Dundakova Maria Oberentfelden 1993

Text zur Ausstellung im Gemeindehaus


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Maria Dundakovas Kunstschaffen verkörpert eine eigene, komplexe Sicht der Welt.. Analog ist auch der methodische Ansatz. Nicht formale Einheit interessiert sie, sondern Einheit als Vernetzen von Vielfalt. Die Gestaltungsformen, die sie einsetzt, sind dementsprechend sehr verschieden. Sie reichen von Arbeiten mit selbst geschöpftem Papier, über Malerei, selbst entwickelte Graphik-Techniken bis zu Fotografie,  Performance, Video ,Computerkunst und verschiedenen Mixed Media.


Die Annäherung kann über drei Ansatzpunkte erfolgen: Ueber die Technik der Herstellung, über die Farben und ihre Symbolik, über den geistigen Raum, den die Werke evozieren.


In dieser Ausstellung sind insbesondere Papier-Arbeiten zu sehen. Das heisst konkret: Abdrucke von Realgegenständen – Türen, Fenster, Wände – mittels einer hochwertigen, filzähnlichen Papier-Masse. Die Beschaffenheit der selbst hergestellten Substanz erlaubt es der Künstlerin, nicht nur die Grob-Form als Relief „abzunehmen“, sondern jede kleinste Spur sichtbar zu machen, manchmal auch eigene Markierungen einzubringen.


Die Oberentfelder Ausstellung trägt den Titel „Bauernhaus Ritus/Echowege“. Damit benennt Maria Dundakova erstens den Ort, wo die ausgestellten Werk ihren Ursprung haben, zweitens das Rituelle der technischen Herstellung der Arbeiten und drittens die Schwingungen, die dadurch wahrnehmbar werden.


Maria Dundakovas Werk wird gerne als „mystisch“ bezeichnet. Zweifellos sucht die Künstlerin unablässig nach dem Austausch, nach den Vibrationen zwischen dem Sichtbaren, Materiellen und dem Immateriellen, Spürbaren. Sie lokalisiert dieses Erfahren von Transzendenz indes nicht in irgendwelchen exotischen Höhen, sondern da, hier, in und um uns. Dementsprechend stammen viele ihrer Motive an der Basis aus der unmittelbaren Lebensumgebung. So stand zum Beispiel dieses „Bauernhaus“ vis-à-vis von ihrem Atelier, in völlig verstädterter Umgebung, bis es schliesslich abgerissen wurde, um einer modernen Wohnsiedlung Platz zu machen. 


In der kurzen Phase, da die Menschen bereits ausgezogen und die Lager geräumt waren, wurde Maria Dundakova aktiv. Mit einer grossen Menge ihrer Papiermasse „löste“ sie die Türen von den Türen, die Fenster von Fenstern, die Wände von den Wänden. Im kunstgeschichtlichen Vergleich denkt man hier vielleicht sogleich an die Kautschuk- Raum-„Häutungen“ der Winterthurerin Heidi Bucher. Etwas Gemeinsames schwingt da zweifellos, doch nur für einen kurzen Moment. Für beide Künstlerinnen geht es nicht um ein Festhalten von Zeit, nicht um ein denkmalschützerisches „Trauerspiel“, sondern um die Symbolik der Dekonstruktion auf der einen, der Neukonstituierung auf der anderen Seite. 


