Das „Musée en grève“ von Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta

Podiumsgespräch Centre PasquArt Biel 4. Juni 2002

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 04.06.2002

Ist die Freiheit der Kunst grenzenlos? Die Installation „Musée en grève“ von Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner im Foyer des CentrePasquArt provoziert die Frage. Ein Podiumsgespräch suchte Antworten.

PasquArt-Direktorin Dolores Denaro verbot dem von ihr selbst eingeladenen Duo Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner auf die Foyer-Fassade „ihres“ Hauses die Worte „Musée en grève“ zu schreiben. Sich selbst zensurierend machte das Künstlerpaar daraufhin aus dem Musée en Grève eine Muse en Rève und rettete damit das Projekt. Nicht ganz konfliktfrei, versteht sich. Das Pferd beim Schwanz aufzäumend beschlossen die Beteiligten die knirschende Situation in einem Podiumsgespräch zu thematisieren und auszuweiten. Rund 40 Personen folgten der Einladung zu dem von Radiofrau Rita Jost moderierten Gespräch „Wie weit darf Kunst gehen“.

Eigentlich, so Peter Schneemann, Professor für zeitgenössische Kunst an der Universität Bern, sei die Frage seit dem Ende der „Moderne“ kalter Kaffee. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei es tatsächlich immer so gewesen, dass jene Künstler, die am weitesten gingen von der Kunstgeschichte im Nachhinein zu Pionieren erklärt wurden. Doch heute seien Kunstskandale höchstens noch gezielte Werbekampagnen, wie zum Beispiel bei „Sensations“ in Berlin.

Der Fall Biel tangiere hingegen tatsächlich eine Tabuzone, weil er nicht den Kunstbetrachtenden, sondern die Museumsinstitution selbst provoziere. „Für mich“, so Dolores Denaro, „lag die Schwierigkeit in der Unvereinbarkeit von künstlerischer Freiheit einerseits und meiner Verantwortung gegenüber dem Haus andererseits. Ich kann nicht anschreiben lassen das Haus sei im Streik und gleichzeitig via Photoforum allen Fotoinstitutionen der Schweiz Gastrecht geben.“

„Das Beispiel Biel“, so Peter Schneemann, „ist darum interessant, weil es zeigt, dass das Museum kein unschuldiger Raum ist.“ Immer mehr unter dem Druck ein Dienstleistungsbetrieb zu sein, ergäben sich mehr und mehr Konflikte zum Museum als Ort der Auseinandersetzung.

Das Problem, so schaltete sich das Publikum in die Runde, liege doch gar nicht da, sondern beim Geld. Künstler werden eingeladen und müssen die Ehre aus eigenen Finanzressourcen abbezahlen. Ein Kunstbetrieb, der so funktioniere, werde sich schnell entleeren. Da müsse sich die Institution doch nicht gegen die Künstler stellen, sondern mit ihnen aufschreien. „Zahnlos“ finde sie dieses „Muse en Rève“, meinte eine andere Stimme. Die Spesen, so Dolores Denaro korrigierend, seien immerhin durch einen Beitrag von Pro Helvetia gedeckt.

Bei ihrem Projekt, so Barbara Meyer Cesta, gehe es wohl um Provokation, aber eine mit Lust und Vergnügen und im übrigen sei es mehr als nur ein Wortspiel. Der Zynismus, so Schneemann, liege in den von Kulturinstitutionen als Sponsorbeiträge eingebrachten Bannern, die auf Wunsch der Künstler als Demonstrationsobjekte daherkämen, als Eigen-Werbeflächen letztlich aber brav im Museum blieben, statt auf die Strasse zu gehen.

Ist Provokation Kunst? fragte schliesslich das Publikum auf der Suche nach dem Sinn. „Wir thematisieren“, so Rudolf Steiners Antwort „das Betriebssystem Kunst mit dem Mittel der Provokation. „Musée en Grève“ ist die Form, das künstlerische Produkt das Quellwasser in Flaschen, das so heisst. „Der Inhalt“, so Peter Schneemann, „ist ein Diskurs, der verdrängt ist.“ Und wieder ist man beim „letzten Tabu“ – wie Szeemann auf der Arteplage sagt – bei „Geld und Wert“. Die Zensur hier sei ein Diktat des Geldes, nicht des Museums, ist zu hören. Es werde, so Schneemann, nie über die gefährliche Gleichung „da ist Geld, da ist gute Kunst“ diskutiert, nie die Probleme offengelegt, die sich den öffentlichen Institutionen durch die reichen „Schöner-Wohnen-Museen“ wie zum Beispiel die Fondation Beyeler stellten.
„Was darf Kunst nicht“, fragte Rita Jost die Runde zum Abschluss. Sie dürfe nicht nicht, votierte Barbara Meyer Cesta und der Professor meinte ebenso träf wie lapidar: „Sie darf nicht schlecht sein“ und etwas differenzierter dann, „sie darf nicht unreflektiert sein“. Nach einem Abend der Reflektion kann es sich bei der Konzeptarbeit von Meyer Cesta und Steiner also nur um gute Kunst handeln …

Vorgängig erschien bereits folgender Text :

Foyer CentrePasquArt: Le Musée en Grève
Wasser, fein säuberlich abgefüllt in Flaschen

Subversiv, hinterlistig, humorvoll: Die Installation von Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner im Foyer des Centre PasquArt. Ob sie La Muse en Rève oder Le Musée en Grève heisst, weiss niemand so recht.

Derweil sich die Fotografie im Hause PasquArt breit macht, bespielt die bildende Kunst das Foyer des Hauses in vier Etappen. Die erste Runde bestreitet das Bieler Künstlerpaar Barbara Meyer-Cesta und Rudolf Steiner. Mit viel subversivem Humor. Ihr Projekt heisst «Musée en grève», doch präsentiert es sich, politisch korrekt, als «Muse en Rève». Zwei Buchstaben Differenz machten es möglich. Widersprüchliches hat hier System. So heisst «Musée en Grève» mitnichten, dass hier ein Museum in Streik steht, der Markenname wirbt vielmehr mit grossen Buchstaben für klares Wasser aus der Quelle «Haus am Gern», dem Kunstunternehmen von Meyer Cesta und Steiner.

Es kann, feinsäuberlich in Flaschen abgefüllt und beschriftet, im Museum käuflich erworben werden, für 89 Franken pro Flasche. Auch die kunterbunten Banner von Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen an den Wänden sind zugleich mehr oder weniger originelle Werbeträger wie von ihrer Form her klar und deutlich Spruchbänder für eine Demonstration. Die Frage, ob die Kultur demnächst auf die Strasse muss, um ihre Rechte einzufordern, steht im Raum.

Die Banner sind allerdings zugleich Sponsorenbeiträge. Die Institutionen, die normalerweise selbst Gelder suchen, sponsern hier via Eigenwerbung ein Künstlerpaar, das ohne Geld eine Museumsinstallation realisieren soll. Ein fast perfektes Paradox. Über einen Mail-Versand schrieben Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner die Möglichkeit einer «werbewirksamen» Präsenz im CentrePasquArt aus. Kostenpunkt: 30 Franken für jene, die ihr Banner selbst malen, 50 Franken für jene, die es sich malen lassen. Nicht weniger als 45 Kulturinstitutionen vom Museum in Lichtenstein über die Künstlergruppe UNO bis zum Theater Biel-Solothurn sind eingestiegen. Full house.