„Jesus Christus sagt sie ist die Sonne“
Corey McCorkle in der Kunsthalle Bern. Bieler Tagblatt 14. April 2005
Die Ausstellung des Amerikaners Cory McCorkle (36) in der Kunsthalle Bern hält nicht, was sie im Titel verspricht. Aber sie ist trotzdem spannend.
„Jesus Christ says she is the sun“ steht in einem Lichtkreis auf nächtlichem Grund. Es ist die Einladungskarte zur aktuellen Ausstellung von Corey McCorkle in der Kunsthalle Bern. Möglicherweise haben Künstler und Kunsthallendirektor Philippe Pirotte den Zündstoff des Titels unterschätzt. Jedenfalls laufen die Telefone heiss.
Auf die Frage, wie die provokante These zu verstehen sei, hat der Corey McCorkle keine präzise Antwort. Der Titel sei als Werk für sich zu verstehen, sagt er. Tatsächlich entspricht die angewandte Methode dem Arbeitsprinzip des in New Yorker lebenden Künstlers. Dieses geht oft von einer ihn berührenden Entdeckung aus. In diesem Fall die Tage- und Notizbücher eines Freundes, die alle mit „Jesus Christ says she is the sun“ überschrieben sind. McCorkle erkannte das Potenzial und überschrieb nun analog seine Ausstellung damit. Minimaler Einsatz mit maximaler Wirkung bezeichnet er als Ziel aller seiner Arbeiten. Das ist ihm hier ohne Zweifel gelungen. Viellleicht, so ergänzt er, habe die Arbeit auch etwas mit Amerika zu tun; dort würde ein solcher Ausstellungstitel momentan möglicherweise nicht akzeptiert.
So hat die These denn persönlichen Charakter, aber eigentlich keine direkte Antwort in der Ausstellung. Spiritualität ist allerdings eine durchgehende Komponente, wenn auch eine angenehm unaufdringliche. Und die Sonne und das Licht spielend dabei eine zentrale Rolle. Die Augen des Künstlers flackerten, als er erzählte wie er sich, die Ausstellung vorbereitend, plötzlich eines Textes in einem „National Geographic“ entsann, welcher das von der Uni Bern initiierte Experiment des Berner Sonnensegel von 1969 beschrieb. Damals legten die Mondfahrer Edwin Aldrin und Neil Armstrong kurzzeitig eine Folie auf dem Mond aus, um erdunabhängige Sonnenstrahlung einzufangen. Dieselbe aluminiumfarbene Folie nutzte McCorkle nun, um sechs Helium-Kissen in den Massen jener, die Andy Warhol 1966 aus seiner Factory in Richtung Sonne aufsteigen liess, nachzubilden. In den ersten Tagen der Ausstellung schweben sie im Raum, dann werden sie absinken. Und nur noch im Video des einen Kissens, das der Künstler vom Rosengarten aus entsandte und mit der Kamera „einfing“, wird der Sonnentraum anklingen.
Wer meditierend darüber nachdenken will, kann das (theoretisch) in einem der sechs gemusterten „Stühle“ im benachbarten Raum tun, die formal den Beinen im Lotus-Sitz entsprechen und auf einem Teppich mit dem selben Muster zur Rosette angeordnet sind. Das Design-Element, das da anklingt, setzt sich in den Decken-Installationen fort. Im Foyer hat der Künstler einige der Oberlichter durch gelbe, im Hauptsaal alle durch konkave schwarze Kunststoff-Platten ersetzt. Damit macht er Licht bewusst in seiner An- respektive Abwesenheit und macht sich zugleich die sakrale Tendenz der Ornamente zunutze. Die Reverenz an die beiden Moderne-Architekten Bruno und Max Taut gehört zur assoziativen Vernetzungs-Arbeit von Corey McCorkle, ist aber keine „conditio sine qua non“.
Man sollte an einem hellen Tag in die Kunsthalle gehen, dann, wenn die Sonne durch die gelben Oberlichter scheint und ihre „Strahlen“ bis in den Schwarzlicht-Raum reichen. Im übrigen ist leicht nachvollziehbar, dass die Schwierigkeit der Ausstellung nicht nur in der Realisation lag, sondern darin die Bewilligung für die innenarchitektonischen Veränderungen (bei der Stadt, der Denkmalpflege etc.) einzuholen. Umsomehr als der Künstler auch im Soussol eingriff, indem er ein Stück aus dem Parkett herausfräste, um 23.3 Grad drehte (analog der Erdachse) und wieder einfügte. Gut, dass die Erkenntnis oben aus schwang, dass eine Halle für zeitgenössische Kunst veränderbar sein muss.
Am Ende er Ausstellung findet sich eine eigenartige Arbeit, die zunächst Widerstand auslöst. Sie zeigt als animierte Dia-Show eine Vielzahl sich anbietender (bekleideter) japanischer Animiermädchen, die sich durch Verdecken der Augen mit den Händen geradezu tänzerisch schützen. „Rising sun“ entstand 2004 während eines Aufenthaltes im Land der aufgehenden Sonne. Die Arbeit stört, weil sie die Beschaulichkeit der Ausstellung in Frage stellt letztlich so wie der Titel der Ausstellung. Auch das mag letztlich eine Breitseite gegen George Bushs Amerika sein.
Philippe Pirotte zeigt auch in seiner zweiten Ausstellung eine interessante Position; diesmal eines jungen, international noch wenig bekannten Künstlers, dem man indes Zukunft zutraut. Allerdings greift Pirotte damit fast zu sehr auf das Profil seines Vorgängers Bernhard Fibicher zurück, der oft mit Künstlern arbeitete, die mit minimalen Mitteln auf die Architektur des Hauses eingingen (Maria Eichhorn, Martin Creed, Serge Spitzer u.a.). Auch zeigt er mit Corey McCorkle erneut einen Künstler aus seinem früheren Antwerpener Programm. Wann er ein „Berner“ wird, steht vorläufig noch in den Sternen geschrieben (auch sprachlich).