Während bei Heidi Bucher die Symbolik jedoch individuellen und gesellschaftlichen Charakter hat, sucht Maria Dundakova im stillen Austausch mit dem Ort, die Energien von Zeit, Materie und Leben zu materialisieren und dadurch sichtbar zu machen. Als Zeichen der eigenen energetischen Aufladung des Objektes setzt sie in einem zweiten Arbeitsgang Farbpigmente. Vorherrschend sind dabei Blau und Gelb. Die Farbsymbolik ist ein reiches Forschungsgebiet und nicht immer meinen die Farben dasselbe. Bei Maria Dundakova stehen auf einer Primärebene das Blau für Wasser  und das Gelb für Licht und Wärme, somit die drei zentralen Faktoren, die in der Natur Leben bedeuten. Gleichzeitig klingt in Blau und Gelb der Wechsel von Nacht und Tag an, die Unendlichkeit des Kreislaufes. Man kann die beiden Farben aber auch als unterschiedliche Energieverdichtungen verstehen, wobei das Blau – analog zur Astrologie – dem Empfindungsmässigen, das Gelb dem Geistigen zuzuordnen wäre. Die Farben appellieren somit an das breite Spektrum unserer Wahrnehmungs-, unserer Echo-Fähigkeit, sowohl auf intellektueller wie auch auf emotioneller Ebene.


Die Ausstellung beschränkt sich nicht auf Papier-Arbeiten, sondern weist in weiteren Arbeiten auf den Facetten-Reichtum von Maria Dundakovas künstlerischem Schaffen. Immer kann man beobachten, dass dabei aus Kleinem Grosses, aus Unbedeutsamem Bedeutsames wird. Man kann dies sowohl an den als Fotografie ausgestellten Boden-Zeichungen wie auch an den Collage-Kästen ablesen. Beide Werkgruppen gehören eng zum bereits genannten „Bauernhaus“. In diesem Haus hatte unter anderem der Schokolade-Werbemann und -Designer der ersten Stunde, Walter Niederhauser ( und später seine Nachkommen) einen Lagerraum. Beim Räumen „siedelte“ Manches ins Atelier von Maria Dundakova über und taucht nun wieder auf, eingebettet, eingeklebt, einmodelliert in Collagen, die auf den ersten Blick an die DADA-Zeit erinnern. Aber nur auf den ersten Blick. Denn was damals einer Protesthaltung entsprach, wird nun als Kostbarkeit betrachtet, als Dinge, die Zeiten erlebt haben, die heute nicht mehr greifbar sind. ( Vieles datiert wohl aus den 10er und 20er Jahren dieses Jahrhunderts.) 


Doch wiederum: Es geht Maria Dundakova nicht um ein Beschwören von Vergangenheit, sondern um die Energien, um die Zeitimpulse, welche in solchen Spuren enthalten sind. Indem sie den eigentlichen Collagen eine Art Predella anfügt, das heisst in diesem Fall einen kleinen Landschaftsstreifen, verändert sie das Proportionsgefüge. Die Landschaft ist klein und die Collage als Zelle des Denkens und Gestaltens ist im Verhältnis gross. Es spiegelt sich in diesen Proportionen nicht zuletzt das subjektive Empfinden von Individualität und Kollektiv.

Diese Präsenz von Bedeutung, diese Präsenz von Ganzheit im Kleinen und Kleinsten zeigen auch die Zeichen, die Signale, die Maria Dundakova  durch Streuen von Stroh, Mineralpigmenten oder Kreide auf den Boden „zeichnet“. Ein Winkel kann einen Richtung anzeigen, aber auch einen Raumansatz umschreiben; ein Kreis eine kleine Geschlossenheit markieren, einen Ort, vielleicht gar eine Feuerstelle. Der Boden, der die Basis bildet ,wird plötzlich zur Erde in der Dimension ihrer Zeitgeschichte.


Als weitere Ebene der Ausstellung kommt die Musik von Bruno Spoerri hinzu. Seine Musik ist autonom, keinesfalls Illustration der bildenden Kunst. Aber die beiden Kunstschaffenden arbeiten mit analogen Methoden.  So wie Maria Dundakova von der Realität ausgeht,  sie aufnimmt und zu etwas Neuem gestaltet, so geht auch der Komponist von Tönen aus, die wir alle kennen ( Kuhglocken zum Beispiel), braucht sie als Basis, die dann  in einem Performance-Akt überlagert und schliesslich in der Synthese zu etwas Neuem wird. Die beiden Kunstschaffenden haben schon mehrfach zusammengearbeitet und so zu einem gegenseitig gesteigerten Ausdruck gefunden.