RELAX (chiarenza & hauser & co) PasquArt Biel 2005

Bitte nicht den Steuerbehörden melden

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung  31. Mai 2005

 

Marie-Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser (RELAX) thematisieren in ihrer Kunst die Systeme von Geld und Wert. Konzeptuell, radikal und doch humorvoll. Ihre Ausstellung im Centre PasquArt in Biel heisst „die belege / les quittances / the receipts“.

„Hallo, ihre Quittung!“ ruft der Bettler Marie-Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser 1994 in New York nach. Auf dem zerknitterten Papierchen steht der Dank und die Bitte, die Spende nicht bei den Steuerbehörden zu melden. In der Ausstellung in Biel erscheint das fotokopierte Fetzchen jetzt als „Urbeleg“ in einer Vitrine, zusammen mit dem verschmutzen Strickhandschuh des Bettlers.

„Damals“, so Relax, „realiserten wir das inhaltliche Potential, das in Quittungen steckt“. Der Urbeleg mündet nach multimedialen Schlaufen zum Thema Geld und Wert und Kunst direkt ins Finale der Ausstellung, dem „Raum der Utopie“. Da ist das (in Altstetten nachgestellte) Video des Erlebnisses in NY zu sehen sowie eine Reihe grösserer Zeichnungen mit Stöckelschuhen, die entweder dabei sind in die unter ihnen liegende Kacke zu treten oder nicht, und wenn ja, entweder so „dass es spritzt oder nur der Schmutz bleibt“, wie Antoinette Chiarenza meinte. Darüber steht mit Bleistift geschrieben: „L’indépendance n’a pas de prix“.

Humor ist, wenn man trotzdem Kunst macht, könnte die Schlussfolgerung sein. Denn in der Kombination von Konzept und Lust Kehrseiten zu sezieren, entfaltet sich sowohl die aktuelle Ausstellung wie das Schaffen des seit 20 Jahren gemeinsam auftretenden Künstlerteams. Oft ist der Kunstbetrieb selbst das Thema. So ist auch das Herzstück des Museums, die Salle Poma, nichts als ein abgedunkelter, unwirtlicher, leerer Kühlraum. Ein Lagerraum für mangels Finanzen nicht realisierter Projekte? Vielleicht, denn, so zeigt Relax dokumentarisch auf, je grösser die Ausstellungsfläche, desto geringer das Budget pro Quadratmeter. Tendenz: Sinkend. (Anmerkung: Das Gesamtbudget für Biel lag bei 11 000 Franken).

Der „Wert“ des Künstlers gleiche jenem einer Vogelscheuche, die lachen, lärmen, stänkern könne und doch, ach so harmlos sei, suggeriert die Ausstellung. Wie ein Video zeigt, haben Relax für die Kinder der ETH-Krippe eine Vögel (oder Künstler?) vertreibende Puppe geschaffen, was die Knirpse – angelernt und doch köstlich – mit dem Refrain „Und so was bezahlen wir mit unseren Steuergeldern“ quittieren.

Es gibt in der Schweiz wenige Kunstschaffende mit relevanter kultur-politischer Position. Relax bilden da eine Ausnahme. Eine wichtige, denn ihre Geschichten erstarren nicht in Selbstmitleid, sondern öffnen sich – gerade in Biel – immer auch in andere (Lebens)-Bereiche. Von der Kunst zur Krippe selbst, von den Produktionskosten und Steuerbelegen der Künstler zu jenen von Unternehmen und Privaten, von Einkaufsgewohnheiten zu Finanzkraft, von Männern, die Bier trinken und den Kaffee der Frauen bezahlen (sollen) und anderem mehr.