„Das Gespräch mit den Künstlern ist mir wichtig“

Das Centre PasquArt zeigt Werke aus der Sammlung von Donald M. Hess. Bis 09.03.2003

Erstmals ist in der Schweiz ein Teil der bedeutenden Kunstsammlung des Berner Unternehmers Donald M. Hess zu sehen. Internationale Cracks und eigenwillige Trouvailles prägen das Bild der Ausstellung im CentrePasquArt in Biel.

Wie es dazu komme, dass die Hess-Collection – eine Kunstsammlung mit musealem Charakter – ausgerechnet in Biel ihre Schweizer Première habe, wurden in den letzten Wochen sowohl der auf seinem Weingut in Argentinien lebende, 63-jährige Sammler Donald M. Hess wie die auf Beginn des Jahres 2002 von Grenchen nach Biel gewählte Museumsdirektorin Dolores Denaro gefragt. „Weil“, so Hess in einem Telefon-Interview lapidar, „mich in den 35 Jahren meiner Sammeltätigkeit erstmals ein Schweizer Museum anfragte und dies überdies über adäquate Räumlichkeiten verfügt“. Und die junge Museumsfrau: „Ich wusste bei meiner Wahl im Sommer 2001 um die Bieler Tradition, einmal im Jahr eine Privatsammlung zu zeigen, kannte andererseits die Hess-Collection von Katalogen und so griff ich, noch von Grenchen aus, zum Telefonhörer …“ Wer wagt, gewinnt (manchmal).

Nachdem Finanzprobleme der Museumsdirektorin im vergangenen Jahr engste Grenzen setzten, konnte sie nun ihr erstes, mit Vizedirektorin Hélène Cagnard erarbeitetes Bieler Museumsprogramm gleich mit einem überregional bedeutsamen Coup lancieren. Die Hess-Collection nahm ihren Anfang in den späten 60er-Jahren in Bern, als Kunsthalleleiter Johannes Gachnang den jungen Valser-Wasser-Unternehmer in die Geheimnisse zeitgenössischen Kunstschaffens einweihte. Dabei entstand in anregenden Gesprächen mit Berner Künstlern – von Franz Gertsch über Rolf Iseli bis Markus Raetz – die Lust, eine eigene Sammlung anzulegen. Was diese bis heute charakterisiert, ist dieser persönliche Charakter zum einen, der Kauf von bedeutenden, vielfach grossformatigen Werken anstelle von klassischen Privat-Arbeiten zum andern. Hess legte eine Sammlung an wie er neue Unternehmen aufbaute, mit der Vision gross zu werden. Diese Haltung prägt auch der Umgang mit seinen Werken, die er mit rarer Grosszügigkeit an Museen in aller Welt ausleiht respektive auf seinem Weingut in Kalifornien in einem eigenen Museum der Öffentlichkeit präsentiert. Bald soll auch in Argentinien ein Museum entstehen.

Etwas widerborstiger gedieh der Plan, dazu beizutragen, dass in Bern ein Museum Kunst der Gegenwart entsteht. Hess half tatkräftig mit, Ende der 70er-Jahre die „Stiftung Kunst heute“ als Sammlungsinstrument für ein künftiges Berner Gegenwartsmuseums zu gründen und unterstützte die Stiftung grosszügig. Als aber lange Jahre nichts Konkretes fassbar wurde, interessierte ihn Bern nicht mehr. Immerhin: Dieser Tage erhält das Kunstmuseum Bern die in der Stiftung vereinten Werke zu Eigentum, als Grundstock für die nun in greifbare Nähe gerückte Gegenwarts-Abteilung des Berner Museums.

Der eigenwillige und zielstrebige Sammler kaufte stets nur von einer überblickbaren Zahl von Kunstschaffenden neue Werke, dies aber kontinuierlich und in stetem Kontakt mit den Künstlern. Wenn ein Künstler den Olymp des Kunstmarktes erreichte, stieg er in der Regel aus. Die vom ständigen Kurator der Sammlung, Léonard Cuénoud, für Biel konzipierte Ausstellung zeigt dies sehr schön auf. In der grossen Salle Poma sind abgeschlossene, museale Werkgruppen von Robert Rauschenberg, Gerhard Richter und Gilbert & George aus mehreren, zum Teil sehr unterschiedlichen Werk-Phasen zu sehen.

Herzstück der Ausstellung ist aber nicht die etwas steif geratene Präsentation in der Salle Poma, sondern die umfangreiche Reihe von Einzel- und Mehrfachräumen jener Künstler/-innen, die Hess zur Zeit interessieren. Das sind trotz fortgesetzter Pflege von Schweizer Kontakten – in Biel gibt es in den „Galerien“ drei schöne Räume mit „Landschaften“ von Franz Gertsch, Alois Lichtsteiner und Michael Biberstein – vielfach Kunstschaffende aus England und Amerika, aber auch aus Griechenland, Frankreich, Österreich und Argentinien. Darunter die im dominierenden Männer-Umfeld frech und „böse“ agierende Lynn Hershman (geb. 1945), die – als feministische Strategie – 1975 in San Franciso ein Doppelleben zu führen begann. Eines als angepasste Sekretärin und eines als Roberta Breitmore, einer 30-jährigen „Miss America“, die durch anbiederndes Verhalten auf verschiedenen Ebenen den American Way of Life der Zeit auslotete und dokumentierte. In der Hess-Collection befindet sich ein Teil des umfangreichen Dokumentationsmaterials aus dieser Zeit, aber auch zahlreiche neue Fotomontagen und interaktive Objekte.

Vor allem die jüngere Hess-Collection ist medial sehr breit angelegt und in der Wahl nicht von einem internationalen Mainstream geprägt. Den meisten Kunstschaffenden begegnet man in der Schweiz zum ersten Mal. Auffallend ist dabei die grosse Zahl von Werken, die sich in einem experimentellen Sinn mit Natur befassen; offensichtlich, dass da der „Weinbauer“ mitdenkt und -empfindet. Zum Beispiel die faszinierenden Fotogramme von Susan Derges (47), die Visuelles und Strukturelles der Natur zugleich sichtbar machen. Wer vor ihr hat „Wasser“ so perlend fotografiert? Oder dann die „Boyle-Family“ aus Schottland, die über einer Weltkarte eine Nadel fallen lassen und da, wo sie ihre Spitze hat, hinreisen und den vorgefundenen Ort als Objekte von täuschender Echtheit rekonstruieren. Dass das Weltbild Hess‘ indes nicht nostalgisch ist, zeigen in Kontrast dazu zum Beispiel die elektronischen „Wall-Flowers“ des Kaliforniers Alan Rath oder das Roboter-Paar des Österreichers Gerhard Kriesche aus dem Jahr 1986 (!).