susanne muller im Sommeratelier Baden (Juli 2006)

Die mit der Kamera tanzt

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Mittelland Zeitung 18. Juli 2006

Wie und warum die Videokünstlerin susanne muller aus Prêles den Kunstraum Baden demnächst unter Wasser setzt.

Sie liebt moderne Architektur, geheimnisvolle Bilder und verrückte Ideen: Die 1953 in Baden geborene, heute in Prêles und Berlin wohnhafte Video- und Installations-künstlerin susanne muller. Wen wundert es da, dass sie vor drei Jahren 52 Tonnen Sand ins Centre PasquArt in Biel blasen liess, um eine Wüste zu schaffen, 2004 mit einer Videokamera den Rheinfall hinuntersauste, um nie gesehene Bilder zu generieren, und seit 2002 alle 10 Minuten das Bahnhof-Parkhaus in Biel videastisch „dekonstruiert“ (Kunst am Bau). Entsprechend ist auch ihr Projekt für das Sommeratelier Baden 2006: Den Kunstraum „unter Wasser“ setzen. susanne muller ist immer für eine Überraschung gut, Tricks inklusive und die Mitarbeit von ein oder mehreren Helfern (Informatikern, Architekten, Ingenieuren) ebenso.

Trotzdem ist susanne muller mehr ein Geheimtipp denn eine bekannte Schweizer Künstlerin. Egomanes Karrieredenken interessierte sie nie und wenn es um das Auswerten von Erfolgen ging war sie längst über alle Berge, vielleicht gerade in Südkorea, wo sie seit Jahren am Festival „Nine Dragon Heads“ auftritt. Doch da ist noch etwas anderes: susanne muller ist eine Teamworkerin, animiert lieber andere, mit ihr zu „fliegen“ als allein über einer Idee zu brüten. Vielleicht eine Folge davon, dass sie als Mittlere einer Drillingsgeburt das Miteinander in die Wiege gelegt bekam. Das kollektive Moment spiegelt sich auch in ihrem kulturpolitischen Engage-ment. susanne muller war längere Zeit im Vorstand der Schweizer Künstlergesell-schaft visarte, hat die Gründung des neuen Centre PasquArt in Biel als Vize-präsidentin der Stiftung und Baudelegierte mitgetragen, das Berner Aeschlimann-Corti-Stipendium präsidiert und vieles anderes mehr. 

Ursprünglich hiess sie der Vater – der Hydrauliker Robert Müller war ab 1957 verantwortlich für die 2. Juragewässer-Korrektion – einen seriösen Beruf erlernen, obwohl sie längst wusste, dass sie Künstlerin werden wollte. Die Lehre als Hochbauzeichnerin sei für sie ein eminent wichtiger Einstieg gewesen, sagt sie rückblickend, denn da fusse ihr Verständnis für Architektur, ihr Weg zur Integration künstlerischer Ideen in statisches und funktionelles Denken. Entsprechend oft arbeitet sie mit Architektenteams zusammen – noch heute ist sie traurig, dass die „grossartige“ Idee für den Bahnhofplatz in Bern den Wettbewerb nicht gewann. Ihr Credo ist dabei stets: „Schaut doch einmal anders“. Das gilt auch für ihre Arbeit mit der Kamera, die sie seit 1998 unablässig begleitet.

„Video wurde für mich dann interessant, als die Technik so weit fortgeschritten war, dass wir (wir meint sie selbst und ihren Partner Fred Lüdi) die Bearbeitung selbst am Labtop vornehmen konnten. Typisch ist im Kontext ist die erste Installation, die sie im Kunstraum Baden realisierte: Sie stieg hinter einem ersten Vorhang ins Kinderbad und spielte mit dem Wasser, was dank Kamera und Beamer voyeuristisch verfolgt werden konnte. Gleichzeitig schubste sie ihre (verpackte) Kamera im Wasser herum, auf dass sie die Szene aus dem Wasserwinkel aufnehme und an einen zweiten Beamer zuhanden einer zweiten Projektionsfläche weitergebe. Sehen, filmen und das Gefilmte dem sicheren Blick wieder entziehen – das ist es, was die Künstlerin will. 

Im Sommeratelier-Finale steht Stufe eins im Vordergrund – allerdings nicht 1:1. Baden ist für sie Wasser, ist Fluss, ist fliessen, ist baden. So reiht sie über sieben Beamer Wasser an Wasser, Fluss an Fluss – sei es der River Han in Korea, die Gigathlon-Schwimmer im Bielersee, die Wellen des Atlantik. Die sieben auf den Boden projizierten und über Verspiegelung monumentalisierten Videos sind als Komposition aufeinander abgestimmt. Für den Zuschauer auf dem Ufersteg ergibt sich so geradezu ein Wasserballett. Allerdings, so schränkt die Künstlerin ein, in der kurzen Zeit sei Perfektion nicht zu erreichen, aber Kunst sei eh ein ständiger Prozess.