Das Flirren der Farben über dem Seerosenteich
Fondation Beyeler, Riehen: Claude Monet … bis zum digitalen Impressionismus. Bis 04.08.2002
www.annelisezwez. ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. April 2002
Unter dem Titel „Claude Monet … bis zum digitalen Impressionismus“ zeigt die Fondation Beyeler in Riehen eine qualitiativ epochale Ausstellung, deren Konzept freilich da und dort etwas hinkt.
Die „Nymphéas“, die „Cathédrales de Rouen“, die „Meules au soleil“ (die „Heuschober“), die „Ponts japonais“ kaum jemand, der die Bilder des französischen Impressionisten Claude Monet (1840-1926) nicht kennt. Der Kunstmarkt und die Kunst-Unterhaltungsindustrie haben ganze Arbeit geleistet. Kein Wunder erwartet die Fondation Beyeler „gewaltige Besucher-ströme“ für die Ausstellung „Claude Monet…. bis zum digitalen Impressionismus“, die kürzlich ihre Tore in Riehen öffnete. Viele Besuchende werden allerdings nicht so genau wissen, was sie unter dem zweiten Teil des Titels erwartet. Und möglicherweise auch nach dem Besuch der Ausstellung nur bedingt überzeugt sein, dass Claude Monet etwas mit Name June Paik und Pipilotti Rist zu tun hat.
Die Ausstellung ist eine Augenweide, einer Perlenkette gleich ist Saal für Saal Hochkarätiges aufgereiht. Sorgfältig ausgewählt und hervorragend präsentiert. Es beginnt mit einer veritablen Einzelausstellung von Claude Monet. In mehreren Schlaufen wird aufzeigt wie der Impressionist der ersten Stunde sich mehr und mehr dem Flirren der Lichtfarben zuwendet und Landschaftliches oder Architektonisches nurmehr als perspektivelose Schattenwelt hinter dem farbigen Vibrieren der Luft im Raum andeutet. Und grossartig mündet der erste Teil der Schau in die grosse Folge der das Werk krönenden, späten Seerosenbilder, die Monet zum Pionier der lyrisch-expressiven Abstraktion machen. Kraft langen Lebens und Arbeitens hat Monet die impressionistische Idee des Verschmelzens von Visuellem und Atmosphärischem wie kein anderer vorangetrieben. Wie weit unscharfes Sehen aufgrund eines Augenleidens die Entwicklung forciert hat, ist angesichts der Qualität der Arbeiten eigentlich eine müssige Frage.
Es gilt sich allerdings vor Augen zu halten, dass das Spätwerk Monets (ca. 1918-1925) zwar eine faszinierende Vertiefung eines 19. Jh.-Werkes beinhaltet, dass die klassische Moderne eines Braque, Picasso, Léger, Kandinsky, Mondrian etc. zur selben Zeit aber bereits auf dem Höhepunkt war. Folgerichtig führt der kunsthistorische Weg der Ausstellung in einem zweiten Teil nicht zur klassischen Moderne, sondern zu den „Entdeckern“ des Spätwerkes von Monet, den Künstlern des französischen Informel, eines Bazaine zum Beispiel, und des amerikanischen Expressionismus, eines Jackson Pollock unter anderem. Über die Farbfeldmalerei eines Mark Rothko und eines Gotthard Graubners führt der Monet-Weg zur späten Moderne eines Frank Stella, eines Gerhard Richter. Meisterwerke noch und noch. Die Rasterauflösungen Roy Lichtensteins nach Motiven von Monet (1969) oder das nach einem Besuch in Giverny entstandene „Tableau vert“ von Ellsworth Kelly (1952) sind Beispiele unmittelbarer Auseinandersetzungen mit Monet. Die (allzu) breite Künstlerpalette, in der auch Dubuffet und Kiefer mitmischen, überspannt den Dialog indes zu sehr.
Vielleicht spaltet sich darum die Erinnerung an den Besuch der Ausstellung vom kunsthistorisch abgesegneten Ablauf ab . Die Brust voller Monet wechselt der innere Film lieber gleich zu zwei installativen Highlights: zur videastischen Hommage an Monets Garten in Giverny der Amerikanerin Diana Thater von 1992 und die für die Ausstellung in Basel enstandene „Spiral View“ des Isländers Olafur Eliasson.
Diana Thaters „malerisches“ Video ist keine Monet-Dokumentation, sondern Reinterpretation der Verbindung von Farbe und Atmosphäre wie sie den Impressionismus prägte. Die filmischen Möglichkeiten Wandel und Veränderung fliessen zu lassen, und über Mehrfachprojektionen in den realen Raum auszuweiten, öffnet die Vision der 19.-Jahrhundertkünstler eindrücklich. Eliasson baute aus Edelstahl eine raumfüllende, „kubistisch“ dekonstruierte, begehbare Tunnelröhre, welche auf die (mit Plastikseerosen angereicherte) Teichanlage vor dem Renzo Piano-Bau der Fondation ausgerichtet ist. Die vervielfachten Lichtbrechungen zeigen zeitgenössischer als manch Anderes, wie der Impressionismus Monets auch als Beginn der Auflösung materiell definierter Weltsichten gesehen werden kann.
Die Ausstellung war 2001 unter dem Titel „Monet und die Moderne“ bereits an mehreren Orten (unter anderem in München) zu sehen. Und erhielt von der Kritik bezüglich der Relevanz des Konzeptes mittelmässige Noten. Markus Brüderlin, künstlerischer Leiter der Fondation, erweiterte nun das Thema hin zu Video und digital erzeugten Bildern. Darum trägt die Ausstellung in Basel den Titel „Monet … bis zum digitalen Impressionismus“. Brüderlin fährt die Malerei im dritten Teil der Ausstellung zunächst zurück bis zu den monochromen, weissen Bildern Robert Rymans aus den 50er- und 60er-Jahren, um sie dann mit der Bildschirm-„Malerei“ der Video-Pioniere wie Name June Paik oder Shigeka Kubota neu zu starten. In den Monitor-Präsenationen in der „Videogasse“ kann sich das teilweise digital bearbeitete neue Medium nur schwer durchsetzen. In den raumgreifenden Installationen, darunter Pipilotti Rists sphärisch-träumerische „Sip my ocean“, vermögen die „Wahlverwandtschaften“ hingegen durchaus Assoziationsfelder auszulösen. Dennoch hinkt manches ein wenig: Monet ist grossartig, aber er ist nicht der Vater aller Dinge wie die Ausstellung suggeriert, auch wenn der Katalog manches differenziert.