20 Jahre M.S. Bastian_Kunsthaus Grenchen 2005

Von Zaffaraya bis Bastropolis

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 8. Januar 2005

Obwohl erst 41-jährig, reicht das künstlerische Schaffen von M.S. Bastian bereits 20 Jahre zurück. Wie fulminant der Auftakt, wie vielgestaltig die Suite, zeigt ab morgen Sonntag das Kunsthaus Grenchen.

Marcel Sollberger alias M.S. Bastian ist zweifellos der populärste Bieler Künstler, und dies über die Landesgrenzen hinaus. Ein Etikett indes, das dem Künstler zugleich Freude bereitet wie Sorgen macht. Denn «ich muss mich dauernd gegen Missverständnisse wehren». Primär geht es dabei um das Spannungsfeld zwischen Comic und Kunst. Zwischen lustigen Bildergeschichten und ernsthaftem Bemühen, mit trivialen Bildmitteln eine utopische Welt zu bauen, deren Gesetzmässigkeiten irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit angesiedelt sind.

Seit 20 Jahren schon ist er an der Arbeit. Seit er, 21-jährig, in den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule in Biel eintrat, sich fortan Bastian nannte und im knisternden Klima der «bewegten» Jahre zwischen Bern und Bielerhof zu «basteln» begann, was das Zeug hielt. Es waren die Jahre der Zaffarayaner und die frühen Jahre von Züri West und die Zeit, da die Schule unter Urs Dickerhof ihre Identität als Ort zwischen freier Kunst und angewandter Grafik fand. Mit Mickey Mouse als hinterhältigem Hausgeist.

Erstmals hat M.S. Bastian nun diese frühen Arbeiten wieder eingesammelt und zeigt sie im Obergeschoss des Grenchner Kunsthauses, während im Parterre die vertraute Welt von «Wonderful World», «Pulp & Co.» bis hin zum japanbeeinflussten «Bastropolis» von 2004 ausgebreitet ist.

Die frechen, ungezügelten Sturm- und Drangarbeiten der 1980er-Jahre, die Figuren aus Papiermaché, die Kartonschachtel-Bühnen, die art brut-haften Collagen mit Sprachfetzen wie «Und ich Esel glaubte an die Staatsgewalt» haben nichts an Kraft verloren. «Ich finde die Arbeiten auch nicht schlecht», sagt der Künstler,» aber irgendwie kann ich kaum glauben, dass sie von mir sind.» Tatsächlich gibt es in der «Bastianworld» grössere Unterschiede als bisher wahrgenommen. Die Zäsur bildet der einjährige Aufenthalt in New York 1990/91. Die frühen Arbeiten orientieren sich stark an der Kunstgeschichte. Da gibt es zum Beispiel einen Guck-Kasten mit Manets Olympia, Matisses‘ Tanzreigen, de- und rekonstruiert à la Picasso. Andernorts steht die «art brut» stärker im Vordergrund, als eine Art Mischung zwischen Romantik und «trash art».

Auch wenn bereits eine in die Ausstellung integrierte Kinderzeichnung von 1973 (!) mit dem Titel «Franz von Assisi» Bastians Liebe zum Comic vorwegnimmt, später da und dort ein Tintin auftaucht, in seinem Hauptwerk fassen Mickey Mouse und ihre Verwandten erst zu Beginn der 90er-Jahre so richtig Fuss. Aufgrund von Begegnungen mit Comic-Zeichnern wie Gary Panter, die in ihren fiktiven Welten eigene Visionen ausdrücken.

Nach der Rückkehr in die Schweiz und einer wegweisenden Begegnung mit Bernhard Luginbühl entstehen zunächst allerdings giacomettihaft gelängte Eisenstab-Figuren bis hin zu einer zehn Meter hohen für einen Kunst-am-Bau-Auftrag in Köniz.

Dann hat er wieder einmal genug und wendet sich aufgrund einer Einladung von Lang/Baumann in Burgdorf der Serigraphie und von da aus der Malerei zu. Das heisst, nun beginnen noch mehr als bisher die Doppel- und Tripelgeschichten. Comic-Publikationen hier, Malerei dort, ein Plakat für die Rote Fabrik hier, eine Geisterbahn dort, ein Trickfilm da, eine Bar dort.

«Für mich gibt es eigentlich keine Unterschiede», sagt Bastian, aber um der Ausstellung ein Gesicht zu geben, zeige er hier bewusst nur Arbeiten mit Kunst-Werk-Charakter im engeren Sinn. Was sie einem roten Faden gleich verbindet, ist das Zitat, sind (Wieder-)Begegnungen mit Bildern, Stilen, Figuren, Gegenständen, die Bastian in seinem Welttheater wertfrei zusammenführt.

Eine besondere Rolle spielt dabei der «Pulp» – die aus einer «Träne der Milchstrasse» entstandene, weisse Soft-Figur mit den grossen, schwarzen Augen, die als neugieriges Seelenbarometer zu allen Schichten Zugang hat. Zitate können aber auch ganz anderer Art sein. In Thailand zum Beispiel liess sich Bastian von Kopierern Denis Hopper- respektive Rousseau-Bilder malen, die er anschliessend mit seinen Figuren bevölkerte.

Was sich nicht ganz durchzusetzen vermag, ist das Sketch-Book mit den die Welt reflektierenden Kleinformaten, die ihm «ungemein wichtig» sind. Nicht nur weil der Platz falsch ist, sondern weil politische Analyse, Radikalität, Rücksichtslosigkeit nicht Bastians Stärke sind, auch wenn er um ihre Bedeutung wider die Gefahr der Harmlosigkeit weiss.