Michael Hofer Robert Ireland CentrePasquArt Biel 2000

Ist das Museum auf die Hunde gekommen?

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt März 2000

Während die aktuelle Sammlungsausstellung im CentrePasquArt in Biel eher leichte Kost ist, fordern der Espace libre und das Kabinett volle Denklust. Ein Zusammenzug der Ansätze ergibt möglicherweise die Frage, ob das Museum auf den Hund gekommen ist.

Sammlungsausstellung zeigen – ihrem Charakter entsprechend – Arbeiten aus zurückliegender Zeit. Wiederbegegnungen prägen das Bild; vieles ist vertraut. Das macht den Zugang leicht. Ganz anders die beiden Extra-Ausstellungen im „Espace libre” im Hinterhaus und im Kabinett im ersten Stock des Museums. „Dogs” von Michael Hofer (65) und „Behave” von Robert Ireland (64) sind ohne intellektuellen Effort nicht zu fassen. Die beiden konzeptuell arbeitenden jungen Romands suchen Fragestellungen. Hofer im Bereich aktueller Architektur, Ireland im Kontext von Museum und Kunstwahrnehmung. Ergeben die beiden Positionen zusammengenommen die Frage, ob das Museum auf die Hunde gekommen ist?

Spannend, dass es hier wie dort junge Kunsthistorikerinnen sind, welche die Impulse für die aktuellen Ausstellungen gaben. Die in Lausanne lebende, Bielerin Stéphanie Bédat kuratiert im Espace libre vier künstlerische Positionen unter dem mehrdeutigen Sammel-Stichwort „Insights”. Im Museum ist es Hélène Cagnard, die sich für das Projekt „Dogs” engagiert hat. Die beiden Ausstellungen sind als herausfordernde Kontrapunkte zur Sammlungspräsentation wichtig. Das Centre PasquArt muss (und will) Museum und Kunsthalle in einem sein.

Robert Ireland hat sich unter anderem als Mitbegründer von „M/2” – ab 1987 eine der raren Zellen zeitgenössischer Kunst in Lausanne – einen Namen gemacht. Von 1996 bis 1999 lebte er in Paris. Als Grundlage für seine Installation im Espace libre nutzt er Versuchsanordnungen des Verhaltensforschers Konrad Lorenz. Ein Vergleich mit dem Ausstellungsbegleitheft zeigt, dass er die objekthaften Anlagen zum Erkunden tierischer Verhaltensweisen über die Projektion der Abbildungen direkt übernommen hat. Die Aufblähung der kleinen Zeichnungen auf grossformatige Tüll-Bahnen lässt sie allerdings nur unscharf erkennen. Umsomehr als die auf Chassis aufgespannten Transparent-Stoffe mit der Vordersicht zur Wand gestellt sind. Man sieht die Motive – ein Käfig, ein Vogelnest mit Köder, eine Futtersuchstation usw. – somit von hinten oder, anders betrachtet ,von der Innenseite her. Die Modellanlagen sind dadurch ihrem ursprünglichen Kontext entfremdet und fragen im Kontext des Kunst-Raumes nach unserem Verhalten im Museum. Wie lassen wir uns ködern, wie orientieren wir uns im Kunst-Raum, wie sehr ist das Museum ein Gefängnis, wie transparent sind innen und aussen – der Fragen sind viele möglich. Die Antworten haben die „Versuchskaninchen” zu geben.

Michael Hofer bearbeitet ein in der zeitgenössischen Kunst wenig beackertes Feld: Die zeitgenössische Architektur. Die zwei an Lego-Konstruktionen erinnernden „Bâti canin”, die er im Raum aufeinandertreffen lässt, spiegeln einen ad absurdum geführten Postmodernismus. Dieser zeichne sich, so der Künstler, durch „permante Grosstaten” aus, die nichts mit Architektur für Menschen zu tun habe. Darum fürchteten sich die beiden „Dogs” weder vor masslos überhängenden Zonen, noch vor einer Vielzahl von Stockwerken. Hingegen gefalle es ihnen, bezüglich ihres Hunde-Stammbaumes etwas ausserhalb der Norm-Proportionen angelegt zu sein. Somit sind die beiden in einer ungenutzten Vorstadtgegend angesiedelten Hunde-Gebäude als zynisches Manifest gegen eine Architektur „im Dienste des Kapitalismus” zu verstehen. Wenn Michael Hofers Arbeit auch reichlich theoriebefrachtet ist, so ist sie doch im Versuch, Architektur als sozial-künstlerisches Phänomen in den Kunstkontext einzubinden, ausgesprochen spannend und lässt begreifen, warum die Eidgenössische Kunstkommission den Vorläufern der nun gezeigten „Dogs” einen der Kunstpreise 1999 zuerkannte.