Drei Kapitel aus drei Leben mit Kunst

CentrePasquArt: Nouvelles Collections – Einblicke in junge Sammlungen. Bis 30.05.2004

Müsste man drei Stichworte setzen zu den drei jungen (Berner)Kunstsammlungen, welche das Centre PasquArt seit Samstag zeigt, so würden sie „Kontinuität“, „Geheimnis“ und „Trend“ heissen.

Dreimal zwei Säle im Altbau des Centre PasquArt gehören zur Zeit Bildern aus drei jungen Kunstsammlungen; alle drei international ausgerichtet und zugleich Berner respektive Zürcher Spuren aufweisend. Es sind Werke aus dem Besitz von Jobst und Jasmine Wagner, von Alexander Jolles und Sabine und Andreas Tschopp-Hahnloser. Schwergewichte, die sie zeigen sind unter anderem Arbeiten des Berner/Zürcher Künstlerpaars Silvia Gertsch und Xerxes Ach (Wagner), von Olafur Eliasson, der letztes Jahr Island in Venedig vertrat (Jolles) und des Engländers Gary Hume, der eben das Kunsthaus Bregenz bespielte (Tschopp-Hahnloser).

Auffallend ist die starke Präsenz von Malerei und „malerischen“ Fotografien respektive Siebdrucken. Mit Ausnahme der Arbeiten von Martin Creed fehlen Objekte, Skulpturen oder Videos. Das könnte heissen, dass für Privatsammlungen am ehesten das angekauft wird, was man an die Wand hängen kann. Allerdings sind die Einblicke in die drei Sammlungen so ausschnitthaft, dass jegliche Beobachtung möglicherweise falsch ist. Kommt hinzu, dass die Auswahl in Zusammenarbeit mit der PasquArt-Direktorin Dolores Denaro definiert wurde, somit ihr Wunsch, eine facettenreiche Ausstellung zu konzipieren ebenso präsent ist: Bekanntes und Unbekanntes zeigen, Schweizerisches und Internationales kombinieren usw.

So ist zum Beispiel die Beobachtung, dass ausgerechnet die wesentlich vom Frauen-Impetus bestimmte Sammlung Tschopp-Hahnloser keine Werke von Frauen zeigt, höchstens irritierend. Denn im Gesamtkonvolut sollen sich unter anderem wesentliche Werke von Silvia Bächli und Marlène Dumas befinden. Man muss den Blick somit auf die Kapitel reduzieren, welche gezeigt werden.

Diese drei Geschichten erzählen nämlich sehr Verschiedenes und das ist im Vergleich spannend, macht wett, dass man von allen eigentlich gerne etwas mehr gesehen hätte. Da ist Alexander Jolles, Sohn des Kunstsammler-Ehepaars Erna und Paul Jolles: Von ihm gibt es die Aussage, dass Kunst kaufen ein „Nachgeben gegenüber der Sehnsucht sei, Dinge zu verstehen“. Dieser Hang zum Geheimnisvollen ist in den Werken, die er in Biel zeigt, tatsächlich spürbar. Da gibt es zum Beispiel die herausragende „Löwenzahnserie“ der erstaunlicherweise wenig bekannten Basler Künstlerin Franziska Wüsten (39): Der Kopf, der Mund einer jungen Frau, die mit der flüchtigen Samen-Kugel eines Löwenzahns erotisch Bild-Zwiesprache halten. Die Serie kann die Nähe zu Pipilotti Rist nicht verleugnen und ist doch als Fotografie eigenständig. Ähnliche Faszination gegenüber nie ganz Begreifbarem spiegeln sich auch in den Natur(-Wissenschaften) erlebnishaft reflektierenden Arbeiten von Olafur Eliasson, Peter Fischli/ David Weiss und Roman Signer.

Ganz anderen Charakter hat die Werkgruppe von Sabine und Andreas Tschopp-Hahnloser. Die jungen englischen Künstler, die sie zeigen, sind trendig und höchst erfolgreich auf dem internationalen Markt. Die beiden Hauptwerke von Gary Hume (42) – „Love Love’s Unlovable“ und „The Polar Bear“, beide von 1994 – kommen eben aus dem Kunsthaus Bregenz zurück. Was nach Jet Set tönt, ist aber durchaus bernisch. Der Saatchi-Künstler stellte 1995 unter Ulrich Loock in der Kunsthalle Bern aus und wurde danach für den renommierten Turner Prize nominiert. Die Nähe von Tschopp-Hahnloser zur Kunsthalle Bern wird offensichtlich in den Werken von Martin Creed (Turner Preisträger 2001), waren sie doch im November 2003 daselbst ausgestellt (das BT berichtete). Die weisse Leuchtschrift „Feelings“ zeigt das Creeds Credo („so viel wie nötig mit so wenig wie möglich“), gleichzeitig aber auch die in Biel gezeigte Sammler-Haltung: Feelings ja, aber mit intellektuellen oder formalästhetischen Spielen auf Distanz gehalten.

