Barbara Hee im Trudelhaus in Baden 2003

Eingerollte Energien

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung vom 10. Juni 2003

Zentrales Thema im Werk von Barbara Hee ist das Sichtbarmachen der Energien, die in der Materie ruhen und im Lebendigen wirken. Tonkörper, Zeichnungen und – überraschend – Fotografien zeugen davon im Trudelhaus in Baden.

Das Hauptwerk der Ausstellung der Zürcher Künstlerin Barbara Hee (45) im Trudelhaus in Baden ist der „Teppich“ – 99 je 10 Kilogramm schwere, ungebrannte und vielflächige Tonkuben, die in der mittleren Etage als quadratnahes Rechteck ausgelegt sind. Die Überraschung der Ausstellung sind indes schwarz-weisse Fotografien, die Landschaft und Körper verschmelzen. Die Zeichnungsserien schliesslich verweisen auf die hand-schrift-liche Präsenz der Künstlerin in ihrem Schaffen. Ein beeindruckender Drei-Klang.

In allen Arbeiten, ob plastischen, zeichnerischen oder fotografischen, sucht Barbara Hee das Phänomen der energetischen Durchdringung von allem, was wir tun, fühlen, denken und greifen sichtbar zu machen. Wenn sie tagelang einen Tonkörper wälzt und ihm Schicht um Schicht Materie hinzufügt, so geht es ebenso um das Schaffen von Form wie um das Einrollen von Kraft. Um den Austausch zwischen der scheinbar toten Materie und dem fliessenden Formwillen der Künstlerin. Manchmal, so sagt sie, habe sie das Gefühl, das Gewicht hebe sich im Arbeitsprozess auf, der Rhythmus sei so stark, dass sich die Skulptur wie von selbst forme.

Das Geheimnis des „Teppichs“, der sich an vergleichbare frühere und gleichzeitige Zyklen wie „Wälzkörper“ oder „Knospe“ anschliesst, ruht jedoch nicht nur in der Vereinigung von materieller und spiritueller Energie, sondern ebenso im Variationsreichtum von gleich und ungleich. Keiner der kubusähnlichen Körper ist wie der andere und doch sind sie alle ähnlich. Sie haben alle dieselbe Masse und Materie, sind alle zum Kubus hin orientiert, doch die Rhythmen des Arbeitsprozesses sind je nach Kraft und Disposition der Künstlerin unterschiedlich und so auch die Form. Das gibt dem sich proportional sehr schön in den Raum einfügenden „Teppich“ trotz seiner Tonnen-Schwere eine fragile Leichtigkeit, die Dynamik und Wandelbarkeit ausstrahlt; Leben eben.

Die Fotografien sind im Vergleich zu den in anstrengender Arbeit entstehenden Plastiken quasi ein Geschenk. Sie beruhen auf dem „zufälligen“ Entdecken, dass sich die in den Oberengadiner Seen spiegelnde, winterliche Berglandschaft, dreht man ihr schwarz-weisses Abbild um 90 Grad, Körper-Silhouetten ergeben, die sich wie zwei Seiten desselben ergänzen. Die leichte Unschärfe der Alltags-Aufnahmen, die Distanz über den See und die zeichnerische Ausprägung durch das Weiss des Schnees ergibt im Verbund mit der Horizontlinie und der Verdoppelung durch die Spiegelung auf dem Wasser ein lose bekleidetes Körpermass, das in etwa von den Schultern bis zu den Oberschenkeln reicht. Erstaunlich, und im Kontext des Schaffens von Barbara Hee wie ein Bild der gesuchten Gleichzeitigkeit von materieller und immaterieller (gespiegelter) Energie. Platon lässt grüssen.
Katalog: „Double Garded“. Zu Ausstellungen in Baden, Krefeld, Zürich und Colombier.