Wand-füllende Farb-Raum-Körper

Mark Rothko in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. Bis 29.04.2001

Die Farb-Raum-Bilder des amerikanische Malers Mark Rothko (1903-1970) gehören zu den bekanntesten Kunstwerken des 20. Jahrhunderts. Die Fondation Beyeler in Riehen zeigt mehr als 100 wichtige Arbeiten.

Mark Rothkos aus vielschichtigen Farbkörpern gebaute Grossformate sind moderne Altarbilder. Die einen das Licht beschwörend, die anderen die Dunkelheit und manche das eine im andern. Der Atem erschliesst sie, nicht die Augen. Sie sind an der Wand und im Raum zugleich. Der Fondation Beyeler ist mit ihren weltweiten Kunsthandels-Beziehungen eine schlicht einzigartige Ausstellung gelungen; mit Leihgaben aus den USA, Europa, ja gar dem Teheran Museum of Contemporary Art.

Der Gefahr, dem Künstler durch eine Präsentation der Bilder als reines Fest der Farben unrecht zu tun, versucht Gastkurator Oliver Wick zu entgehen indem er Rothkos Raumkonzepte ins Zentrum stellt. Der Künstler kämpfte zeitlebens dagegen, dass seine Bilder als „Dekoration“ eingesetzt werden. Stellte man ihm nicht einen eigenen Raum zur Verfügung, weigerte er sich zuweilen an Gruppenausstellungen teilzunehmen. Er trage „eine zu grosse Verantwortung für das Leben, das seine Bilder draussen in der Welt führen“, schrieb er einmal einem Museumsdirektor.

Seine Bilder sollten Wände („Murals“) sein und unausweichlich auf die Schauenden wirken. Der in jungen Jahren als Schauspieler auftretende Maler bezeichnete seine Gemälde als „Dramen“, deren Inhalt sich in stummen Dialogen zwischen Bild und Betrachter entwickle. Rothko war ein Leidenschaftlicher, doch die Sinnlichkeit seiner Bilder sollte alles umfassen, von strahlendem Gelb über glühendes Rot bis zu einsaugendem Schwarz; Leben und Tod als Gleichzeitigkeit von Ober- und Unterwelt.

Die zum Teil als Räume in die Räume gebauten Bildkojen dokumentieren Rothkos Radikalität bezüglich der Präsentation seiner Werke.

Doch die Entwicklung der Zeit seit der Entstehung der Bilder in den 50er und 60er Jahren lässt sich nicht rückgängig machen. Niemandem käme es heute in den Sinn, Rothkos Malerei als „Rückwände für Bilder“ zu bezeichnen. Der damalige Kampf ist heute nicht mehr notwendig; den Bildern ist in den heutigen „White Cube“- Museen Raum zum Atmen gegeben. Und so ist es für heutige Ausstellungsmacher schwierig, Rothkos mit grosser Verletzlichkeit geführten Kampf um die Rezeption seiner Bilder wirklich zu vermitteln. Zu leicht ist es für unser Empfinden heute geworden, Rothkos strahlende, tragende, sich scheinbar nach innen wie nach aussen wölbenden Farbkörper ohne Wenn und Aber zu lieben; seien es die hellen, frühlingshaften der 50er Jahre oder die dunklen, satten der 60er Jahre.

Wichtig ist darum – und die Ausstellung tut dies in ausgewählten Beispielen sehr eindrücklich – die Biographie Marcus Rothkowitz‘ als Mensch und Künstler ins „Drama“ miteinzubeziehen. Denn das weltweit bekannte Werk des 1910 als 7-Jähriger mit seiner Familie von Russland in die USA emigrierten Künstlers setzt erst um 1949/50 ein. Voraus gehen verschiedene Epochen, die Rothkos Einbindung in die grossen Strömungen und Umwälzungen der amerikanischen Kunst vor und nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen.

Eine Reihe realistisch-expressiver „Subway“-Bilder aus den 1930er Jahren und wenige surrealistische Werke der 1940er Jahre zeigen es und weisen zugleich auf die existentielle Substanz, die er im Rahmen des abstrakten Expressionismus zunächst auf die „Multiforms“ reduzierte und später in die schichtweise übereinandergelegten Farbkörper des Hauptwerkes münden liess. Die Subways weisen malerisch und architektonisch bereits auf geometrische Reduktion; wichtiger ist jedoch das Thema der Ankunft und Abfahrt im Untergrund. Das Immigrantenschicksal klingt an und möglicherweise auch die jüdische Herkunft.

In den surrealistischen Bildern greift Rothko auf mythologische Themen zurück, zum Beispiel auf Tiresias, der von Hera geblendet und von Zeus mit seherischen Fähigkeiten ausgestattet wurde. Das blinde Auge und das aus dem Innern sehende sind in eine Komposition eckiger und organischer Formen eingeflochten. Die Thematik des Hauptwerkes, das nicht die Ratio sucht, sondern den Körper, nicht das Abbild, sondern die Emotionalität, nicht den fassbaren Raum, sondern den ein- und ausatmenden, ist darin gedanklich vorweggenommen. Und trifft das, wofür Rothko immer kämpfte, um die „Heirat der Sinne“ im Erleben von Kunst. Eindrücklich kommt der Rundgang am Ende wieder zum Anfang, zu einem Selbstbildnis Rothkos von 1936, das den Künstler mit einer schwarzen Sonnenbrille zeigt.