Martin Disler Aargauer Kunsthaus 2007

Erste Übersichtsausstellung

www.annelisezwez.ch                                               Annelise Zwez in Kunstbulletin März 2007

Sie liess lange auf sich warten, die erste Übersichtsausstellung zu Martin Disler nach seinem Tod 1996. Viel wurde gemunkelt, jetzt ist sie da, begleitet von einer wissenschaftlichen Monographie, herausgegeben vom Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft.

Wird sie den zu Zeiten der „Neuen Wilden“ Gefeierten zurück ins Gespräch und vor allem zurück in den Kunstmarkt bringen? Bereits im Vorfeld der aktuellen Ausstellung  wurden die Preise seitens der Witwe des Künstlers, der dänischen Malerin Irene Grundel, deutlich nach oben korrigiert.

Das Aargauer Kunsthaus versucht das ebenso existentielle wie immense Werk Dislers durch chronologische und stilistische Eckpfeiler von Malerei und Plastik zu kartografieren. Das ist ein gutes Konzept, auch wenn insbesondere das Fehlen der Holzschnitte bedauerlich ist.

Es gelingt in einer ruhigen, klaren, vielfältige Raumdurchblicke gewährenden Hängung die Stationen von den aus der Zeichnung wachsenden Acryl-Bilder um 1980/82 zu den bis an jegliche Grenzen vorangetriebenen Ölbildern der 1984/86er-Jahre bis zu den erzählerischen und malereibetonten späten (und bisher nie gezeigten) Bilder aufzuzeigen.

Und ebenso den beeindruckenden Weg von den expressiven Gips-Holz-Plastiken von 1987 über die geradezu klassischen „Häutung- und Tanz“-Bronzen von 1990/91 bis zu den bisher praktisch unbekannten, nochmals gegen alles in der Kunst „Erlaubte“ rebellierenden Stahlprofil-Gips-Flachs-Figuren der letzten Jahre.

Höhepunkt der Ausstellung ist das erstmalige wieder Zusammenführen der Werke, die 1982 an der Documenta in Kassel gezeigt wurden. Insbesondere die „Öffnung des Massengrabes“ berührt durch seine expressive Kraft heute so sehr wie damals.  Das Figürliches und Gestisches mit weit ausholenden Pinselzügen zusammen haltende Bild verdeutlicht stellvertretend für die besten Arbeiten insgesamt, dass Disler nicht ein „Wilder“ im Sinne orgiastischer Gefühlsmalerei war, sondern als psychisch Betroffener die dunklen Seiten des Menschen (der Menschheit) in sich selbst wie auch als Maler zu ergründen suchte. Dieser existentielle, um Liebe wider die Gewalt ringende Aspekt ist  das Kapital des Werkes, auch wenn es bis heute nicht immer einfach ist, Betroffenheit und „wilde“ Masslosigkeit zu unterscheiden.                                                                            

Bis 15. April 2007