Im Auftrag des AT auf Vorrat geschrieben: Nachruf Roland Guignard, Maler in Aarau/Rombach 1995
Zum Tod des Aargauer Malers Roland Guignard
Komponierte seine Bilder als Kontrapunkte
Annelise Zwez
Roland Guignard war ein Unermüdlicher. All seine Kräfte hat er darauf verwendet, sein malerisches Werk voranzutreiben. Nun hat die Macht des Todes die endgültigste aller irdischen Zäsuren gesetzt und sein Oeuvre geschlossen. Welch ein Bogen von den frühen Pferdebildern aus dem Aarauer Schachen zu den ungegenständlich-konstruktiven Bildern und Reliefs des Alterswerkes! Fast sechs Jahrzehnte leidenschaftlicher Malerei spannt er aus. Und doch klingt sie durch alles hindurch: Die Suche nach den Beziehungen zwischen den Dingen und die Suche nach den Relationen zwischen den eigenen und den einwirkenden Kräften. Die Spannung aushalten und die Kontrapunkte immer wieder zur Komposition verdichten – das war die Triebfeder, die den Maler Roland Guignard nie losliess. Nun ist sein Schaffen als Ganzes zur Komposition geworden.
Roland Guignard wurde 1917 in Aarau geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter Musikerin. Das musische Umfeld führte den zeichnerisch Begabten ohne Widerstände in die Graphik-Abteilung der Kunstgewerbeschule Zürich. Das Klima war – den 30er Jahren entsprechend – traditionell. Auch in Paris führte ihn der Weg nicht zu den Exegeten der Moderne. Roland Guignard stand nicht in Opposition zur Gesellschaft und so suchte er nicht die Brüche, sondern die Erneuerung an den Rändern des Bewährten. Schon als 21jähriger war Guignard finanziell auf sich selbst gestellt. Anpassung war gefragt, doch mit jedem erwirtschafteten Geld unternahm er – mit Ausnahme der Kriegszeit – Reisen, nach Frankreich und Italien vor allem. Zunächst allein, später mit der ganzen Familie, soweit es die Ferien des notgedrungen als Zeichenlehrer Tätigen erlaubten. In den 50er Jahren wuchs im Aargau das Bedürfnis nach Kunst im öffentlichen Raum; es wurde ein Kunsthaus gebaut. Roland Guignards leicht kubistisch stilisierte Malerei spiegelte den Geschmack der Zeit. So erhielt er zahlreiche Aufträge für Wandbilder, Mosaiken, Glasfenster. Die Ernsthaftigkeit, mit welcher Guignard an jede neue Aufgabe heranging, aber auch Ausstellungsbesuche (zum Beispiel Biennale Venedig, 1962) brachten ihn kontinuierlich voran, wobei er sich jeden Schritt zäh erabeiten musste. Er wollte nur schaffen, was er zu 100% in sich selbst als richtig erkannte. Ob er jüngere Kunstschaffende manchmal ob ihrer ungestümen Expermentierlust beneidete?
In den 60er Jahren fand Roland Guignard zu einer immer flächigeren, teils mit Sand gerauhten Malerei am Rande der Abstraktion. Das Konstruktive gewann dabei mehr und mehr an Bedeutung. 1967 veranstaltete das Aargauer Kunsthaus die erste Retrospektive (zusammen mit Ilse Weber). Dass der endgültige Bruch mit dem Abbild just 1968/70 stattfand, ist bezeichnend. In der Aufbruchzeit, in der sich im Aargau eine neue Generation zu Wort meldete, wurde Guignard existentiell herausgefordert. Es ging nun plötzlich darum, die eigene Position radikal zu benennen. Der äussere Anlass war der Auftrag für die Neugestaltung der Glasfenster an der Aarauer Stadtkirche. Roland Guignard geriet in eine schwierige Position, die ihm aber zweifellos eingeschrieben war. Zum einen verscherzte er sich mit dem Wechsel zur Ungegenständlichkeit den Goodwill des Establishments, zum anderen empfanden die jungen Künstler Guignards – international betrachtet, verspäteten – Schritt als keineswegs revolutionär. Gerade diese Spannungen beflügelten aber Guignards persönliche Entwicklung. Hier – wie bei allem Wandel zuvor und danach – spielte das Tragen und Mitdenken seiner Gattin, der Kunst- und Literaturkritikerin Elise Guignard-Heitz, eine essenzielle Rolle. Seine Galerien – insbesondere die Galerie 6 in Aarau, die Galerie Verena Müller in Bern und die Galerie Rathausgasse in Lenzburg – hielten ihm indes die Stange und so war es eine Frage der Zeit bis das bürgerliche Publikum „seinen“ Roland Guignard wieder einholte.
Mit dem Wandbild für den AMP in Othmarsingen (1973) fanden vermehrt technische Formen in Guignards Malerei, die Reise nach New York (1976) setzte im Folgenden architektonische Akzente. 1980 wurde sein Schaffen erneut im Aargauer Kunsthaus gezeigt (zusammen mit Paul Suter). Einschneidender als manches zuvor – war der Einfluss der Reisen nach Japan. Sie führten Roland Guignard ab 1984 hin zu einer Verwesentlichung des Bildgeschehens. Das Vielteilige, möglichst viele Aspekte Berücksichtigende seiner komplexen Kompositionen trat ab Mitte der 80er Jahre zugunsten einer immer stärkeren Annäherung an die reine Form mit feinen Linien als Bewegungsimpulsen zurück.
Es war als hätte Guignard Ausschnitte aus früheren Bildern zu bildfüllenden Themen gemacht und die letzten Reste an malerischem Duktus daraus entfernt. Den Höhepunkt dieser letzten grossen Entwicklung bilden Reliefs aus bemaltem Holz, welche der einzelnen Form eine nie zuvor erreichte Bedeutung geben. Dass sein Alterswerk nicht nur von Japan beeinflusst, sondern daselbst 1991 auch in einer Ausstellung gezeigt wurde, empfand der Künstler, der Aarau liebte, gleichzeitig aber unter der stark regionalen Rezeption seines Werkes litt, als ganz besonders beglückend. Umso mehr als man im Gespräch in den letzten Jahren den Eindruck hatte, Roland Guignard selbst spüre für sich, dass er seinem persönlichen künstlerischen Ziel nie so nah war wie in den Arbeiten der letzten Zeit. Ob sein Tod Aufbruch zu neuen Zielen ist, wissen wir nicht. Uns bleibt sein Werk.