Annelies Strbà im Kunsthaus Zug 2001

Von der Fotografin zur Videastin

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. April 2001

Annelies Strbà (54) gehört zu den seltenen Künstlerinnen, die erst mit 43 Jahren ihre erste Ausstellung hatten und gleich international rezipiert wurden. Im Kunsthaus Zug ist die Fotografin nun als Videokünstlerin zu sehen.

Alles stimmte als Bernhard Bürgi (ex Kunsthalle Zürich neu Kunstmuseum Basel) 1990 Annelies Strbà mit einer Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich lancierte. Zu sehen: intime, zugleich vertraute wie fremde, klein- und grossformatige Bilder ihrer heranwachsenen Kinder, seltener auch ihres Gatten Bernhard Schobinger, eines Pioniers von Schmuck mit „armen“ Materialien. Die ohne Kunstabsicht entstandenen Fotografien entsprachen dem sich öffnenden Blick auf das technische Bild als künstlerischem Ausdruck und dem neuen Interesse an der Wechselwirkung von öffentlich und privat. Seither wird das Schaffen der Schweizerin slowakischer Abstammung weltweit gezeigt. Eine dreiteilige, packende Dia-Schau zeigt diese fotografische Welt im Rahmen der Ausstellung im Kunsthaus Zug. Pulsschläge eines Lebens, das nie Gegenwart zu sein schien, sondern immer nur Fragmente eines nie anhaltenden Flusses. Bilder von Menschen, Städten, Gärten, die durch ihre wie zufällig wirkende Schönheit – manchmal auch ihre Melancholie – weniger dem Dokument als vielmehr einer sinnenhaften Gefühlswelt zugewandt sind.

Vor vier Jahren wandte sich Annelies Strbà dem Video zu. Das erste enstand in Japan und zeigt „heilige“ Fische ihren Lebensraum endlos durchschlaufend. Es war 1997 End-Station der erste Übersichtsausstellung im Aargauer Kunsthaus und ist nun Anfangspunkt der primär dem Videoschaffen gewidmeten Schau im Kunsthaus Zug. Was die Künstlerin bei der Fotografie zu erreichen suchte indem sie nie in den Sucher der Kamera schaute, sondern die Kamera aus ihren Körperbewegungen heraus als eine Art drittes Auge schauen liess, dominiert ähnlich und anders auch das Videoschaffen. Da sind gleichzeitig Momente des Inszenierten oder auch zufällig als Szene Erkannten wie mit der Kamera zufällig an- und ausgeschnittene Bildfolgen, die sich weder um Ränder, Lichtqualität oder Bildschärfe kümmern.

Wie weit diese „Fehlerhaftigkeit“, zu der ganz stark auch Farbveränderungen gehören, einer gezielten Absicht entsprechen, ist schwierig zu beurteilen. Entscheidend ist letztlich jedoch nur, dass Strbà die irreale Mischung zwischen Abbildung und Auflösung als gültiges Werk betrachtet. Das heisst, das ständige Herauskatapultieren der Bilder aus dem Zustand der Abbildhaftigkeit will. Das Video, so hat man den Eindruck, sei hier nicht Abbild-Maschine, sondern Erschafferin alternativer Weltsichten. Und damit nicht Ersatz, sondern Erweiterung der Sehfähigkeiten des menschlichen Auges.

Die Thematik ist im Kern dieselbe wie zuvor bei der Fotografie: Die Familie – inzwischen mit Enkelkindern –, die Landschaft, die Architektur, die Stadt. Die Bandbreite geht dabei von einer ad absurdum geführten Tischdeck-Szene in häuslicher Umgeung über betont langsam geführte Städtepanoramas bis hin zu Mutter und Kind- respektive Aktbildern. Wirkt die Künstlerin in den Wandlungen ihrer Themenpalette sicher, zeigt sich der Versuch einer Gegenüberstellung der Zürcher Street Parade (reduziert auf schwarz/weiss) mit Innerschweizer Brauchtums-Umzügen (in Farbe) eher konstruiert.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Fahrten entlang den Skylines von New York, Paris und Berlin (Ton: Pe Lang). Ist es hier, die Kamera fährt, ist es dort der Verkehr, der rollt.; zwei Formen von Bewegung. Unschärfe, „Farbfehler“, Geräuschkulisse wandeln die Bilder in Zeitfluss. Wobei die Langsamkeit die Schauenden zwingt, die eigene Wahrnehmung dem langen Atem anzupassen. Höhepunkt der Ausstellung sind indes die beide 2001 entstandenen Videos „Vendig“ und „Dawa“. Betont der venezianische Palazzo das Moment von Maske und Theater, wendet sich das mongolische „Dawa“ dem Mondlicht zu. Beide Videos umkreisen den Lebenstanz der Frau – sinnenhaft, gebärend, tragend, träumend. Im Wechsel von Innen- und Aussenbildern, von Mond- und Sonnenlicht, von Rollenspiel und Beisichsein thematisieren sie nicht nur die emotionale Essenz von Strbàs Schaffen, sie geben auch die grösste Freiheit der Gestaltung; als wäre das Video Medium für Malerei.

Künstlerbuch.