstrakter Codierung in sich, zum Beispiel in der häufigen Anwendung der Fibonacci-Zahlen, die einer Spirale und dem goldenen Schnitt gleich, Wachstum ins Unendliche in sich tragen. Was ihre „Gitter“, „Stelen“ und „Piazza“ in sich und in Relation zum Umraum charakterisiert, ist denn auch ihre zugleich dynamische wie präzise festgehaltene Proportionalität. Am schönsten vielleicht in den leichten, offenen Eisenkonstruktionen, welche die Natur oder den Raum und die Menschen, die sich darin bewegen ins Werk integrieren. Es wundert nicht, dass Elsie Wyss immer wieder anregte, Skulptur, Tanz und Musik zum Gesamtkunstwerk zu verbinden und dies, zum Beispiel in Kooperationen mit Michel de Falque, auch mehrfach realisierte.

Der Katalog (36 Seiten, 140 Abbildungen, teils farbig) ist erhältlich bei der Edition Nomad, Seidengasse 17, 8706 Meilen, Tel. 01/923 28 63 oder j.matheson@bluewin.ch. Preis: 22 Franken zuzüglich Versandkosten.