Max Matter Ernst Häusermann Bieler Plastikausstellung 1980/2000

Noch immer ist der Schatz vergraben

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt Juli 2000

Im Zusammenhang mit ”Transfert”, der 10. Schweizer Plastikausstellung in Biel, spricht man von ”subversiv” als künstlerischer Qualität. Doch das lebten Max Matter und Ernst Häusermann, zwei Schweizer Künstler aus dem Aargau, schon vor 20 Jahren vor.

Weil für die Bevölkerung die einzige Möglichkeit, sich aktiv in die Plastikausstellung einzubringen, darin bestehe, Vandalismus zu betreiben, heckten Max Matter (1940) und Ernst Häusermann (1947) vor zwanzig Jahren ein geradezu unglaubliches Alternativ-Projekt aus. Es ist in manchen Aspekten mit dem aktuellen ”Free-for-all Project” von Surasi Kusolwong verwandt. Die Bevölkerung sollte Gelegenheit haben, sich aktiv ins skulpturale Geschehen in der Stadt einzubringen. Doch im Gegensatz zu den Plastikgegenständen des Thailänders, die nur gerade wenige Stunden als Gratis-Markt am Schüssgeländer hingen, ist der Schatz der beiden Künstler heute noch vergraben. Weil die Stadtgärtnerei nach Bekanntgabe der Aktion in einem offiziellen Inserat in einer Bieler Zeitung den zweiten Teil des Projektes stoppte und seither niemand den Schatz fand. Jedenfalls tauchte im Rahmen der Bauarbeiten an der strassenseitigen Ecke des Strandbodens keine Geschichte auf wie sie die Historikerin Margrit Wick kürzlich im Bieler Tagblatt bezüglich eines mittelalterlichen Münzenfundes erzählte. So sind die 1000 Einfränkler wohl noch da, wo sie Max Matter und Ernst Häusermann im Juni 1980 in einem präzisen Koordinatennetz still und heimlich einpflanzten. Dies notabene ohne Bewilligung seitens der Leitung der Plastikausstellung, die damals in den Händen von Maurice Ziegler und Alain Tschumi stand, und die sich darum auch nicht für die Künstler einsetzte, als die Sache aufflog.

Die beiden in ihren Werken sehr verschiedenen Künstler haben zwischen 1979 und 1989 zahlreiche grosse gemeinsame Kunst am Bau-Projekte verwirklicht – von der Sprachheilschule in Rombach bei Aarau über die Psychiatrische Klinik im thurgauischen Münsterlingen bis zum Börsen-Neubau in Zürich. ”Ich fand es damals sehr interessant, dass durch die Interaktion zweier Denk- und Handlungsweisen quasi eine dritte Person entstand”, sagt Max Matter rückblickend. Vereinfacht ausgedrückt trafen durch die Zusammenarbeit ein in komplexer Weise auf Ordnungsstrukturen ausgerichtetes und ein erzählerisches, oft Erfahrungen aus der Kindheit umsetzendes Denken aufeinander. Beide Künstler traten jedoch auch einzeln in Erscheinung: Max Matter unter anderem mit riesigen Zeichnungen, die er, sich selbst als bewegtes Pendel an die Decke hängend, mit mehreren Pinseln schuf. Ernst Häusermann war in dieser Zeit vor allem als bedeutender Erneuerer der Schweizer Keramik bekannt.
Die Bieler Idee entstand parallel zur Realisation der ersten Team-Arbeit für das Areal der Sprachheilschule Rombach. Um sich einzudenken, arbeiteten die beiden mit den Kindern.

Das Vergraben eines Schatzes, hat wohl nicht zuletzt da seine Wurzeln, auch wenn das Konzept ebensosehr mit den gesellschaftskritischen Denkweisen der 70er Jahre zu tun hat wie dem allgemeinen Aufbruch der Skulptur von der Atelier-Arbeit zur ortsspezifischen Installation. Was allerdings in der Schweizer Plastikausstellung in Biel von 1980 erst zögernd sichtbar ist. Das Rombacher Projekt von Matter/Häusermann beruht auf einem Koordinatennetz mit Quadraten à 10 Aren. In den Kreuzpunkten wurden zeichenhafte Objekte – herausragend vor allem ein grosser Pfeil – gesetzt. Dieses Koordinatennetz wurde in Parallelogrammen bis nach Biel fortgesetzt und bestimmte die sich im Zentrum des Strandbodens kreuzenden Linien auf welcher die Frankenstücke eingegraben wurden. Der ”Schatz” war übrigens ein Teil des Honorars, das die beiden für die Rombacher Arbeiten erhalten hatten.

Eine der wenigen, die vom Bieler Projekt der ”Monetären Kraftlinien” wusste, war die Bieler Künstlerin Lis Kocher, die damals im Rahmen der Plastikausstellung ihre bewegliche Efeuwand ”Euphorium” zeigte. Sie schrieb Max Matter unter anderem: ”Ich habe über Deine Aktion nachgedacht und finde die Idee immer besser … sie wird sicher einiges auslösen; Biel ist eine Arbeiterstadt und steht der Plastikausstellung ohnehin sehr kritisch und skeptisch gegenüber.” Zur Illustration legt sie ein damals in Biel erschienenes Interview von Peter Rothenbühler mit Jean Tinguely bei, das sich zwischen Bieler Unmut, Anarchie und Kunst hin und her bewegt. Tinguely zeigte damals in Biel seine ”Hommage an Anton Müller”. Zum Schluss der Rat der Künstlerin an ihren Kollegen: ”Besorge Dir recht früh die Einfränkler auf der Bank, ich schätze 15 Kilogramm Silber werden schon nötig sein …”.

Dass die Aktion nach dem Verbot sang- und klanglos unterging, hängt wohl einerseits mit dem Aspekt des ”Bubenstreiches” zusammen, das heisst ein Verbot war von Anfang einkalkuliert und somit auch die Lust, vom Aargau aus in Biel auf die Barrikaden zu gehen, a priori klein. Andererseits fand die Ankündigung im Inserat vom 21. August 1980 nie statt. Da hiess es nämlich: ” Am 26. Juni 1980 wurden im Strandboden Biel in zwei sich rechtwinklig schneidenden Linien mehrere hundert Schweizerfranken in Einfrankenstücken vergraben. Die Kreuzungsstelle der beiden Linien wird am 24. August durch eine organgefarbene Stange sichtbar gemacht. Die Einfränkler befinden sich in regelmässigen Abständen 4 bis 25 Zentimeter unter der Erdoberfläche. Die Skulptur ist weder signiert, noch urheberrechtlich geschützt, sie darf nach Hause genommen werden”. Wahrscheinlich glaubte eh niemand, dass da tatsächlich Einfrankenstücke vergraben sind und so tat sich … nichts. ”Wir waren überzeugt, dass der Moment, das Geheimnis zu lüften schon eines Tages kommen würde”, sagte Max Matter im Sommer 2000 Gespräch. Nun ist es soweit. 20 Jahre danach und bewusst gekreuzt mit den Geschehnissen rund um ”Transfert”.