Flavio Paolucci bei Silvia Steiner in Biel 2007

Macht die Natur zur Musik der Kunst

Seit 1982 kommt Flavio Paolucci  mit seiner Kunst zu Silvia Steiner an der Seevorstadt in Biel. Aktuell läuft seine 8. Ausstellung.

2008 werden es 50 Jahre her sein, dass Flavio Paolucci (geb. 1934) seine erste Ausstellung einrichtete. 24 Jahre alt war der Absolvent der „Brera“ in Mailand damals und noch dem Figürlichen verpflichtet. In den 1960ern spielt er dann, den Strömungen in der Kunst entsprechend, mit Informel und Pop Art – auf einen schwarzer Pyramidensockel stellt er eine schwarze Schreibmaschine, zum Beispiel. Einige Jahre später besinnt er sich – auch das nicht untypisch für die Zeit – zurück auf seine Herkunft aus dem Bleniotal und vermischt sie mit den prägenden Eindrücken, die er 1964/65 in der Wüste Marokkos erfuhr. Naturelemente wie Äste und Blätter, aber auch Zeichen wie Blitze, Sonne und Mond und nicht zuletzt figürliche Silhouetten bestimmen fortan sein künstlerisches Schaffen. Reduziert auf einfache, prägende Formen, auf wenige konzentrierte „Klänge“ wird er zum Meister des Stillen und gleichwohl Reichen; ein Lyriker unter den Künstlern.

Das ist bis heute und ohne Verlust an Intensität so geblieben. Video-, Event- und Lifestylekunst zum Trotz arbeitet Paolucci weiter an seinen, die Geschwindigkeit unser Zeit kontrastierenden Werken. Was sich einst als  westlicher Ausdruck einer zu fernöstlicher Spiritualität tendierenden Zeit formte, wirkt heute wie ein „verbotener“ Kristall, wie Fundstücke aus einer Epoche als man noch an den Menschen und an die Natur glauben durfte.

Neben der inhaltlichen Kontinuität im Werk Flavio Paoluccis gibt es auch materielle Konstanten. Denn da ist die Kiste, die jährlich aus dem fernen Osten eintrifft und den Künstler mit neuem Nepal-Papier – mit kleinsten Einsprengseln durchsetztes Natur-Papier – versorgt. Darum sind praktisch alle Werke aus diesem Papier gemacht – sei es, dass es als Trägerfläche für minimale Objekte dient oder zum Umwickeln von Bambus, zum Beispiel, verwendet wird. Oft schneidet der Künstler auch freie Formen aus dem Papier, bemalt sie, arragniert sie zu fragilen Balancen und klebt sie zu Collagen.

Immer schon gab es im Werk Paoluccis einen Trend zum Raum – eigentlich sind alle seine bilder Objekte, ob sie nun flach oder reliefert sind. Die Dreidimensionalität ist immer mitgedacht. Und seit jeher wird sie auch gelegentlich zur Skulptur oder zur Installation. Gerade in den letzten Jahren hat Flavio Paolucci vermehrt an Skulpturen gearbeitet, die fragilen Natur-Zeichen in Bronze gegossen, als wollte er sie vor dem Zerfall bewahren. Dabei blitzt auch immer wieder Humor durch – zum Beispiel in „La parabolica della natura“, das Hören der Natur in den Raum mit den Mitteln uns vertrauter Technik.

Flavio Paolucci gehört zu den wenigen Tessiner Künstlern, die sich früh in der Deutschschweiz zhu etablieren vermochten, hier an wichtigen Ausstellungen beteiligt waren – erwähnt seien unter anderem die beiden Museumspräsentationen in Olten, 1984 und 2000. Paolucci hat aber auch das Glück, seit langen Jahren von Silvia Steiner und anderen Deutschschweizer Galerien sowie dem Studio Dabbeni in Lugano vertreten zu werden und so, via Art Basel zum Beispiel, international wahrgenommen zu werden.