Galeristin Silvia Steiner im Gespräch 1999

So lange Begeisterung da ist , mache ich weiter

www.annelisezwez.ch         Interview erschienen im Bieler Tagblatt vom 13. November 1999                  

Die Ausstellung „Mit Wasser gemalt“, die Künstler aus dem Programm von Silvia Steiner vereint, gibt Anlass, Programm und Bedeutung der seit mehr als 30 Jahren in Biel tätigen Galerie zu hinterfragen.

Die Galerie 57 – wie sie früher hiess – ist unzweifelhaft Galerie Nr. 1 in Biel. In den gesellschaftskritischen, späten 60er Jahren gegründet, war sie einst aufmüpfig, am Puls der Zeit, mitten drin. Heute sind dieselben Künstler bereits Klassiker. Die Ausrichtung des Programms war von Anfang nicht regional, sondern national ausgerichtet. Auch wenn Bern, der Jurasüdfuss und Luzern ein besonders Gewicht haben. Kann man einmal gefundene „Rezepte“ beibehalten oder fordert die Zeit neue Akzente?

Auch wenn das CentrePasquart das Bieler Kunstgespräch bald wieder bereichern wird, so kann man doch sagen, dass die Stadt arm an Kunstvermittlungsstätten von überregionaler Bedeutung ist. Wenn man von „Biel“ und „Galerie“ spricht, meint man damit immer „Silvia Steiner“. Empfinden Sie das als Verantwortung?
Ganz primär fühle ich meinem Beruf gegenüber Verantwortung. Ich will gute Ausstellungen machen, auch wenn mich das manchmal schlaflose Nächte kostet. Verantwortung stand aber auch bei der Gründung der Galerie im Jahre 1967 Pate. Damals gab Harald Szeemann seine Halbtagesstelle als Kurator der städtischen Galerie auf, unter anderem weil ihm die Stadt keine Sekretärin bewilligte, und niemand wollte so richtig in seine Fusstapfen steigen. Für mich waren seine Austellungen ein Stück Bieler Lebendigkeit. Das wollte ich nicht missen. Als mir dann der Vermieter der Seevorstadt 57 vorschlug, der Kinder wegen ins Parterre des Hauses umzuziehen, packte ich die Chance, bezahlte den geforderten Halbjahreszins im voraus, und eröffnete darin eine Galerie. Und so lange ich, trotz veränderter, äusserer Bedingungen, begeisterungsfähig bleibe, so lange mache ich weiter.

Wie gehen Sie mit dem angesichts der prekären, lokalen Ausstellungs-Situation für Bieler Künstler latent formulierten Vorwurf um, dass Sie sich zu wenig für die Künstler der Region engagieren?
Am Anfang meiner Tätigkeit hatte ich tatsächlich mehr Bieler im Programm, Benz Salvisberg zum Beispiel oder auch Heinz Peter Kohler, doch hatte ich den Eindruck, dass die mich gar nicht so brauchen. Salvisberg organisierte seine „Ausverkäufe“ im Odeon usw. Ueberdies waren die Galerien Michel und Schürer noch sehr viel aktiver. Und auch im Kunstkeller hatten die Bieler ihre Präsenz. Ich fand es, um ganz ehrlich zu sein, auch spannender, mir wichtig scheinende Künstler aus anderen Regionen in Biel zu vertreten. Es passierte so viel in der Kunst damals. Dass man mir das in der heutigen Situation hinter vorgehaltener Hand vorwirft, begreife ich, damit muss ich leben, aber ich sehe es nicht als meine Aufgabe, mein Programm nun plötzlich zu ändern. Ich erwarte jedoch vom Kunstverein und der Künstlergesellschaft GSMBA, dass sie sich künftig im Rahmen des Centre Pasquart vermehrt für die in der Region geschaffene Kunst einsetzen.

