Treffpunkt in der Bieler Unterstadt: Das „Lokal“ ist Fokus der alternativen Bieler Kunstszene Bieler Tagblatt 23_11_2006

Kunst heisse über Kunst diskutieren, sagt Chri Frautschi, und sagt damit, warum er seit 11/2 Jahren zusammen mit Enrique Munoz das „Lokal“ betreibt.

 azw. Die etablierte Kunst sei ihm weitgehend fremd, sagt der Bieler Maler Chri Frautschi, Kunst habe mit Leben zu tun und im experimentellen Umgang mit Gestaltung komme dies zum Ausdruck. Darum sei es wichtig, so Frautschi, dass es in Biel eine Ort gebe, wo solche Experimente öffentlich werden und  diskutiert werden. Denn ohne Nährboden sei eine Kunstszene tot. Das war im Frühjahr 2005 die Motivation, das „Lokal“ an der Untergasse 39 zu gründen und ist heute noch die Triebfeder. Das „Lokal“ ist klein und auch wenn es im Namen noch ein kleines „int“ (wie international) aufweist, ist das „Lokal“ eine lokale Geschichte. Eine mit Bieler Dynamik. Während der Saison „jagen“ sich hier die „Ausstellungen“ –  die visuellen Versuchsanordnungen – und Klein-Events im 14-Tage-Rhythmus. Noch bis und mit morgen Freitag fallen Monika Stalders Sterne in den „Lokal“-Garten („Les étoiles tombent dans mon jardin“). Es sind kleine und grössere Falt-Körper aus schwarzem Papier oder auch nur entsprechende Zeichen an der Wand, auf dem Glas, in der Vitrine, die da purzeln und  bis hin zum Zwerg-Gartenzaun in den  schwarzen Wirbeln des Erdbodens versinken. Monika Stalder (geb. 1981) ist Absolventin der Schule für Gestaltung in Biel und eben daran, sich in die Kunstszene zu infiltrieren. Ihr folgt ab Donnerstag, 30. November die Installation „Charleroi“ des Fotografen Andreas Tschersich (geb. 1971). Auch er ist Absolvent der Schule für Gestaltung in Biel, aber schon 10 Jahre weiter in seiner Karriere. Er nutzt das „Lokal“, um sich seiner Vision des 1:1 anzunähern. Das heisst, er macht eine ganze Wand zu einer einzigen Fotografie, auf dass die Betrachtenden förmlich das Gefühl haben, nicht in Biel, sondern in der abgetakelten Industriestadt Charleroi in Belgien zu sein. Schon nach dem 8. Dezember ist auch diese „Lokal“-Intervention schon wieder Geschichte, denn vom 14. bis 22. Dezember findet der von Chri Frautschi mit Pat Noser und Monsignore Dies für den „Joli mois de mai“ 2005 entwickelte „Kunstkonsum“ seine Fortsetzung im „Lokal“. Die „Versupermarktung“ von Kunst – jedes Stück, ob von Urs Dickerhof, Le kou Meyr oder Afra Häni, wird in transparenter Plastiktüte angeboten – ist  einerseits ein ganz gewöhnlicher Weihnachtsmarkt; schliesslich muss auch das nicht subventionierte „Lokal“ die Miete mit Geld bezahlen. Zugleich ist  der „Kunstkonsum“, der ebenso das Wort Konsumieren beinhaltet wie den sozialistischen Namen von Coop in den 1950er-Jahren, durch die Inszenierung seiner selbt auch ein ironisches Event. Und nicht zuletzt ein Seitenhieb auf den Kunst-Markt, wo Top-Shots Höchstpreise erzielen, der aber mit Kunst als Lebensentwurf in einer Stadt wie Biel kaum etwas zu tun hat.

Dass es offenbar für Chri Frautschi kein Problem ist, immer neue Künstlerinnen und Künstler zu finden, die Lust auf „Lokal“ haben, zeigt, dass Off-Spaces – wie man auch andernorts vergleichbare Kunst-(Un)orte nennt – einem Bedürfnis entsprechen, dass Lust besteht, sich dafür zu engagieren. Kriterium sei für ihn, dass das „Lokal“ nicht als Galerie verstanden werde, sondern als Plattform, um Ideen auszuprobieren, über die zu diskutieren so wichtig sei wie das Produkt an sich, sagt Frautschi. Die Öffnungszeiten entsprechend denn auch folgerichtig Stammtisch-Zeiten, nämlich Donnerstag und Freitag von 19 bis 23.30 Uhr.

Das „Lokal“ ist auch Präsentations-Standort der „Edition Fasting Plockare“, die Chri Frautschi seit Frühling 2005 herausgibt. Das sind monatlich erscheinende kleine Booklets – auch mal eine CD, ein Faltblatt oder eine Spiekonsole (aus Papier!) – die im Abonnementssystem vertrieben werden. Erstaunliche 107 Abonnenten zählt die Idee im Moment, bei einem Jahresbeitrag von 120 Franken. „Im Frühjahr wird’s dann ‚heiss’, wenn es um die Erneuerung des Abonnements geht“, meint Frautschi, sich insgesamt aber über den bisherigen Erfolg des alternativen Kunstverteil-Systems freuend.

www.lokal-int.ch

www.edition-fasting-plockare.ch