Künstlerinnen 1970er-Jahre bis heute migros museum Zürich 2006

It is time for action

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez Aargauer Zeitung September 2006

Wie viele haben es wohl im Original gesehen – das „Lachsfarbene Boudoir“, das die junge Manon 1974 in der Galerie Li Tobler in Zürich zeigte? Mit Sicherheit wenige. Und von den wenigen fanden viele die Idee der Künstlerin, ihr erotisch aufgeladenes Schlafzimmer als Kunstaktion in eine Galerie überzuführen, zumindest eine Provokation und ganz sicher keine Kunst. Jetzt hat die in Zürich lebende Künstlerin das Boudoir für die Ausstellung „It’s time for action“ im migrosmuseum in Zürich rekonstruiert.

Naheliegend, dass es eher eine atmosphärische, denn eine exakte Nachbildung ist, denn es war ja ihr persönliches Schlafzimmer, das sie damals in den Kunstkontext transferierte. Es war die Ausstellung „transformer“ (Geschlechter im Wandel) in Luzern (1974), die Männer als Frauen, aber kaum Künstlerinnen zeigte, die sie realisieren liess: „It’s time for action“, Zeit, das Weibliche selbst zu inszenieren. Das „Lachsfarbene Boudoir“ ist eines der Highlights der von migrosmuseums-Direktorin Heike Munder kuratierten Ausstellung im Löwenbräu. Schade nur, dass Manon die provokativen phallischen Accessoires von 1974 nicht in die Version 2006 integrierte.

Seit rund 11/2 Jahren sei sie laufend am Suchen von alten Dokumenten und Fotografien aus den 1970er-Jahren, sagt die Amerikanerin Mary Beth Edelson, mit Jahrgang 1933 eine der „Mütter“ feministischer Kunst. Das zeigt das in den USA wie in Europa erwachte Interesse an einer bisher nicht aufgearbeiteten, zeitweise mundtot gemachten Epoche. Edelson präzisiert indes: „Es gibt nicht einen Feminismus, nur Feminismen; 100 Frauen, das sind 100 Meinungen.“ Ihre Collagen – unter anderem eine Abendmahl-Reproduktion mit aufgeklebten Frauenköpfen (1972) – und ihre als fotografische Überarbeitungen gezeigten Performances zählen zum handlungs-orientierten, politisch-sozialen Flügel des Feminismus der ersten Stunde.

„It’s Time for Action (There is no Option) About Feminism“ heisst der volle Titel der Ausstellung in Zürich. Konzept ist somit nicht eine Übersicht, sondern eine Gruppierung feministischer Positionen, die sich durch Aktion auszeichnen. „Ich wollte Arbeiten von Frauen zusammenbringen, die bis heute eine bewusste Frauenposition leben und zeigen“, sagt Heike Munder. Das sei umso wichtiger als zur Zeit eine gewisse Ratlosigkeit bezüglich des Standortes „Frau“ herrsche. Das heisst für die Ausstellung, dass die klassischen Opfer- und Selbstgeisselungsthemen des frühen Feminismus kein Thema sind. Im Zentrum stehen vielmehr gesellschaftsorientierte Collagen, Dokumente, Fotografien, Videos, Installationen von Künstlerinnen mehrer Generationen, von Katharina Sieverding (geb. 1944) ebenso wie von Pipilotti Rist (geb. 1962), von Yoko Ono (geb. 1933) ebenso wie von Patty Chang (geb. 1972).

Typisch für Munders Konzept sind zum Beispiel die „Selected Actions“ von 1973 bis 2002 von Cosey Fanni Tutti (geb. 1951). Die Engländerin zäumte das Pferd beim Schwanz auf, das heisst sie integrierte sich in einer Art Rollenspiel als Pin-up-Girl in die Sexindustrie. Daraufhin erklärte sie die in Männermagazinen abgedruckten Fotos zur Kunst, zeigte sie in entsprechenden Kontexten, oft verbunden mit sexuell an die Grenzen gehenden Performances, und setzte sich und ihre Arbeit damit der Diskussion aus. Interessant ist, dass sie damit sowohl bei den Männern wie bei den Feministinnen der Zeit auf Ablehnung stiess, während Munder (geb. 1972) heute den sowohl gesellschaftlichen wie konzeptuellen Impakt der Aktionen bewundert.

Zu den ausserordentlichen Arbeiten der Ausstellung gehört die Rekonstruktion des Projektes, das Katharina Sieverding 1974 für „transformer“ realisierte. Es ist eine 8-teilige Diaprojektion, die ihr Gesicht und dasjenige ihres Lebenspartners als schillernde Überblendung in monumentaler Direktheit zeigt. „So gross konnte ich es damals gar nicht zeigen“, sagte sie dieser Tage in Zürich. Sieverding, die ihr Selbstbildnis bis heute oft als Plattform nutzt, zählt sich zum sogenannt „integrativen Feminismus“, das heisst sie nimmt mit sich selbst im Bild pointiert und politisch Stellung. Gleichzeitig ist sie eine Pionierin, was Fotografie als künstlerisches Medium anbetrifft.

Zu sehen sind auch mit technischen Fehlern als Metapher arbeitende, frühe Videos von Pipilotti Rist („Entlastungen“, 1988), das bekannte Video von Patty Chang, das die Amerikanerin zeigt, wie sie aus ihrer Brust (einer versteckten Melone) löffelt und dabei von ihrer an Brustkrebs erkrankten Mutter erzählt sowie das fotografische „Bosom Ballet“ (1984/91) von Annie Sprinkle (USA). Ferner das Video „Walking on Thin Ice“ von Yoko Ono und die Postkarten-Arbeit „Women to Go“ von Mathilde ter Heijne.