Stefan Banz: Fotos und Videos im Migros-Museum Zürich 2000

Die Verniedlichung als Schwester der Dramatik, AZ 28_01_2000

Der Luzerner Künstler Stefan Banz (geb. 1961) verknüpft in seinem Foto- und Videoschaffen seine analytische Intelligenz mit dem Zeitgeist junger Väter und den Traumas seiner Kindheit.

Stefan Banz ist Kunsthistoriker; als solcher hat er Ende der 80er Jahre die Kunsthalle Luzern geleitet, die schliesslich an fehlenden Geldern scheiterte. Zu Beginn der 90er Jahre kuratierte er unter anderem eine Ausstellung Rolf Winnewisser im Helmhaus in Zürich; der umfangreiche Text des Begleitkataloges charakterisierte Banz zugleich als bohrenden wie derart komplexen Denker, dass wohl nur wenige das Buch zu Ende gelesen haben.

Praktisch gleichzeitig debütiert Banz als bildender Künstler; mit Fotos, die ihn als Vertreter der neuen Vater-Generation zeigen; einziges Thema waren seine damals noch sehr kleinen Kinder, die er mit grosser Lust fotografierte und ohne irgendwelche Unterscheidung zwischen Privatraum und öffentlichem Raum in Grossvergrösserungen zeigte. Das intime, emotional verführerische Moment, das er unter Verwendung seiner Kinder in seiner Kunst erreichte, gab von Anfang an zu Diskussionen Anlass.

Inzwischen ist Stefan Banz zu einem der meistbeobachteten Schweizer Künstler geworden; quasi zur Eröffnung der Ausstellung im Migros-Museum in Zürich erhielt er den Luzerner Manor-Preis und die Galerie ars futura in Zürich, die ihn vertritt, wird die kommenden, internationalen Auftritte zu nutzen wissen. Die Strategie Banz‘ geht auf.

Mit dem Thema Familie aus Vater-Optik operiert er in einem Themenfeld, das in dieser Form gesellschaftlich neu ist und dementsprechend anziehend. Banz ist indes nicht nur ein engagierter Vater; er ist in sich selbst ein komplexer Mensch mit sehr vielen, meist auf seine Jugend zurückgehenden Angstbildern. Wenn er fotografiert, dann immer in dem Moment, da sich eine Alltagssituation ausschnitthaft und aus dem Kontext herausgenommen in eine bedrohliche, Gewalt als Möglichkeit implizierende, oft auch unterschwellig sexuell konnotierte, verwandelt. Es ist des Künstlers hochgradige Bewusstheit, dass er diese Bilder sieht und seine Intelligenz, dass er sie strategisch in einen künstlerischen Kontext zu stellen vermag, der sowohl emotional wie kunsttheoretisch Fragen stellt. Banz ist ein ebenso brillanter wie gehetzter Interpret seiner eigenen Kunst.

Was für die Fotos gilt, betrifft ebenso die Videos, die – dem Medium entsprechend – über Situation, Bewegung und Repetition das Alltägliche ins Hintergründige kippen lassen. Die Ausstellung im Migros-Museum ist die bislang grösste des Künstlers. Was bisher vereinzelt diskutiert wurde, wird nun im Zusammenhang sichtbar und erweitert. So betitelt Banz seine Ausstellung mit „Gulliver“, der in Jonathan Swifts Roman die Welt einmal gross und einmal klein erlebt.

 

Damit thematisiert er die Manipulations-möglichkeiten, welche die Fotografie in sich birgt und die er weidlich nutzt. So stellt er zum Beispiel neben eine harmlose Installation mit verkleinerten Nashörnern überdimen-sionierte Foto-Wände, von denen eine den vergrös-serten Blick in den Mund seiner Tochter zeigt, die gerade vom Zahnarzt eine Spange angepasst erhält. Dramatisierung und Verniedlichung stehen sich unmittelbar gegenüber und zeigen Banz als jenen ebenso raffinierten wie zeitgeistigen Strategen zwischen privat und öffentlich, emotional und analytisch, die seine Kunst möglicherweise zu einer der erfolgreichsten der kommenden Jahre machen wird.

Auch wenn Banz das thematische Feld im Moment über seine Familie hinaus weitet, bleibt die schon vor Jahren gestellte Frage, wie weit der Künstler mit seinem Schaffen seine Kinder nicht nur fotografisch manipuliert, nach wie vor unbeantwortet und als latentes Missbehagen stehen.