Bern-Bezüge gibt es auch in den in Biel gezeigten Werken von Jobst und Jasmine Wagner. Doppelte. Da ist zunächst das sichtbare Verfolgen der Entwicklung von Silvia Gertsch (41) und ihres Partners Xerxes Ach (47), deren Werke – figurativ hier, monochrom da – immer stärker zu zwei Aspekten eines Ganzen zusammenwachsen. Obwohl international positioniert, wird Silvia Gertsch – die Tochter des Malers Franz Gertsch – hierzulande bernisch wahrgenommen. Spannender jedoch ist der andere Berner Aspekt. Da gibt es ein malerisch überzeugendes Kleinformat mit verwelkenden Blumen von Gabi Hamm (48) aus Stuttgart. Sowohl dieses eine wie die Porträts daneben sind so nah verwandt mit der aktuellen „Berner Schule der Malerei“, dass offenbar das Vertraute auch im Ausland mitschwingt. Kommt als Surplus hinzu, dass die Bedeutung des Lichtes bei Gertsch/Ach und Hamm indirekt auch in den Pop Art mit ostdeutscher Akademie-Schulung kombinierenden Leinwandbildern von Eberhard Havekost zum Ausdruck kommt.

Ein Phänomen der Ausstellung ist überdies, dass bei allen drei Sammlungen mindestens eine Person auch öffentlich im Kunstleben engagiert ist. Sabine Hahnloser durch die Verpflichtungen, die ihr Name mit sich bringt, gehört doch die Post-Impressionisten-Sammlung ihrer Urgrosseltern (Villa Flora/Winterthur) zu den herausragenden in der Schweiz und ist ihr Vater Präsident des Vereins Kunsthalle Bern. Alexander Jolles ist nicht nur erblich „belastet“, sondern auch Mitglied der Programm-Kommission des Zürcher Kunsthauses. Und Jobst Wagner war in den letzten Jahren als Präsident der Berner Kunstgesellschaft eine treibende Kraft in den Berner Museums- und Personaldiskussionen.

Schmähen die Frauen die Kunst? (Begleit-Kommentar)

Die Museen zeigen Privatsammlungen. Seit Jahren. Doch ob die Hess Collection, die Flick Collection, die Sammlung Beat König, die Sammlung Christian Tanner, die Sammlung Peter Bosshard usw. – Männer, Männer, Männer. Keine einzige Frau. Ist Kunst Männersache?

Ist doch einfach, monieren Radikale – wer zahlt, befiehlt. Die Frauen dürfen die Kunst dann abstauben.

Basel hat neuerdings ein Schaulager und bald einen neuen Museumstrakt (übrigens auch ein neues Theater), Solothurn ein „Haus der Kunst“ – finanziert von Frauen.

Aha! Die Männer häufen Kunstbesitz an, die Frauen stellen ihr Geld mäzenatisch zur Verfügung. Uff, so schwarz-weiss?

Ein bisschen vielleicht. Es ist statistisch bewiesen, dass wesentlich weniger Frauen über wirklich viel Geld verfügen. Gab es schon je einen Abzockerinnen-Skandal? Wenn Frauen Geld haben, ist es meist durch Familienbesitz (siehe Basel).

Galerien sagen, dass Verkäufe häufig von Ehepaaren gemeinsam beschlossen werden, dass die Rechnung aber vielfach im Namen des Mannes beglichen werde. Direkte Verkäufe an Frauen seien im Verhältnis selten. Spiegel der Gesellschaft.

Doch das ist nicht alles. Es gibt trotz allem sehr wohl Frauen, die Kunst kaufen, aber bis sie von einer „Sammlung“ sprechen, die sie öffentlich ausstellen würden, geht es wesentlich länger. Alte Rollenmuster. Vielfach sind ihre Werke auch keine monumentalen Arbeiten. Die Folge des bereits Gesagten. Übrigens, die Statistiken der Museums-Besucher-Zahlen nennen bis zu 70% Frauen.

Die aktuelle Ausstellung im Centre PasquArt (siehe nebenstehenden Text), die – erstmals – jungen Sammlungen Raum gewährt, gibt ein klein bisschen Gegensteuer. Bei der Sammlung Tschopp-Hahnloser dringt die initiative Haltung der Frau auch nach aussen durch. Wer weiss, vielleicht gilt dieser Kommentar schon in fünfzehn Jahren nicht mehr.

Es geht indes nicht nur um Besitz. In kaum einer der grossen Männer-Sammlungen (Flick, Hess & Co.) sind Künstlerinnen repräsentativ vertreten. „Die Sammler kaufen, was sie spiegelt und was Marktchancen hat“, sagte uns kürzlich die ehemalige Betreuerin der Flick-Collection. Galerien bestätigen, dass summa summarum Kunst von Frauen schwieriger zu In den jungen Sammlungen im Centre PasquArt geben hiezu nicht die Werke von Sabine und Andreas Tschopp-Hahnloser Gegensteuer, sondern die von Jobst und Jasmine Wagner (man beachte die Reihenfolge der Namen) für Biel ausgewählten Arbeiten. Mehr als ein Strohhalm für die Künstlerinnen?