„Up the Sky“ im Kunsthaus Grenchen 2001

Wenn die Kunst gen Himmel schaut

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 05.09.2001

In „Up the Sky“ versammelt Dolores Denaro, Leiterin des Kunsthaus Grenchen und Bieler PasquArt-Direktorin in spe, „Himmel in der Kunst der 90er Jahre“.

Manchmal liegen gewisse Themen in der Luft. Angesichts einer Ausstellung mit dem Titel „Up the Sky gilt dies im wahrsten Sinne des Wortes. Befassen sich die „himmlischen“ Werke der 13 Künstler/-innen aus dem In- und Ausland, die Dolores Denaro ins Kunsthaus Grenchen eingeladen hat, doch unmittelbar mit dem als „Himmel“ bezeichneten Luftraum über uns; sowohl real wie im übertragenen Sinn.

Doch da gibt es einen ganzen Strauss von Luftballonen. Zum Beispiel verknüpft die Ausstellung das Kunsthaus mit dem örtlichen Flugplatz, der dieses Jahr sein 70-Jahr-Jubiläum feiert. Insbesondere die schon seit den 80er Jahren bestehenden „Ingold Airlines“ des in München lebenden Berners Res Ingold (47) verknüpfen in der Ausstellung die Realität des Luft-Verkehrs mit dessen Spiegelung in der Luft-Reise der Kunst. Inhaltlich wesentlicher ist die Beobachtung der Kuratorin, dass der Himmel in den Werken zeitgenössischer Kunstschaffender immer und immer wieder und immer anders auftaucht. Sei es als Ort meteorologischer Phänomene Kraft (Andreas Züst), sei es als Ort der Träume und der Erinnerungen (Pipilotti Rist/Silvie Défraoui), als Ort von Jenseitsvorstellungen (Nobuyoshi Araki), als Flug-Raum-Landschaften (Nanne Meyer), als Universum (Mireille Gros), als Wolken-Formation (Cécile Wick) oder als Ort der Bedrohung (Olaf Breuning). Und dies in ganz verschiedenen Techniken, wenn auch die Fotografie in einem weitgefassten Sinn neben Video, Malerei, Zeichnung und Objekt dominiert.

Dass Dolores Denaro mit „Up the Sky“ ein Thema aufgreift, das in der Luft liegt, zeigt sich aber auch daran, dass sich die Natur, die Umwelt, die Landschaft nach Jahren betont urbaner, menschbezogener Inhalte auf breiter Ebene als Motiv zurückmeldet. Auch die Bieler Fototage haben als Thema „Landschaft(en)“, das Museum für Gegenwartskunst in Basel zeigt „en pleine terre“, das Kunsthaus Langenthal „Hochwasser“ usw. Dies mag mit ein Grund sein, dass es Dolores Denaro gelang so viele bedeutende Künstler/-innen ins kleine, bis vor kurzem kaum national bekannte Kunsthaus Grenchen zu locken. Arbeiten von Pipilotti Rist zum Beispiel sind längst nicht mehr für alle Ausstellungen zu haben! Finanziell und konzeptuell geschickt hat Dolores Denaro auch nicht primär auf neue Arbeiten gesetzt, sondern bis auf zwei Ausnahmen ältere, Insidern zum Teil bekannte, Werke, auch aus Privatbesitz, vereint.

Dass das „retour à la nature“ nicht ein Zurück ist, spiegelt sich mannigfaltig, auch wenn die Himmelsbilder von William Turner (1775 – 1881) als kunstgeschichtliche Rückbindung präsent sind. Sei es in den „geschwefelten“ Wolken-Fotografien von Ingeborg Lüscher, in den meteorologischen Himmelsphänomenen von Andreas Züst, in Cécile Wicks schwarz-weissen Wolkenformationen via Lochkamera oder auch in den melancholischen Silver-Prints von Nobuyoshi Araki, die der ansonsten farbversprühen-de Japaner 1991 nach dem frühen Tod seiner Frau fertigte.

Der Himmel ist als Thema im wahrsten Sinne des Wortes unendlich weit und dementsprechend fehlen in Grenchen viele Aspekte. Dennoch ist es Dolores Denaro eindrücklich gelungen das Feld vielgestaltig abzustecken. Einen möglichen Spannungsaspekt zeichnet zum Beispiel die Linie von den Sprechblasen-Objekten aus dem fiktiven Freizeitpark des in Berlin lebenden Schweizers Ueli Etter über „Le Sexe Rouge“ der Gebirge-Horizontlinie des Diablerets-Massivs der Berlinerin Käthe Kruse (Installation) bis zu den literarisch-bewegten Himmelsräumen der deutschen Künstlerin Susanne Weirich (Video).

Mit kurzen Texten wird jedes Werk in den Kontext der Ausstellung gestellt – das ist hilfreich und informativ. Was der Ausstellung dennoch fehlt und das ist bei einem so grossen Thema doch ausgesprochen schade, ist die philoso-phische Vertiefung in einem die Ausstellung transzendierenden Text, welcher zum Beispiel die spirituelle Grundhaltung der nah und fern verknüpfenden Malerei-Installation von Mireille Gros, die existentielle Dimension der Realität und Projektion überlagernden „Fragmente am Horizont“ von Silvie Défraoui einbetten würde. So ist die Gefahr einer gewissen oberflächlichen Registrierung der verschiedenen künstlerischen Positionen nicht ganz gebannt, umsomehr als die ausgesprochen niedrigen Räume dem Thema nicht gerade wohlgesinnt sind.

So gilt es zu verweilen und mit den eigenen Gedanken und Gefühlen durch den Himmel zu fliegen und dabei sowohl die seelische Dimension von Pipilotti Rists selbst besungenem Videotape „I’m a Victim of this Song“ (1995) nach „Wicked Games“ von Chris Isaac mitzunehmen wie die installativ überzeugend inszenierten Wort- und Vorstellungsebenen von Susanne Weirichs „The Word Wolke“ wahrzunehmen. Und dabei die verführerische Vermarktung des Luftraumes, auf welchen die subversiv-hintergründigen Arbeiten von „Ingold Airlines“ konkret anspielen auch im metaphorischen Bereich nicht aus den Augen zu verlieren.