Selbst wenn Sie Werke von jüngeren Kunstschaffenden zeigen, ist der Geist der 70er Jahre, in dem Phänomene der Wahrnehmung und der Veränderung dominierten, fast immer im Hintergrund präsent. Ist diese Wechselwirkung von äusserer Form und innerer Bedeutung für Sie nach wie Inbegriff von „Kunst“ oder eine bewusste Beschränkung im Sinne eines Galerie-Profils?
Mein Herz schlägt nach wie vor für kräftige Malerei und handwerklich geformte Skulptur respektive Objekt. Das heisst nicht, dass ich mich nicht für Neues interessiere – Chantal Michels Videoinstallation „Waldeslust“ in der Kunsthalle Bern kürzlich, da kann ich mich begeistern, aber mein Programm nun deswegen aufzusplittern , das schiene mir unfair, nicht zuletzt „meinen“ Künstlern gegenüber. Hier müssen junge Galeristen einsteigen – schön, wenn das auch in Biel passieren würde.
Mir geht es nach wie vor im Einzelnen wie im Jahresablauf darum Ausstellungen zu machen, die in sich stimmig sind, einen Rhythmus haben. Ein Programm wie 1997 mit Jürg Moser (schwarz/weiss), Uwe Wittwer(Farbe), Pascal Danz/Marianne Kuhn (beide neu), Alois Lichtsteiner (Malerei) und als Bouquet zum 30-Jahr-Jubiläum Marc Antoine Fehr mit seinen geheimnisvollen Bildgeschichten, das stimmt für mich. Oder auch in Gruppenausstellungen Themen, künstlerische Techniken zum Klingen bringen, das gefällt mir. „Mit Wasser gemalt“ ab heute, „Mahl-Zeit“ oder „bleischwer und federleicht“ in früheren Jahren.

Betrachtet man ihr Programm im Überblick, so fällt eines markant auf: Der Anteil an Künstlerinnen ist verschwindend klein. Auch in der aktuellen Ausstellung ist das Verhältnis 1: 9. Kann man sich das als Galeristin Ihrer Bedeutung heute leisten? Hätte man da als Frau nicht einen Auftrag?
Ich habe im Laufe der Zeit Künstlerinnen wie Meret Oppenheim, Marianne Grunder, Susanne Baumann, Lis Kocher gezeigt. Früher gab es nicht so viele Künstlerinnen. Oder ich fand sie nicht oder es machte einfach nicht „click“ oder dann versuchte ich es – wie bei Miriam Cahn oder Claudia Schifferle – doch es kam nicht zustande. Möglicherweise suchte ich etwas anderes in der Kunst als viele Künstlerinnen. Heute gibt es viel mehr spannende, junge Frauen, die Kunst machen – Silvia Gertsch, Babette Berger zum Beispiel – aber ich kann ja mein Programm nicht beliebig ausweiten. Grundsätzlich mag ich Frauen sehr.

In der Kunstszene hat sich viel verändert in den letzten 10 Jahren. Mit der konjunkturellen Trendwende kam der Einbruch des Kunstmarktes, und mit der Erholung haben sich die 60er Jahrgänge mit neuen Medien und Ausstellungsformen ins Zentrum gesetzt. Die Galerie wird – pointiert formuliert – zuweilen als Auslaufmodell bezeichnet. Wie reagieren Sie darauf?
Es braucht sehr viel Kraft, eine Galerie zu führen. Und dann frage ich mich schon: Will das überhaupt jemand sehen, kann ich für die Künstler etwas erreichen? Aber das war eigentlich immer schon so. Aber wenn es uns Galeristen nicht mehr gäbe, wäre die Kunst arm dran, denn viele Kunstschaffende brauchen das Gespräch. Ich möchte auch vermehrt junge Galerie-Besucher ansprechen. Das braucht einen langen Atem. Erschwerend ist im Moment, dass niemand für eine einzige Ausstellung nach Biel fährt. Darum freue ich mich, dass das neue Centre PasquArt Biel bald wieder zur Kunststadt machen wird und ich Lust habe, den 222 vergangenen Ausstellungen weitere anzufügen.