Frédéric Moser und Philippe Schwinger in La Chaux-de-Fonds 2000
Ist das Opfer der Täter oder unser Sehen ein Irrtum?
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt Februar 2000
Der Karriere-Start brachte dem in Genf lebenden Duo Frédéric Moser und Philippe Schwinger aus St. Imier im Berner Jura eidgenössische Preise für freie Kunst und eine Museumsausstellung. Nun sind ihre Video-Arbeiten im Kunstmuseum La Chaux-de-Fonds.
Das von Edmond Charrière geleitete Musée des Beaux Arts von La Chaux-de-Fonds gilt von seiner aussergewöhnlichen Architektur her als Perle unter den Schweizer Kunstmuseen. Der Historismus, Jugendstil und Sachlichkeit in sich vereinende Bau des Architekten René Chapallaz und des Maler Charles L’Eplattenier von 1926 ist zwar ein Stilmix ohnegleichen. Seit der vor Farbigkeit nicht zurückschreckenden Renovation und der gleichzeitigen Erweiterung von 1990/93 (Architekt: Georges-Jacques Haefeli) wird der Bau indes als künstlerisches Zeitdokument erfahren, das mit seinem in den Untergrund gebauten und doch lichtbetonten Annex-Bau hervorragende Ausstellungsmöglichkeiten bietet.
Gerade das zeigt die aktuelle Ausstellung von Video-Arbeiten des Genfer Künstlerduos Frédéric Moser und Philippe Schwinger (geboren 1966 respektive 1961 in St. Imier) eindrücklich. Denn in den beiden, je an die 200m2 grossen, kubischen Seitensälen des Erweiterungsbaus lassen sich, bei entsprechender Verdunkelung, gleiche mehrere grossformatige Videoprojektionen gleichzeitig zeigen.
Was die Videos von Moser/Schwinger auszeichnet, ist zum einen ihre bildbetonte Dramaturgie, zum anderen ihr bewusster Umgang mit dem Medium. Es spiegelt sich darin der doppelte Bildungshintergrund der Künstler. Beide kamen 1993 nach drei Jahren Regie- und Theaterproduktionstätigkeit im „Atelier ici et maintenant“ in Lausanne an die ESAV (Ecole supérieure d’art visuel) in Genf. Daher ist in ihren Bändern Theatralisches und Videospezifisches – auch Malerisches, Kunstgeschichtliches und Filmisches – kombiniert. Der Einfluss ihrer Lehrerin Silvie Défraoui ist dabei im Sinne stetiger Präzisierung des Bildeinsatzes spürbar. Eine Präzision, die im vorliegenden Fall dadurch erreicht wird, dass keine Szenen als Ganzes aufgenommen werden, sondern gestellte, bis ins Letzte inszenierte Studio-Aufnahmen im Black-Box-Verfahren mit einer autonomen Hintergrundebene gekoppelt werden.
Im Video „Un fond de vérité“ heisst das konkret, dass das schaukelnde Schifflein mit den beiden in ein Gespräch vertieften Künstlern ­p; diese sind stets ihre eigenen Schauspieler ­p; nie auf dem Bielersee war, obwohl die im Hintergrund vorbeiziehenden Bilder dies suggerieren. Die Fokussierung auf den primären Bildgegenstand ­p; Schiff und Figuren ­p; gewinnt dadurch an Intensität, an Dramatik.
Das Kernmuster der Arbeiten von Moser/Schwinger kann als Gleichzeitigkeit von Verführung und Verweigerung bezeichnet werden. Das heisst, es wird mit dramaturgischer Spannung gearbeitet, diese aber nie aufgelöst. Im jüngsten Video mit dem Titel „Champs de course“ heisst das, dass man vom dedektivisch suchenden Blick der beiden, die sich auf der Zuschauer-Tribüne eines Pferderenn-Parcours zu befinden scheinen, förmlich eingesogen wird, die latente Bedrohung aber ebensowenig greifen kann, wie man letztlich erfährt, wer auf wen geschossen hat. Die beiden Künstler spielen mit dem Bildausschnitt, dem Diktat dessen, was die Kamera zeigt ­p; oder eben auch nicht. Im Gegensatz zum Film wird hier somit letztlich nicht eine Geschichte erzählt, sondern das Medium Film durch das Aufzeigen seiner Manipulationsmechanismen selbst zum Gegenstand der Darstellung gemacht.
Allerdings ist dieses kontextuelle Moment nur ein Teil. Ebensosehr geht es um die Lust, mit malerisch komponierten Bildern ­p; als Stil-Referenz könnte man Valloton erwähnen ­p; emotionale Spannung zu erreichen. Bisher gelang dies mit jeder neuen Arbeiten in erweitertem Mass. Dass dabei allerdings stets der „Krimi“ Pate stand, stellt die Frage in den Raum, ob es den Künstlern gelingen wird, dieses „Muster“ dereinst zu überwinden ohne an Intensität zu verlieren.
Die Ausstellung ist Teil des neuen Austausch-Programms des Schweizerischen Kunstvereins, das darauf abzielt, Künstler/-innen und kleinere Museen respektive Kunsthallen miteinander zu vernetzen. So wird die Ausstellung Moser/Schwinger auf Vorschlag von La Chaux-de-Fonds im Spätherbst im Kulturhaus „Palazzo“ in Liestal gezeigt und ist von einem zweisprachigen, kleinen Katalog begleitet.