En chaque parfum il y a une fleur

Monographie „Roses“ von d&f cartier. Verlag Niggli, St. Gallen. 2006

Sechs Jahre hat das Welsch-Bieler Künstlerpaar Daniel&Françoise Cartier an der Realisierung von „Roses“ gearbeitet. Jetzt liegt die sorgfältig konzipierte Monographie vor.

Das eine Künstlermonographie mehr sein kann als die Dokumentation eines künstlerischen Schaffens zeigt das bezüglich Konzept, Textqualität, Bildgestaltung, Papierwahl und Layout überzeugende Buch zum Schaffen des Welsch-Bieler Künstlerpaars Daniel&Françoise Cartier. Es gelingt der 132 Seiten starken Monographie nicht nur den zugleich konzeptuellen wie spielerischen Ansatz des zunächst einzeln, später konsequent gemeinsam auftretenden Paares aufzuzeigen, sondern durch die abwechslungsreiche Inszenierung der Bilder im Buch-Raum und die linear mitlaufende, literarische Interpretation eine künstlerische Dimension einzubringen.

Einem News-Ticker in Staccato-Form gleich begleiten die original dreisprachigen Sätze des Wahlbieler Schriftstellers Michael Stauffer den Fluss der rythmisch gesetzten, mal zum Allover aufgeblasenen, mal zur Serie verkleinerten Fotogramme von Daniel & Françoise Cartier. Da vereinzelt, dort zusammenhängend interpretieren Stauffers Sätze nicht und entwerfen dennoch eine zu den Fotogrammen analoge Welt zwischen Alltagsbanalität, Ideenbouquet und Gedankentopf. „En chaque parfum il y a une fleur“, steht da etwa oder „Ich habe meine Kleider vergessen“ oder „They say barbering isn’t a profession any more.“

Das Hauptgewicht des Buches gilt den in den letzten acht Jahren unter dem Label „d&f cartier“ realisierten Fotogramm-Serien. Das Fotogramm ist die reduzierteste fotografische Technik, die es gibt. Man legt den abzubildenden Gegenstand auf ein Fotopapier und setzt beides während längerer Zeit dem Licht aus. Dabei wird das Papier nunanciert rosarot und der Gegenstand, je nach Beschaffenheit, opak oder transparent weisslich. Die Technik wurde und wird immer wieder von Künstlern und Künstlerinnen genutzt, doch so ausschliesslich wie die Cartiers setzt das Medium unseres Wissens niemand ein.
Bis 1998 traten Daniel und Françoise Cartier mit eigenen Werken auf; er als Fotograf, sie als Plastikerin respektive Malerin. Dann gab sie die materielle Ebene auf und er quasi die Technik und daraus entstand das Fotogramm, das Plastisches abbildet, dieses durch die Reduktion auf Licht aber immer nur indirekt meint. Sylvie Henguely schält diese metaphorische Ebene in ihrem ausführlichen, präzisen Text immer neu heraus. Zum Beispiel: „Die Fotogramme der Serie &Mac226;Someday…..’ (2001-2005) versammeln Barbie-Puppenkleider….Hinter der Leichtigkeit dieses Universums und den hauchdünnen Kleidungsstücken wird eine Gesellschaftskritik erkennbar, eine Kritik an der Bedeutung, die sie dem Schein zumisst.“ Vielleicht fast zu seriös, aber nichtsdestotrotz eindrücklich hebt sie auch die Bedeutung der Zeitebenen im Seriellen, die Auseinandersetzung mit Eros und Tod, die Frage der Identität heraus. Die Originalsprache ist französisch, sie wird begleitet von deutsch und englisch. Intelligent werden die Individualwerke der Cartiers in Text und Bild dokumentiert, das aktuelle Schaffen aber ausgebreitet.

Was letztlich aber die Qualität des Buches ausmacht, ist das von Daniel Cartier entworfene Bildprogramm, das Serien, wie zum Beispiel jener der Büstenhalter, in ihrer schillernden Vielfalt blühen lässt, mal im Kleinformat als Reihe fokussiert, dann – dem Blick des Betrachters gleich – vereinzelt heranzoomt, um gleichzeitig in der sorgfältigen Farbunancierung des Druckes auf den Tanz mit dem Licht, dem Tanz mit den nicht anwesenden Körper einzugehen. Wie sehr das Paar die Möglichkeiten des Fotogramms mittlerweile auszureizen vermag, wie sie das fleischliche Rosarot meint und in den Duft von Rosen (à la Marcel Duchamp) verwandelt, beeindruckt in der Varietät des Buches fast mehr als in den bisherigen Ausstellungen des Paares.

d&f cartier, „Roses“ Verlag Niggli, St. Gallen. Essays: Martin Gasser (Fotostsiftung Schweiz), Sylvie Henguely, Michael Stauffer. Preis: 58 Franken.

Info: Seit 1997 firmiert das Bieler Künstlerpaar Daniel und Françoise Cartier unter dem Label f&d cartier. Geboren wurde Daniel Cartier am 19. Juni 1950 in Biel, Françoise Guerne am 16. Mai 1952 in Tavannes. Den Beginn der gemeinsamen Arbeit markiert 1998 ein Wettbewerb, an dem sie sich mit dem Projekt „A-venir. Le temps d’être suisse“ beteiligten. Anhand von 26 sich im Licht verfärbender Fotopapiere in handelsüblichen Formaten, welche die 26 Kantone symbolisieren, regten die Künstler eine Reflexion über die Schweiz an. Auszeichnung mit dem Prix Michel Jordi de la Photographie. In den letzten Jahren stellten d&f cartier u.a. in der Fotostiftung Winterthur, im Musée des arts in Moutier, im Museo Vela, Lignoretto, im Photoforum PasquArt in Biel sowie im Houston Center for Photography aus.