Schwarzes Haus II: Buch zu Rudolf Blättlers Installation in Luzern 2004

Skulptur in der Dunkelheit –

www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Mittellandzeitung vom 16. Januar 2006

 

Rudolf Blättler gehört zum „Urgestein“ der Schweizer Skulptur. Doch während andere in der Versenkung verharren, wird sein eigenwilliges, figürliches, mystisches Werk mehr und mehr diskutiert und publiziert. 2000 erschien „Mann und Weib“, eine hervorragende fotografische Annäherung an seine bronzenen Ur-Figuren. Zur Retrospektive von 2004 im Kunstmuseum Luzern wurde der Buchkatalog „Ubinas“ publiziert, der allerdings weder in der Bildwahl noch bezüglich Gestaltung und Interpretation ganz befriedigte.

Nun ist in der Reihe „Unikate“ des Verlags Walther König „Rudolf Blättler Schwarzes Haus II“ erschienen, eine überaus erhellende Publikation zur beeindruckenden Raum-Installation gleichen Namens, die 2004 im Anschluss an die Retrospektive im Kunstmuseum Luzern zu sehen war. Überzeugend ist, dass die fünf Texte von Peter Fischer, Barbara Basting, Daniele Marques, Bernhard Bischoff und Sibylle Omlin je ganz eigene Wege zu Blättlers „Erfahrungs-Skulptur“ formulieren.

Fischer vergleicht das Schwarze Haus I von 1981 mit dem hinsichtlich Konzept ähnlichen von 2004. „1981 reduzierte er das Oberlicht mittels Folien, 2004 unterwirft er auch die Lichtführung seiner absoluten Kontrolle.“ Basting situiert die „unsichtbare Skulptur“ als Teil der „Erfahrungsarchitekturen“ wie sie sich in den letzten 30 Jahren von Naumann über Turell bis zu „Gelatin“ entwickelt haben. Blättlers Haus sieht sie darin als Weiterführung des klassischen Skulpturbegriffs.

Diesem materiellen Aspekt ist ein grosser Teil des Bildmaterials gewidmet: „Filmisch“ abfolgende Video-Stills von Marie-Theres Amici, welche die skulpturale Bearbeitung der Styropor-Kuben im Atelier zu einer doppelhügeligen Sinnes-Landschaft und deren Überführung ins Museum respektive deren Abtauchen ins Dunkel zeigen; eindrücklich. Mit seinem persönlichen Erfahrungsbericht verwandelt Bischoff die fotografische Materialisation wieder in ihre platonische Idee zurück: „Nach 10 Minuten im Dunkel begann die Figur zu pulsieren … ich sah eine Vulva, die sich zusammenzog und weitete … ich sah einen Vulkan. Ich verlor das Zeitgefühl … wollte sprechen und war sprachlos.“ Der Text von Marques – eine Architektin – besticht durch die Präzision der Wahrnehmungsschritte, Omlins Essay durch die Umwertung von Sehen in Hören. Ein Minus ist hingegen, dass die Raumerfahrung des Schwarz an sich, die Dauer des Schwarz, das Warten im Schwarz keine adäquate Bild-Präsenz hat. Die Erfahrung im „Schwarzen Haus II“ wird zwar erhellt, aber das Erlebnis bleibt Privileg jener, die das Unsichtbare seinerzeit „gesehen“ haben.

„Rudolf Blättler Mann und Weib“, Benteli-Verlag 2000, 38 Franken. „Rudolf Blättler Ubinas“, Kunstmuseum Luzern, 45 Franken. „Rudolf Blättler Schwarzes Haus II“, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln (auch englisch), 36 Franken. Gestaltung aller drei Publikationen: Stefan Banz.