Form und Farbe im Widerspruch

Irene Schubiger c/o suti galerie & edition in Bern. Bis 11.02.2007

Erstmals zeigt Irene Schubiger (58) bei c/o suti galerie & edition in Bern ihre mate-rial-, farb- und formbetonten Skulpturen in Kombination mit grossformatigen Inkjet-Prints von kleinformatigen Modellen und ergänzt das Skulpturale mit Blöcken von Farb- und Bleistiftskizzen.

 „Bei den meisten Arbeiten ist die Oberfläche so beschaffen, dass sie den vorherrschenden Formcharakter nicht unterstützt, sondern ihm in vielen Fällen regelrecht widerspricht“, schreibt Ulrich Loock im Buchkatalog „Luftschlösser“ (2002) zum Werk der Berner Künstlerin Irene Schubiger. Er trifft im Wort „Widerspruch“ den Kern ihres plastischen, zeichnerischen und neuerdings auch fotografischen Schaffens. Die betont hand-modellierten Formen verweigern das Diktat des rechten Winkels, obgleich sie behaupten, Rechteck, Kreis oder Kubus, Tisch oder Regal zu sein. Die optische Nähe zum „Trash“ wird vom aufwändigen Arbeitsprozess von der Skizze zum Sagex-Modell, zum Silikon-Negativ und weiter zum Gips- oder Polyurethan-Positiv widerlegt. Und die mal wächsern beschichtete, mal porös gegossene oder auch gummi-beschichtete Oberfläche stellt sich quer zum architektur- respektive gegenstandsnahen Formen-Vokabular. Noch weiter treibt die Künstlerin den Widerspruch in der neuen Kombination von Skulptur und Fotografie, indem sie reale und erinnerte Haptik kombiniert und die Grössenverhältnisse aus dem Gleichgewicht wirft.

Steht man im Hauptraum der aktuellen Ausstellung zum Beispiel gleichzeitig vor dem sattroten, unregelmässig-radförmigen Polyurethan-Relief (Ø 90 cm x 15 cm) mit den zwei leicht unangepassten Horizontalbalken und dem Inkjet-Print (Blattgrösse 144 x 126 cm) eines fotografisch „eingesunkenen“ gips-bestrichenen Wellkartons (im Original ca. 18 x 18 cm), führt die Summe der Widersprüche zu einer unauflösbaren Irritation von „ist und ist nicht“. Was Irene Schubiger bei ihrer durch und durch intuitiven Vorgehensweise lenkt, ist an der Basis das Erlebnis wie sich beim schnellen und repetitiven Skizzieren mit Bleistift, Kugelschreiber oder Aquarellfarbe auf Papier plötzlich das „Wissen“ um eine gefundene Form einstellt. Diesem sich aus vielen Unexaktheiten spontan bündelnden Moment versucht die Künstlerin in der Folge dreidimensional Gestalt zu geben ohne dabei das unmittelbar Kreative zu verlieren. Nicht das Gebaute interessiert sie, sondern der farbige Prozess des Form Annehmens und des dabei erlebten taktilen Gefühls. Das „Trashige“ ihrer Arbeiten ist somit das eigene Gegenteil, nicht das Weggeworfene, sondern das Werdende, wobei in der Praxis der Atelier-Arbeit das eine durchaus das andere simulieren kann.

Die mehrfach in der Kunsthalle Bern (kürzlich auch im Kunsthaus Langenthal) gezeigten Arbeiten Irene Schubigers haben in den letzten Jahren an Form-Deutlichkeit zugelegt, sowohl bezüglich architektonischer Referenzen wie bezüglich Gegenstands-Verwandtschaften. Die Tendenz zum Design wird jedoch durch die freiere Verwendung von (Kunststoff)-Materialien, Beschichtungen (Wachs, Gummi etc.) und dem Einbezug von Fotografie konterkariert. Die Künstlerin, die parallel zu ihrer künstlerischen Tätigkeit angehende KeramikerInnen in dreidimensionalem Gestalten unterrichtet, nähert sich so auf dem ihr eigenen Weg skulpturalen Recherchen junger Kunstschaffender. Das mag mit ein Grund dafür sein, dass sie im Dezember 2006 anlässlich der Glarner Jahresausstellung den Fokus-Kunstpreis zugesprochen erhielt und 2008 in ihrem Heimatkanton ausstellen wird.