Die Edition5 im Centre PasquArt in Biel 2006

Gefässe für den geistigen Gebrauch

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 21. Januar  2006

Ruth und Jürg Nyffeler geben seit 1994 Multiples in kleiner Auflage heraus. Als Instrument für ihre Kunstsammlung. Jetzt sind die 98 Objekte der „Edition5“ im CentrePasquArt in Biel zu sehen.

Vor zwei Jahren startete das Centre PasquArt die Reihe „Nouvelles Collections“. Darin werden im Aufbau begriffene Kunstsammlungen vorgestellt. Waren 2004 Ausschnitte aus den Sammlungen von Jobst&Jasmine Wagner, Alexander Jolles und Sabine&Andreas Tschopp-Hahnloser zu sehen, ist es jetzt die „Edition 5“ von Ruth und Jürg Nyffeler aus Erstfeld.

Sie sind beide schon lange vom Virus „Kunst“ befallen. Das Leben in und mit Bildern ist ihre Leidenschaft. Eines Tages wurde ihnen jedoch bewusst, dass das Faszinierende nicht eigentlich die fertigen Werke sind, sondern der Austausch mit den Kunstschaffenden, das Anteilnehmen am Enstehungsprozess von Kunst. Das führte sie zur Gründung der „Edition 5“, die seit 1994 Multiples in 5er-Auflage herausgibt. Das klingt nach einem kommerziellen Unternehmen. Betrachtet man die „Geschäftspraxis“, ist es das aber nur sehr bedingt. Denn die Wahl der Künstler und Künstlerinnen, so betonen die beiden, erfolge ausschliesslich nach persönlichen Kriterien. Diese wiederum sind ein Spiegel des Lebens von Ruth und Jürg Nyffeler. Wem sind sie wo und wann begegnet, bei einem Essen, an einer Vernissage, auf Reisen, bei Freunden, in Ateliers usw. Persönliche Kontakte stehen im Zentrum. Die lange Vitrine im 2. Stock des Museums PasquArt erzählt davon anhand von Briefen, Ideenskizzen, Entwürfen und anderem mehr.

Das Ziel der Edition 5 ist somit eine Art Balance zwischen dem Äufnen einer Kunstsammlung und der Produktion von Kunstobjekten zu erschwinglichen Preisen. Die Kosten für die Fabrikation übernimmt die Edition 5, welche stets die Nr. 1 selbst käuflich erwirbt. Diese Stücke bilden jetzt die Ausstellung im CentrePasquArt. Die übrigen vier sind, zum Beispiel im Internet, ausgeschrieben oder sie sind Bestandteil von Ausstellungen der jeweiligen Kunstschaffenden.

Angefangen hat alles mit dem Luzerner Maler Franz Wanner. Er schuf 1994 für die Edition 5 eine „Büchse der Pandora“, zwei mit grauem Steinmehl überzogene Holzkuben, die eine Lichtfläche aus gelbem Pigment einschliessen. „Franz Wanner will nicht Bekanntes darstellen, er will nicht illustrieren – vielmehr will er Raum schaffen, Fragen, Gedanken und Ideen zu einem Ort verhelfen“ schreibt Jürg Nyffeler im Begleittext dazu. Die Beschreibung illustriert die Stossrichtung, die hinter dem Unternehmen steht. Es geht nicht um hübsche (Lifestyle)-Objekte, sondern um „Gefässe für den geistigen Gebrauch“, wie es in den Leitlinien heisst. Damit verraten Ruth und Jürg Nyffeler indirekt ihren Prägung durch die in den 1970er- und 80er-Jahren ausgesprochen „gedankenschwangere“ Kunst in der Innerschweiz, die damals national den Ton angab.

Längst ist die Edition 5 aber keine Innerschweizer Kollektion mehr. Die Ausstellung zeigt es. Da sind ebenso Werke von Aldo Walker wie von Roman Signer und René Zäch. Ebenso von Muda Mathis wie von Renée Levi oder Relax. Ebenso von John Armleder wie von Valentin Carron oder Emanuelle Antille. Die Aufzählung zeigt, wie sehr die beiden in die anerkannte Schweizer Kunstszene integriert sind. Nur wenige Namen, die Insidern kein Begriff sind. So sehr fast, dass man sich auf Unbekanntes stürzt, vor allem dann, wenn es so unter die Haut geht wie die mit Tschadors über-malten Vogue-Models des Iraners Shahram Entekhabi oder die zwischen Schmuck und Zeichnung interagierenden „Halsketten“ von Ulrike Nattermüller.

Für die Ausstellungsbesucher sind die 98 Arbeiten ein Potpourri von Ideen, Materialien und Umsetzungen, denen eigentlich nur ihr Dasein als dreidimensio-nales, kleinformatiges Objekt gemeinsam ist. Ob sie schon mal nach dem „roten Faden“ gesucht haben, fragen wir die beiden hauptberuflich als Primarlehrer Tätigen. Nicht eigentlich, antworten sie, es gebe so vieles, das spannend sei. Jürg Nyffeler ergänzt, vielleicht sei es wie in ihrem Beruf; als Primarlehrer sei man auch „Zehnkämpfer“.

Auffallend, mehr noch, Charakter gebend, ist die professionelle Herstellung aller Multiples. Da gibt es keine „geschusterten“ Dinge, nichts, das wohl schon bald wieder auseinander fällt. Da wird ersichtlich, dass es bei der Edition 5 nicht nur um die Sammlung Nyffeler geht – die übrigens auch Malerei in grosser Zahl umfasst, aber das ist anderes Kapitel – sondern um ein Unternehmen mit Verantwortung. Und vermutlich ist es gerade diese Sorgfalt in jeder Hinsicht, welche die angefragten Künstler und Künstlerinnen fast ausnahmslos dazu bewegt, Objekte zu entwerfen und in Zusammenarbeit mit dem Sammlerpaar umzusetzen.