Malte sich die Seele vom Leib

Gestorben: Der Solothurner/Bieler Maler Rolf Spinnler

Schon lange war das Leben für ihn schwierig geworden. Nun ist, am 23. März 2000, der Bieler Maler und Kulturpreisträger Rolf Spinnler nach kurzer, schwerer Krankheit 73-jährig im Spital Moutier gestorben.

Ob er die Landschaft des Juras, das Porträt eines Freundes oder die Umweltkatastrophe von Schweizer Halle malte, immer war Rolf Spinnler mit Leib und Seele dabei. Der eigene, innere Aufruhr machte sich in der expressiven Handschrift des Pinsels oder der Kreide Luft. Aber auch im Leben gab es für ihn keine Halbheiten – sein Engagement war immer ein totales, wenn auch nicht in Begriffen bürgerlicher Normalität.Er war Boxer, Velorennfahrer, Opernsänger, Maler, Politiker und Romantiker.

Einst kam der 1927 in Solothurn Geborene nach Biel, um sich an der Kunstgewerbeschule zum Grafiker auszubilden. Doch was ihn interessierte, war das Leben. Er wurde Bühnenbildner in Bern und in Basel, nahm Gesangsstunden und suchte die Grenzen seiner Kraft im Ring. Die 50er Jahre versprachen Aufbruch nach der Enge des Weltkrieges. Spinnler bereiste Europa, nahm an dieser und jener Kunstakademie eine Nase voll Malerei. In Den Haag entdeckte er in Bildern Giorgio Morandis die Kraft der Form und in Italien das Wechselspiel von Licht und Farbe. Als Teil der Beat-Generation hoffte er auf eine neue, bessere Welt.

In dieser Zeit nimmt er – inzwischen 36 Jahre alt – Wohnsitz in Biel und wird mit seinem Charisma, seiner leidenschaftlichen Art zu einem Vorbild des antibürgerlichen Aufbruchs, den die Jugend in dieser Zeit sucht. Er singt im Theater, greift von links in die städtische Politik ein, rast mit dem Velo durch die Gegend, malt und verkauft seine Bilder, erhält Stipendien, wird zum ersten Präsidenten der GSMBA, Sektion Biel, erhält den Kunstpreis des Kantons Solothurn usw.

Doch die Ereignisse des Krieges in Vietnam, die Hungersnot in Biafra bremsen den Höhenflug, rütteln an der Sicht der neuen Romantiker. Spinnler sucht Grenzen zu sprengen, stürzt ab, rappelt sich wieder hoch, wehrt sich mit immer expressiverer Malerei gegen den Verlust des Optimismus. Doch er kann nicht verhindern, dass die Grundfesten seiner Weltsicht spröd werden und er für sein Umfeld je länger je schwieriger zu ertragen wird. Jahrzehntelang haben ihn Frauen gestützt; seine Gattin, seine Kinder, Freundinnen. Doch Kräfte sind nicht unbegrenzt.

In guten Nächten entstehen Bilder, in welche er seie eigene Tragik bis in den letzten Nerv einfliessen lässt. Bilder, die angesichts der Trauer und des Todes besser als alle Worte davon erzählen, wovon Rolf Spinnler träumte, was er in sich fühlte, was er wollte und oft nicht konnte. Schliesslich sagt die Gesellschaft: So nicht. Sie weist ihn in eine Klinik ein. Spinnler lebt fortan zwischen notwendigem Schutz und schmerzlichem Freiheitsentzug.

In den 90er gelingt es ihm – nicht zuletzt dank der unermüdlichen Ermunterung durch Freunde und Sammler – noch einmal ganz in die Malerei einzudringen. Es entsteht ein fulminanter Zyklus von vibrierenden Jura-Landschaften, aber auch eine Vielzahl von Stilleben, die von der Fragilität des Stehens im Raum erzählen. Sie standen im Zentrum der Ausstellung zum 70. Geburtstag im Palais Besenval in Solothurn und der Retrospektive in der Kirche von Bellelay, 1997, zu der auch eine Monographie erschien. Die Ausstellung in Bellelay rief das Gesamtwerk in Erinnerung und führte durch seine Kraft nicht zuletzt dazu, dass Biel dem Künstler 1998 – 25 Jahre nach Solothurn – Rolf Spinnler auch den Kulturpreis der Stadt Biel zuerkannte.

Der Hoffnung seiner Freunde, er werde nun wieder malen und als Künstler da sein, vermochte er nicht nachzukommen. Umsoweniger als er aus gesundheitlichen Gründen die offenere Wohnform, die man ihm eine Zeit lang gewährt hatte, aufgeben musste und sich neue Enge um ihn legte. Die Zeit hat nun die Fesseln gesprengt und mit dem Tod die Türen geöffnet.