Jean-René Moeschler Galerie Imoberdorf Murten 2001

Die Windungen der Malerei

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 30. August 2001

Seit Frühjahr 2001 betreibt Germann Imoberdorf eine kleine Galerie für zeitgenössische Kunst in Murten. Sein zweiter Gast ist Jean-René Moeschler aus Mallerey.

Zuweilen trifft man an Bieler Weihnachtsausstellungen auf seine Bilder, doch als Künstler ist Jean René Moeschler (50) vor allem im Jura eine bekannte Figur. Dieser Tage wird eine markante Kunst am Bau-Arbeit Moeschlers für das Suva-Gebäude in Delémont eingeweiht. Es ist als würden sich die Tavanner Brüder Pierre Yves und Jean Renè ihre Territorien nicht streitig machen wollen. Es zeigt aber auch, dass der Berner Jura kulturell viel stärker zum Kanton Jura hin orientiert ist als nach Biel oder Solothurn. In seinem kulturpolitischen Engagement nimmt Jean-René Moeschler allerdings eine Brückenfunktion zum Kanton Bern wahr. Der Maler und Lehrbeauftragte an der Universität Bern (französischsprachige Sekundarlehrerausbildung) ist Mitglied der kantonal-bernischen Kommission für Kunst und Architektur.

Von seiner Ausbildung her ist Jean-René Moeschler Sekundarlehrer mathematischer und kunstpädagogischer Richtung. Obwohl das weit zurückliegt, ist es in dreierlei Hinsicht von Bedeutung. Die wichtigste für den Künstler ist die Begegnung mit Gottfried Tritten (78), einem Pionier der Kunstpädagogik in der Schweiz. Es ist der über die Lehrer/Schüler-Beziehung hinausreichende Austausch mit dem heute im Wallis lebenden Maler und Pädagogen, der ihn in seinen eigenen Recherchen vorantrieb. Wenn Moeschler in Bezug auf seine heutigen Bilder sagt, das für ihn Wichtigste sei die Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen Realität und Abstraktion, so geht das an der theoretischen Basis wohl auf Tritten zurück. Gerade für die neuen Bilder nicht unwichtig ist aber auch die Doppelausrichtung Mathematik und Kunst. Moeschler ist kein Konkreter, aber die sich in illusionistischen Räumen bewegenden Schlingen wechselnder Farbigkeit werfen nicht zuletzt auch geometrische Fragestellungen auf. Die Tätigkeit als Sekundarlehrer (1974 – 1989) erlaubte es Moeschler last but not least, sein malerisches Werk parallel zu Familienverpflichtungen unabhängig voranzutreiben.

Jean-René Moeschler tritt seit den frühen 80er Jahren als Künstler in Erscheinung. Sein Werk entwickelt sich von expressiv-erotischer Figürlichkeit am Rand der Abstraktion zu einer in den 90er Jahren immer mehr ornamentale Zeichen integrierenden, lyrisch-expressiven, immer noch stark farbigen Malerei. Die Ausstellung in der Galerie Imoberdorf in Murten zeigt einen „neuen“ Moeschler. Das Arabeskenhafte, das schon in den Bildern von 1996/97 auftaucht, verselbständigt sich zu verschlungenen Gebilden, die sich in und über einem tendenziell monochromen oder als Ditpychon gemalten Untergrund bewegen.

Weder stilistisch noch inhaltlich sind Moeschlers Bilder mitreissend; scheinbar Bekanntes, auch bis zu einem gewissen Grade Verwechselbares durchzieht das Oeuvre. Die nichtsdestotrotz vorhandene Qualität offenbart sich auf der reflektiven Ebene über die Bedingungen und Eigenschaften der Malerei, des Bildes. 1997 erschien in der Buch-Reihe jurassischer Maler der „Société jurassienne d’émulation“ eine Monographie zum Werk des Künstlers. Spannend sind darin vor allem die tagebuchartigen Gedanken des Künstlers zu seiner Malerei. Man findet darin nicht nur die Entwicklung zur heutigen Malerei, die für ihn unter anderem Ausdruck der Verlangsamung und der Verdeutlichung im Labyrinth des Lebens ist. Man findet darin aber auch zahlreiche Überlegungen zur Wechselwirkung zwischen Bildthema und malerischer Erscheinung, die als Bildrealität ein Gleichgewicht bilden müssen.

So kann es denn nicht verwundern, dass die Knäuel in den aktuellen Bildern sowohl bezüglich der Farb-Wechsel wie der unterschiedlichen Malsubstanzen, zwischen wässrig-dünn und mit Sand angereichert, nicht Zufall sind. Sie sind vielmehr Variationen eines abstrahierten Weges durch den Wald.

Unter dem einzigen Grossformat in der Ausstellung – die Galerie ist für die Malerei Moeschlers grundsätzlich zu klein – liegt ein fotorealistisches Bild eines Waldes. Es ist mit gelber Farbe überlagert und kaum sichtbar, doch als Präsenz von Realität bestimmt es die Verläufe der Schlingen, das Auf- und Abtauchen, Drehen und Wenden. Die kleineren Formate sind Recherchen, ausgehend von diesem und anderen Grossformaten; unabhängige Untersuchungen, die das Bildthema in verschiedene malerische und farbliche Atmosphären tauchen, von der Geometrisierung der Schlaufen bis zu raupenähnlichen Gangsystemen.