Christian Rothacher, Otto Grimm, Hansruedi Steiner Galerie Silvia Steiner Biel 2001

Geballte Zeit in präziser Form

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3.September 2001

Die magische Präzision der Aquarelle von Christian Rothacher ist bekannt. Seine Ausstellung in der Galerie Silvia Steiner in Biel bestreitet der 56-jährige mit zwei Aargauer Künstler-Freunden. Offensichtlich.

Der Spruch ist alt, aber immer wieder richtig: Die Aargauer, so sagte der einstige Aargauer Kunsthaus-Direktor Heiny Widmer (1927-1984), seien „lisige Sieche“. Dass er dies nicht abwertend meinte, sondern auf die sorgsame Verhaltenheit in Werken wichtiger Aargauer Künstler münzte, zeigt die aktuelle Ausstellung bei Silvia Steiner. Mit „sachlichen“ Aquarellen von Christian Rothacher (56), geschichteten Wasserfarben auf Leinwand von Otto Grimm (46) und verblüffenden Holzobjekten von Hansruedi Steiner (49). Widmers Redewendung meinte nicht zuletzt Christian Rothacher, einer der führenden Köpfe der Aargauer Aufbruchzeit der 60er/70er Jahre. Aber mehr noch ein Klima, das sich unter anderem via Rothacher (auch via Heiner Kielholz, Max Matter u.a.) auf jüngere oder quereinsteigende Kunstschaffende übertrug.

Die Ausstellung bei Silvia Steiner zeigt das Klima auf. Hansruedi Steiners scheinbar einfache Objekt-Skulpturen beginnen in dem Moment zu fesseln, da man sich überlegt, wie sie entstanden sind; realisiert, dass es sich bei den konstruktiven „Zeichnungen“ um Holzschnitzereien aus einem einzigen Stück handelt, was einem fast unmöglich erscheint. Die Frage nach dem wie und vor allem wie lange, beantwortet der Künstler nur zögernd, als ob es unanständig wäre bis zu 300 Stunden an etwas zu arbeiten. Etwas Autistisches hätten seine Arbeit schon, sagt er schliesslich, aber von einem bestimmten Punkt an, wolle er die Skulptur sehen und dann lasse er nicht mehr los. Für grosse Serien könnten die Formen maschinell hergestellt werden – auch Steiner lässt die eine oder andere in Bronze giessen – aber aus Holz, aus Lebendmaterial, sicher nicht. Und auf einmal verbinden sich die repetitiven Formen geometrischer oder vegetativer Art mit den Jahrringen des Holzes und der Zeit des Wachstums. Und da liegt wohl die Qualität der besten Arbeiten; da erübrigt sich die Nähe der Formen zu Elementen aus Christian Rothachers Linolschnitten.

Otto Grimm, den Bürgerort und Ferien beim Onkel in Lüscherz mit dem Seeland verbinden, wurde zuweilen vorgeworfen, seine Bilder seien langweilig. Wer Action sucht, wird dem auch heute zustimmen, wer indes die Ruhe findet hineinzuschauen, wird – ähnlich wie bei Steiner – belohnt. Unzählige Schichten überlagern sich in den monochromen Leinwand-Aquarellen, zum Teil durch feine Linien den Bildrändern entlang als gestapelte „Scheiben“ sichtbar gemacht. Doch an den grünlichen, bläulichen, rötlichen Farbklängen ist nichts greifbar, definierbar, fassbar. Das Objekt „Bild“ steht in Kontrast zur Luftigkeit, die es zeigt. Nichts und Etwas verbinden sich – anders als bei Markus Raetz und doch ist die Allusion zu dessen Begriffen so falsch nicht. Auch dort nicht, wo er die Schichten als raumteilende Flächen ineinanderschiebt oder Wassergläser auf ihre Lichthaltigkeit hin untersucht.

Die Magie der Präzision der Aquarelle von Christian Rothacher ist packend. Immer wieder. Was die Bettdecken, Zwiebelringe und Eierschalen von ihren Leinwand-Vorläufern in der Zeit der Sachlichkeit (Niklaus Stoecklin zum Beispiel) trennt, ist ihre Leichtigkeit als Aquarelle, ihre unspektakuläre Alltäglichkeit, aber auch die Poesie, die sie gleichsetzt mit seinen Winterzweigen im Schnee und wegschiebt von den Schuhspannern und Domino-Steinen Stöcklins (obwohl es auch eine frühe Dominosteine-Arbeit von Rothacher gibt!). Unverhofft denkt man an die Werke der Künstlerfamilie Robert im Museum Neuhaus nebenan. Die Faszination angesichts der Natur der Dinge verbindet sie und darüber hinaus auch der bewusste Rückzug zum Unscheinbaren.