Mit Materialien den Raum ins Rollen bringen
Centre PasquArt/Biel : Fraenzi Neuhaus im Espace libre. Bis 02.01.2005
Erstmals bespielt eine Künstlerin den Hof zwischen CentrePasquArt und rückseitigem Jurafelsen. Die Solothurnerin Fränzi Neuhaus hat „PollenKoerper“ dahin ausrollen lassen, scheinbar.
Sie wirken leicht, fragil, beweglich die leuchtenden Kunststoff-Raumzeichnungen, die Fränzi Neuhaus auf dem rückseitigen Hof des Centre PasquArt zeigt. In Realität sind sie aber handfest, Skulpturen im eigentlichen Sinn des Wortes. „Schon als ich das erste Mal ins neue PasquArt kam, faszinierte mich die Durchsicht zum Jurafelsen hin; vielleicht als Verbindung von Biel und Solothurn“, sagt die Künstlerin. So war für sie klar, dass sie nicht primär das Innere des Espace libre bespielen wollte, sondern das Aussen, das Zwischen. Dass man ihre in einem Kunststoff-Fachleute sagen „nicht möglichen“ Spritzguss-Verfahren hergestellten Raumkörper für einen Beitrag zur laufenden Weihnachtsausstellung hält, ist nicht von Belang. Umsomehr als die Künstlerin die im Foyer des Centre PasquArt zu sehende Video-Version, in welcher sich die auf den Bildschirm gezoomten Skulpturen verschlingen und multiplizieren, der Jury des Kunstvereins einreichte und von dieser angenommen wurde. Eine nicht ganz absichtslose Strategie, die durch einfache und doppelte Spiegelungen der Skulpturen in der Glasfassade noch einmal um eine Dimension gesteigert wird.
Kunst in Dialog zu Architektur zu setzen, ist indes nichts Neues für Fränzi Neuhaus, im Gegenteil, die stärksten Arbeiten der 47-jährigen waren schon immer Spiele mit Raum und Wänden, die sie durch formbewusste Materialeffekte und gezielte Platzierungen quasi aus den Angeln hebt. Da liegt denn aber vielleicht auch die Krux, respektive das Missverständnis, dem die Künstlerin immer wieder begegnet. Kunstgeschichte ist Form-Geschichte. Wie etwas geformt wird und welche Materialien wie zum Resultat beitragen, wird dabei nur als Randnotiz wahrgenommen. Das führte zum Beispiel dazu, dass Kunst aus textilen oder keramischen Materialien jahrzehntelang als „Kunsthandwerk“ abqualifiziert wurden. Wer nun Fränzi Neuhaus‘ Skulpturen nur unter dem Aspekt der an naturwissenschaftliche Modelle erinnernden Einzelform betrachtet, sagt möglicherweise, diese sei kunstgeschichtlich zu wenig innovativ und geht achtlos weiter.
Falsch, Ähnliches ist nicht immer ähnlich. Fränzi Neuhaus ist ein High-Tech-Freak. Besuche in Firmen, die neue Materialien oder neue Form-Techniken entwickeln sind für sie so wichtig wie Museumsbesuche. Zeichnerische Arbeiten, die sie kürzlich in Perrefitte zeigte, sind zum Beispiel auf vibrierende High-Tech-Netze appliziert. Auch die PollenKoerper die Bezeichnung bezieht sich mehr auf das Unterwegssein und die Potenz von Pollen, denn auf mikroskopische Formverwandtschaften sind etwas, das es eigentlich nicht gibt. Dort, wo bei der Firma Fomtech in Laupersdorf Kunststoff-Kügelchen im Spritz-Guss-Verfahren in Formen gepresst werden, schafft Fränzi Neuhaus eine Öffnung und lässt die 250 Grad heisse Masse austreten und kühlt sie so gezielt, dass brodelnde „Würste“ entstehen, die schliesslich eine Oberfläche wie erstarrte Lava haben. Der Ausdruck der im Prozess angehaltenen Kraft interessiert die Künstlerin. Und setzt sie dann zur Raum-Form zusammen, die, so beweglich wie sie wirkt, wiederum nur einen Moment suggeriert bevor die nächste Wandlung stattfindet.
Die Bodenfotos, welche Fränzi Neuhaus im Innern des Espace libre zeigt, weisen in ihren Schichtungen bereits den Fortgang. „Ich erinnere mit der Platzierung auf dem Boden, dass zum Beispiel ein Fichtenwald pro Jahr 15 000 Tonnen Pollen produziert“ sagt die Künstlerin. Das wirkt als Erklärung etwas gesucht und die Fotos vermögen den Espace, im Gegensatz zur Installation im Aussen, auch nicht zu dynamisieren. Als Ganzes jedoch ist es spannend, in Fränzi Neuhaus‘ herausfordernde Dialoge mit Materialien, Formen und Inhalten einzusteigen.