Waren Sie auch einmal ein Goldschatz?
„Goldnugget“ eine Installation von Hannah Külling im CentrePasquArt in Biel. Bis 18.03.2001
Hannah Küllings Kunst ist nicht schön; sie ist spannend. Und sie stellt Fragen, z.B. nach dem Unterschied zwischen einem Goldschatz und einem Goldnugget. Zu beantworten im Espace libre des Centre PasquArt in Biel
Hannah Külling (1965) wirbt mit dem Abbild eines Mädchens auf einer Sommerwiese für ihre Ausstellung im Espace libre. Die Installation, die sie im „Labor“ der Bieler Künstlergesellschaft „visarte“ (früher GSMBA) zeigt, trägt den Titel „Goldnugget“. Auch wenn die gedankliche Kombination nicht ganz aufgehen will, so erinnert man sich doch vermutlich, kleine Kinder auch schon „Goldschätze“ genannt zu haben. Allerdings: So einfach macht es einem die 35jährige Bieler Künstlerin wohl nicht. Mit ihrer Reklame-Tafel mit der Aufschrift “ Demnächst: Erotik-Club“ sorgte sie in der Altstadt erst kürzlich für Verwirrung. Und auch das Ölfass, in dem sie seinerzeit vor der Stadtkirche weihnächtliches Feuer entzündete, war zumindest doppeldeutig gedacht. Das gilt dementsprechend auch für „Goldnugget“.
Installiert ist ein kleiner, provisorisch wirkender Verkaufsstand. Es ist, als würde der Raum im Moment nicht genutzt und biete darum einer fahrenden Händlerin Schutz und Wärme. Im Angebot sind amorphe, weich gewaschene und glänzend polierte kleine Goldklumpen; fein säuberlich mit Preisetiketten an winzigen roten Schnürchen versehen. Gold und Geld schnell analysiert der Blick die Preise: Fr. 87.25, 112.50 usw. Eine goldene Gelegenheit oder Schummelei? Und wo bitte ist das Wach-Personal? Zuweilen ist die Verkäuferin da, doch oft stellt sie nur das Kärtchen hin: „Bin gleich zurück“. Da muss etwas faul sein, oder … es ist Kunst. Der nun immer kritischere Blick erkennt, dass alles zusammenklappbar ist der Tisch, der Campingstuhl, der Holzkasten mit den Goldnuggets und den Hammerstielen mit dem Brandzeichen „Külling“. Ein beiseite gestelltes, fahrbares Transportgestell mit Gummiseilen zeigt, wenns „heiss“ wird, hat die Verkäuferin die Künstlerin ihr Goldware schnell gepackt.
Hannah Külling ist von ihrer Werdegang her eigentlich Bühnenbildnerin. 1991 schloss sie die entsprechende Ausbilung an der Akademie in Wien ab. Wenn sie heute primär als freie Künstlerin arbeitet, so darum, weil sie lieber ihre eigenen „Stücke“ inszeniert. Wie „Goldnugget“ zeigt, ist das Theatralische dementsprechend ein Kernstück ihres Schaffens. Ihre Installationen sind meist komplex, zuweilen sogar kompliziert, enthalten in jedem Fall eine Vielfalt von Meta-Ebenen. Das heisst, das Vordergründige ist immer nur ein Spiegel. Ein Sinnbild, zu dem es eine leicht lesbare, gesellschaftliche Interpretation gibt, gleichzeitig aber auch eine die Kunst und die Kunstproduktion hinterfragende. So folgen zum Beispiel die Preise für die „Goldnuggets“ einem typischen Kunst-Muster, wobei der Koeffizient für einmal, wie beim Gold üblich, das Gewicht ist. Allerdings haben die mit Blattgold überzogenen Steine ganz verschiedene spezifische Gewichte und in jedem Fall kleinere als Gold. So ergeben sich wie in der Kunst nicht ganz nachvollziehbare Summen.
Wichtig ist für Hannah Külling aber auch der Bogen vom kindlichen „Goldschatz“, den auch sie einmal war, zur heutigen Künstlerin. Wem ist sie mit ihrer Kunst wieviel „Gold“ Wert. Ist sie als Künstlerin nicht auch eine nomadisierende Händlerin mit „heisser“ Ware? Sind Ausstellungsräume nicht meistens leer und die Kunstschaffenden höchstens „bald wieder zurück“. Und wie verhält es sich mit dem Interesse? Sind so viele Velos vor dem Espace libre stationiert, weil Gold schürfen zur Zeit nirgendwo günstiger ist als bei der Kunsthändlerin Hannah Külling, oder ist dem Besucherstrom tatsächlich die Kunst Gold wert? Und wenn die Kunst einer Künstlerin ohne internationale Kunstmarkt-Position aus Gold ist, ist sie es dann plötzlich wert, gestohlen zu werden, wenn die Künstlerin gerade nicht da ist? Und wie wäscht man dann die gestohlene Kunst?
Hannah Külling stellt Fragen, nichts als Fragen. Die Ironie ist dabei das Vehikel, das die Antworten antreibt. Hannah Külling ist mit dieser Arbeitsweise nicht allein was andere zum Beispiel aus dem Film in die Kunst übertragen, holt sie sich aus dem Theater. Und auch sie spielt mit dem „After Effect“ (dem zweiten Blick) analog der Thematik der laufenden Ausstellung im CAN in Neuenburg Nur: Hannah Külling ist zwar in Biel bekannt und in vielen Projekten engagiert, doch der Sprung über die Region hinaus ist ihr noch nicht gelungen. Obwohl die Originalität ihrer Arbeiten dies längst rechtfertigte. Aber eben: So wie das Gold muss auch die Kunst zu Markte getragen werden, um Preise zu erzielen.