Sam und Larry Shaw Photoforum Biel 2005

Als Marilyn sich und die Welt liebte

www.annelisezwez.ch                                                     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 30. Mai 2005

Als Fotografen wurden sie nie zu Stars. Aber die Aufnahmen der Stars, die sie fotografierten, bilden ein Archiv von unschätzbarem Wert: „Marilyn and friends“ jetzt im Photoforum.

Alle kennen die Fotos, die Marilyn Monroe zeigen, wie sie, auf einer Lüftung stehend, ihr auffliegendes, weisses Kleid zu halten sucht. Die 1955 während den Dreharbeiten zu Billy Wilders Film „Das verflixte siebte Jahr“ entstandenen Aufnahmen gehören zu unserem kollektiven Bild-Gedächtnis. Aber wer die Idee hatte für die Szene und die Fotos machte, wissen die wenigsten. In Biel ist das anders, ab jetzt. Denn das Photoforum im Centre PasquArt zeigt seit dem Wochenende eine Auswahl von Fotografien aus dem 800 000 (!) Bilder umfassenden Archiv von Sam und Larry Shaw. Sam Shaw (1913-1999) war, insbesondere in den 1950er- und 60er-Jahren Teil von Hollywood, als „special photographer“ vor allem, aber auch in vielen anderen Bereichen der Film-Industrie, so unter anderem als Berater Billy Wilders.

Niemand hat ihn indes so fasziniert wie Marilyn Monroe, die er 1952 kennen lernte, als sie noch ein „Starlet“ war und die er bis zu ihrem Tod 1962 immer wieder begleitete. Marilyn Monroe hat für viele posiert, sie liebte nichts so wie die Kamera. Dennoch sind vor allem jene Marilyn-Aufnahmen Sam Shaws, die sie nicht in einer Filmrolle zeigen, von mehr als Pose geprägt. Von jenem „Salz“, das sie zur zeitlosen Ikone der Lebenslust werden liess, jener ungefilterten Direktheit, die einem glauben lässt, Marilyn lache für einem selbst. Und dabei keinen Zweifel an der Antwort auf die Frage lässt, wer denn die Schönste sei im Lande.

Sam Shaw war nicht nur der Fotograf Marilyn Monroes, er war auch eine unangepasste Persönlichkeit. In der dunklen Aera von Senator Mc Carthy musste der Kommunist gar die USA verlassen. Einige Aufnahmen aus der Cinécitta (das europäische Hollywood der Zeit) erzählen vom Abstecher nach Europa. Doch gegen Ende der 50er-Jahre ist Shaw zurück in Kalifornien und fotografiert … Marlon Brando, Ursula Andress, Zsa Zsa Gabor, Omar Sharif, Denis Hopper, Anthony Quinn, Sean Connery, Sophia Loren und viele andere mehr. Allerdings fehlen auch einige Prominente der Zeit – Audrey Hepburn zum Beispiel. Gewisse Filmstars beanspruchten die Rechte an Aufnahmen schon damals für sich. Hollywood war in den 1950er-/60er-Jahren zwar noch fast ein Dorf, aber durchaus an der Schwelle zur gänzlichen Kommerzialisierung.

An der Seite von Sam Shaw ist nun oft sein Sohn Larry (geb. 1937). Man ist in Biel aktuell dazu verleitet, von einem Pendant zur Malerdynastie Robert zu sprechen. Denn auch bei den Shaws tritt der Sohn in die Stapfen des Vaters und selbst Spezialisten müssen sich oft vergewissern, welche Aufnahme denn nun von wem ist. Und vor allem ist es auch hier der Sohn, der das Archiv des Vaters verwaltet, unterhält und öffentlich macht.

Was zur Frage führt, wie denn die Bieler Ausstellung überhaupt zustande kam. Und mit Staunen erfährt man, dass sich wesentliche Teile des Archivs in der Nähe von Lausanne befinden, betreut von Armand Deriaz, der seinerseits aus einer Fotografendynastie stammt. Deriaz, der sich als „Amateur d’Archives“ bezeichnet, gehört ins Umfeld von Henri Favrod (früher Direktor des Musée de l’Elysee in Lausanne), dem grössten Kenner der Fotografie des 20. Jahrhunderts in der Schweiz und darüber hinaus. Und zwischen Favrod und dem Photoforum gibt es seit langem eine gute Verbindung. Die Betreuung des Archivs ist von grösster Bedeutung, denn insbesondere die Farbaufnahmen, die Sam Shaw in den 1950er-Jahren im Auftrag illustrierter Zeitschriften machte, wären ohne Restauration längst verloren. So sind denn die auf Aluminium aufgezogenen Fotos, die in Biel in mittlerer Vergrösserung präsentiert werden, allesamt durch eine „digitales Bad“ gegangen, um ihre alte Farbigkeit wiederzuerlangen.

Die Fotografien von Vater und Sohn Shaw sind von unschätzbarem, dokumentarischem Wert. Viele Aufnahmen sind für die Generation der heute 60-Jährigen wie eine Türe zu ihrer Jugend, zur Zeit als sie noch wöchentlich ins Kino gingen… für Paul Newman schwärmten oder Sophia Loren für die Schönste hielten. Eine nostalgische Ausstellung also? Sicher bis zu einem gewissen Grad. Aber die Auswahl konzentriert sich mehrheitlich auf Stars, die bis heute im Gespräch sind und deren Filme in Reprisen gezeigt werden, was sie generationenübergreifend interessant macht.

Heikler ist die Frage, ob Sam und Larry Shaw Aufnahmen bedeutsam wären, wenn sie nicht Stars zeigen würden, wenn nur die künstlerische Qualität der Fotografien zählte. Die Intimität, die menschliche Nähe der besten Fotografien von Sam Shaw ist im Kontext der 1950er-Jahre zweifellos ausserordentlich. Konkret: die Marilyn-Aufnahmen brauchen die Marilyn nicht zwingend. Das gilt für die Aufnahmen von Larry Shaw nicht ganz im selben Mass – da ist der letzte Rest an Distanz oft nicht aufgelöst, auch wenn die Bilder von Woody Allen die Ausstellung köstlich auflockern und die hochformatige Farbaufnahme von Liz Taylor und Eddie Fisher (1961) mit zu den besten der Ausstellung gehört.

Die Ausstellung „Marilyn and friends“ im Photoforum dauert bis zum 31. Juli. Sie ist von einem Katalog begleitet.