Eros ist wenn die Schmetterlinge fliegen
Eros II in der Fondation Beyeler in Riehen. Bis 18. Feb. 2007
Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung vom 6. Oktober 2006
Auch „Eros II“ in der Fondation Beyeler in Riehen ist eine Liebeshymne an den weiblichen Körper; mit wenigen poetischen Ausnahmen, ein paar Männerakten und vereinzelt kritischen Positionen.
August Renoir legte 1902 seine „Badende“ in atmosphärisches Gartengrün, heiter und unbeschwert. 1910 machte Egon Schiele seine „Liegende“ ohne wenn und aber zum Objekt sexueller Begierde. 1969 fotografierte sich Valie Export mit offener „Aktionshose“ und einem Gewehr gegen „Gentialpanik“. Das ist das Spektrum, das die Fondation Beyeler ab heute im gross angelegten zweiten Teil seines Eros-Zyklus bietet. Bestimmend sind freilich Werke der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Zeit als die Künstler dem weiblichen Akt ohne feministische Gegenwehr mit Lust und Leidenschaft frönten, ihn in Farbe tauchten, surreal verwandelten, fragmentierten und vielbusig wieder zusammensetzten; durchaus mit erotischer Wirkung.
Die Ausstellung ist ein mit vielen malerischen, auch fotografischen, plastischen und filmischen, Highlights gespicktes Panoptikum. Es wird in chronologischem Aufbau ausgebreitet, was viele Künstler und ein paar Künstlerinnen im klassischen Kunstgeschichte-Umfeld Europas und Amerikas zum Thema geschaffen haben. Eine kritische Begleitung oder eine globale Ausweitung wagen die Basler Kuratoren auch im zweiten Teil des Eros-Zyklus nicht, das ist schade. Immerhin ist anzunehmen, dass die Wiener Mit-Kuratorin – die Ausstellung wird 2007 im BA-CA Kunstforum in Wien gezeigt – dafür gesorgt hat, dass der Gender-Aspekt nicht ganz ausgeklammert wurde und der Sinnes-Kitzel der Ausstellung – sei es bei Arnulf Rainer, Rosmarie Trockel oder Marlène Dumas – zumindest in Ansätzen etwas unbequem wird.
Immanent ist der Blickwinkel der Geschlechter indes sowieso – denn während sich der Mann – vielleicht – mit besonderer Lust an Hans Bellmers „Puppen“ verlustiert, freut sich die Frau möglicherweise über Emil Noldes Trick, sein Aktmodell als „tolles Weib“ darzustellen und ihr, wenigstens so, sprühende Eigen-Erotik zuzugestehen. Generell bleibt es beim Du-Blick des Mannes auf die Frau und dem „Ich-Blick“ der Frau auf ihr gleichgeschlechtliches Gegenüber. Mit den offenbar bewusst gesuchten Ausnahmen von Paardarstellungen – die allegorischen „Liebkosungen“ von Fernand Khnopff von 1896 zum Beispiel.
Ein Besuch der Ausstellung ist ein Genuss, dennoch ist sie zu brav, wagt sich zu wenig an heikle Themen wie zum Beispiel Homosexualität – etwa mit Fotos von Mapplethorpe. Auch weist sie einige unverständliche Lücken auf. Warum ist Balthus, der erotischste Zeichner aller Zeiten, nur mit einem einzigen Werk vertreten, warum fehlt der Plastiker Robert Müller, dessen ganzes Werk Erotik ist, warum fehlen die prickelnden Fühlkörper Maria Lassnigs aus den 1960er-Jahren?
Vielleicht gerade weil das Mass an Weiblich-Figürlichem an der oberen Grenze ist, sind die breiten Raum einnehmenden Arbeiten von Rebecca Horn besonders lustvoll anzuschauen. Der heute 62-jährigen deutschen Künstlerin gelingt es nicht nur in faszinierender Weise, ohne abbildende Körperlichkeit knisternde Erotik zu evozieren, sondern vermutlich auch Mann und Frau gleichermassen zu verlocken. Etwa im „Kuss des Rhinozeros“ von 1989, einer raumgreifenden Stahl-Plastik, die – durch einen Sensor ausgelöst – in grossem Bogen zwei „Hörner“ zusammenführt und bei deren unsichtbaren Vereinigung Funken sprühen lässt. Oder dem eisernen „Bett der Liebhaber“, deren erotische Nächte durch bewegliche Schmetterlinge poetisch in Erinnerung gerufen werden.
Dass Frauen Körperlichkeit indes nicht scheuen, zeigt der – bei jeder Begegnung genüsslich provozierende –- „Pickelporno“ von Pipilotti Rist , der als selbstbewusstes, erotisches Statement einer jüngeren Frauen-Generation einen Akzent setzt. Gleichzeitig wie man feststellt, dass das Thema für jüngere Männer offenbar eher problematisch ist. Der eine Muschel und eine Königspython vor Sternenhimmel zusammenbringende Inkjet-Print von Serge Hasenböhler von 2006 reicht da jedenfalls nicht.