Irritation wird Programm sein

Transfert Biel: Ein Kunst-Grossereignis kündet sich an

Stand: Februar 2000

Während man in Ins eine Ankerausstellung vorbereitet, wird in Biel intensiv an ”Transfert”, der 10. Bieler Plastikausstellung, gearbeitet. Der Kontrast der beiden Veranstaltungen könnte grösser nicht sein.

Sich mit Albert Anker auseinandersetzen, heisst mehr als 100 Jahre zurückblicken; eine Ausstellung im Stadtraum inszenieren hingegen, ist unmittelbar heutige Herausforderung; ohne jegliches Sicherheitsnetz. Immer war es Ziel der Schweizer Plastikausstellungen in Biel, mit den eingeladenen Künstlern den Puls der Zeit zu messen. Das ist das, was die Ausstellungen rückblickend so legendär macht und ihnen einen Platz in der Schweizer Kunstgeschichte gesichert hat.

In ihrer Zeit waren die Plastikausstellungen beim Publikum nicht immer beliebt, denn sie spiegelten Aufbruch und Kritik. Das war in den 50er Jahren so als sich die abstrakte Formensprache auch bei uns durchzusetzen begann. Das war in den 70er Jahren so, als die Kunstschaffenden unmittelbar auf die Publikation der umweltkritischen Thesen des Club of Rome reagierten. Und das wird 2000 so sein, weil die jungen – seltener auch die älteren – Künstler und Künstlerinnen analog globaler Entwicklungen heute selten mehr formbeständige Atelier-Skulpturen für ewige Dauer machen.

Sie wollen keine Transporte plastischer Ungetüme, sondern das flinke und flüchtige Agieren mitten im städtischen Raum. Sie werden damit die Gewohnheiten des Publikums gründlich in Frage stellen. Doch die Frage ”ist das noch Kunst?” gehörte schon immer zum kreativen Experiment. Man denke zum Beispiel an die Dadaisten der Jahre 1910 – 1915, deren Werke heute vom Kunstmarkt vergoldet werden, in ihrer Zeit aber fast nur auf Ablehnung stiessen.

Eine Ausstellung wie ”Transfert” organisieren, ist mutig, aber – wie der künstlerische Direktor Marc Olivier Wahler zur Zeit von links und rechts erfährt – nicht einfach. Die Künstler und Künstlerinnen einladen ist kein Problem – sie alle freuen sich darauf, mit heiteren, ironischen, aber auch tendenziell subversiven Projekten und Events in der Stadt aktiv zu sein.

Keine Ausstellung zuvor war so sehr auf das Leben in Biel ausgerichtet wie die kommende. Man wird sie er-leben müssen, nicht nur mit dem Stadtplan abschreiten von Ort zu Ort. Zu viel sei noch nicht verraten; nur ein, zwei Hinweise bereits vorweggenommen. Wenn’s in diesem Sommer in Biel dann und wann ”raucht”, muss nicht gleich die Feuerwehr avisiert werden. Und wenn jemand in einem Verkaufsgeschäft auf eine Anleitung zum Entwenden von Dingen stösst, ist das noch lang keine Zeichen für die Anwesenheit der Langfinger-Zunft. Und wer zusätzlich zu dem bereits jetzt vor der Rotonde platzierten Sockel für luftige Heroen des Geistes von Philippe Ramette auch noch einen leeren Sockel mit dem Vermerk ”Paul Cézanne” entdeckt, darf nicht schlussfolgern, dass hier eine Plastik gestohlen wurde.

Die Liste der Projekte und der Künstler/-innen steht. Sie umfasst gut 30 Interventionen, Aktionen und ortsspezifische, platische Arbeiten von Kunstschaffenden aus der Schweiz, Europa und Amerika. Stefan Banz wird ebenso da sein wie Lang/Baumann, Lori Hersberger ebenso wie Nika Spalinger, Olaf Breuning ebenso wie Eric Hattan. Aber auch Jens Haaning, Dana Wyse, Simone Decker, Ulrike Gruber und Erwin Wurm werden aus Frankreich, aus Dänemark, Luxemburg, Deutschland und Österreich anreisen. Künstlerisch scheint ”Transfert” – die Ausstellung, die Alltag unerwartet in Kunst verwandelt – gesichert.

Schwieriger gestaltet sich – wen könnte es wundern – die Finanzierung. Ein Minimalst-Budget von 500‘000 bis 600‘000 Franken muss erreicht werden, um die Veranstaltung überhaupt durchführen zu können. Zwar hat sich die Stadt Biel über zusätzliche Dienstleistungen und der Kanton über einen erhöhten Geldbetrag bereit erklärt, ihre Subventionen auf je 200’000 Franken zu erhöhen. Erwähnt sei, dass der Bieler Beitrag nicht einem einmaligen Kredit, sondern dem Leeren des jährlich für die Plastikausstellung geäufneten Sparkässeli entspricht.

Viele Gesuche bei Stiftungen und Institutionen vom Bund über die Pro Helvetia bis Nestlé und Migros sind indes noch hängig, da nur alle paar Monate Gelder gesprochen werden und da und dort das neue Jahresbudget abgewartet werden musste. ”Vieles ist mündlich zugesagt, aber es ist schon schwierig, nicht auf gesichtertem Terrain arbeiten zu können”, sagt Marc Olivier Wahler. Enttäuschend verliefen die Gespräche mit den grossen Wirtschaftsunternehmen der Region; sie, die bei ihren eigenen Aktivitäten auf Innovation setzen, halten sich beim Sponsoring offenbar lieber an Gesichertes, wie zum Beispiel Albert Anker. Aufmunternde Ausnahmen bestätigen indes die Regel. Zum Beispiel der Beitrag des Kommunikationsunternehmens W. Gassmann AG, das die Programm-Zeitschrift von ”Transfert” nicht nur drucken, sondern auch finanzieren und zu gegebener Zeit über das Bieler Tagblatt und das Journal du Jura in grosser Zahl in die Bevölkerung hineintragen wird.