Statement für die Aktualität der Schweizer Kunst

Pro Helvetia zeigt im PasquArt in Biel die „Cahiers d’artistes“ 97/99. Bis 18.03.2001

Im CentrePasquArt in Biel präsentiert die Pro Helvetia die „Collection Cahiers d’artistes“, 1997-1999. Zusammen mit neuen Arbeiten der 27 Künstler/-innen. Ein Statement für die Aktualität der Schweizer Kunst.

Seit einigen Jahren tritt die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia nicht mehr nur reagierend in Erscheinung, sondern auch als Veranstalterin und Vermittlerin von Kunst im In- und Ausland. Eine dieser neueren Aktivitäten betrifft die Publikation von „Cahiers d’artistes” – Künstlerheften, die Schweizer Kunstschaffenden die Kommunikation mit dem Betriebssystem Kunst erleichtern sollen. Kriterium ist dabei, dass sie für die ausgewählten Künstler/-innen Erstpublikationen sind. Seit 1997 wurden 22 Kunstschaffende (respektive Duos und Compagnies) unterstützt.

Obwohl verschiedene Auswahlverfahren angewandt wurden, erstaunt, dass sich die Namen von jenen der vom Bundesamt für Kultur und/oder den Kantonen geförderten Künstlern kaum unterscheiden. Beispiele: Xerxes Ach, Lang/Baumann, Daniel Robert Hunziker, Daniela Keiser, Mario Sala, Christoph Schreiber, Monika Studer/Christoph van der Berg, Nic Hess. Charakteristisch ist, dass die Künstler freie Hand bei der Gestaltung der Hefte hatten, sodass jedes der 22 Cahiers ein eigenes Gesicht hat. Dabei fällt auf, dass viele den Begriff „Künstlerheft” wörtlich nahmen, das heisst sie gaben der Bildgestaltung mehr Bedeutung als dem interpretierenden Wort.

In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich das Konzept der Cahiers jedoch von anderen Förderungskonzepten: Die Pro Helvetia reiht die Tänzer/-innen respektive Performance-Künstler/-innen konsequent in den Bereich der visuellen Künste. Was vor allem in der Ausstellung als spannendes Synergie-Moment in Erscheinung tritt; zum Beispiel in der Performance des Genfers Yan Duyvendak. Mit seinem Film-Tanz-Kunst-Crossover, das einen Science-Fiction Film gleichzeitig am Monitor wie als One-Man-Show auf der Bühne zeigt, gelingt es Duyvendak die Dimensionen virtueller und realer Körperpräsenz eindrücklich zu visualieren.

Ein ähnliches Phänomen, diesmal bezogen auf die klassische Skulptur, spiegelt „comme d’habitude” von Guilhermo Bothelo. Der Performer geht als faszinierende Mischung zwischen einer Giacometti-Bronce und dem Bildhauer selbst bis zum 28. Februar täglich in seinem „Atelier” auf und ab. Und last but not least die Zürcher Cie. Drift, die in spannender Wechselwirkung zwischen Malerei und Körpersprache zwei Muskelmänner aus einem Bild des russischen Malers Ilja Maschov durch Dia-Überblendungen zu Bildtänzern verlebendigt.

Dass die Ausstellung als Ganzes nichts von einer langweiligen Gruppenausstellung an sich hat, sondern Raum für Raum qualitativ Überraschendes bietet, hat mehrere Gründe. Zum einen strategische: Die Künstler zeigen vis-à-vis der Pro Helvetia Engagment und Innovation; man weiss ja nie, wann die Kulturstiftung das nächste Gesuch zu beurteilen hat … Dann ist da aber auch das Centre PasquArt selbst, dass mit der Vielfalt seiner Alt- und Neubau-Räume Individualität zulässt und zur Geltung bringt. Und schliesslich die Auswahl, die durch die Gremien der Cahiers d’artistes-Jury mehrfach abgesichert ist.

Zu den spannenden Arbeiten gehören zum Beispiel die Verwandlung des Foyers vom asketischen Diener&Diener-Bau in ein barockes Vorhang-Boudoir ( Daniel Robert Hunziker), die „gehäkelte” Boden-Tisch-Decke aus Gummidichtung mit dem selbstironischen Sinnspruch „Fleiss ist die Wurzel aller Hässlichkeit” von Theres Waeckerlin/ Agatha Zobrist oder auch die Installation von Dias/Riedweg, die multikulturelle Videos auf Tücher, die an einer improvisierten Wäscheleine hängen, projiziert. Zu den Highlights zählt ferner die „Salle Poma” mit einer flüssig-luftigen Gesamtinstallation, bestehend aus farbigen Seen von Sabina Baumann, einer Landschaft aus blauen Luftskulpturen von Lang/Baumann und malerischen Farbimpulsen auf roter Wand von Harry Jo Weilenmann. Als widersprüchliches Spannungmoment erscheint im Kontext das Video der brasilianisch-schweizerischen Künstlerin Ana Axpe beim Ein- respektive Ausgang, das Gewalt und Befreiung thematisiert.

Obwohl durch keinerlei Titel gefasst, ist die Ausstellung ein beeindruckendes Statement für die aktuelle Kraft der jungen Schweizer Kunst. Den persönlichen Aspekt hiezu fasst eine Diaschau, welche die vertretenen Kunstschaffenden dreifach ins Bild bringt. Die unbeschriftete Installation weist gleichzeitig auf das Defizit der Ausstellung, den Vermittlungsaspekt. Zwar liegen die Cahiers zur Einsicht auf, doch Bezüge zu den aktuellen Arbeiten werden in keinem Begleittext geschaffen.

Vertretene Künstler/-innen: L/B, Istvan Balogh, Ana Axpe, Karim Noureldin, Daniel Robert Hunziker, Harry Jo Weilenmann, Cie. Drift, Agatha Zobrist/Theres Waeckerlin, Nic Hess, Gianni Motti, Sabina Baumann, Mario Sala, Daniela Keiser, Christoph Schreiber, Xerxes Ach, Mauricio Dias&Walter Riedweg, Compagnie Philippe Saire, Reto Boller, Patrick Rohner, Yan Duyvendak, ALIAS Guilherme Bothelo, Monica Studer/Christoph v d Berg.