Von süssen Träumen und nackter Realität

Simone Müller und Sibylle Feucht im Kunstraum Baden. Bis 28.01.2007

„Home Sweet Home“ ist eine Ausstellung, die kein Blatt vor den Mund nimmt und den süssen Duft von Träumen dennoch nicht verneint. Arbeiten von Simone Müller (Baden) und Sibylle Feucht (Basel).

Seit den 1990er-Jahren nutzen zahlreiche Künstlerinnen und Künstler das Vehikel der Ironie und der subtilen Subversion, um ihren Visionen Ausdruck zu geben. Wie die Ausstellung „Home Sweet Home“ im Kunstraum Baden zeigt, ist Zweideutigkeit, die das eine zeigt und das andere (mit)meint, auch Methode der Basler Künstlerin Sibylle Feucht (geb. 1968) und der Aargauerin Simone Müller (geb. 1974).

Das heisst, was sie uns vor Augen führen, ist nicht gar so ernst gemeint; eine Art Doppelspiel. Wenn Simone Müller beim Dorfmetzger das Wursten erlernt und aus dem Brät weibliche Akte formt, die Chose kocht und dann aufschneidet und schliesslich als Fotografie von fast einem Meter Durchmesser zeigt, so ist das kein Manifest für vegetarisches Essen, sondern eine brisante und hintergründige Mischung aus Lust und Entlarvung.

Auf die Frage, ob sie sich angesichts so viel nackten Fleisches auf kritische Fragen seitens des Publikums vorbereitet habe, meint sie: „Ach, so viel denke ich im voraus eigentlich nicht, ich nehme mir ganz einfach die Materialien, denen ich täglich begegne, und wandle sie um in Kunst.“ Im Fall der Wurst, ist sie nicht die erste, die auf die Idee kam, man erinnere sich der fotografischen „Teppiche“, die der Belgier Wim Delvoye (geb. 1965) aus gemustertem Aufschnitt formte; Müllers Wurst hat allerdings einige Dimensionen mehr.

Während also bei Simone Müller die Verführung am Anfang steht und die gedankliche Ebene einem erst beim Schlucken erwischt, so ist es bei Sibylle Feucht gerade umgekehrt. Die Werke der konzeptuell arbeitenden Künstlerin zeigen sich auf den ersten Blick als gesellschafts- und sozialkritische Visualisierungen. Wenn sie Fotografien von trauten Familienkreisen zeigt, die vordergründig unscharf sind, weil die Internet-Vorlage nicht genügend Pixel aufwies, so ist dieser „Makel“ zugleich der Kipp-Schalter, der einem sagt, so eindeutig sei es mit der Idylle wohl nicht. Gleichzeitig wissen wir aber, und die Künstlerin bekräftigt das im Gespräch, dass wir nichtsdestotrotz alle von „Home Sweet Home“ träumen und das auch nicht missen wollen, egal, ob die Realität zuweilen anders aussieht. Das heisst, der Blick auf die Arbeiten von Sibylle Feucht wandelt sich in der Auseinandersetzung von kritischer Distanz zu einer Art Liebe trotz allem. Auch das ist Ironie, quasi mit umgekehrten Vorzeichen.

Dem Titel der Ausstellung geben zwei Arbeiten der Künstlerinnen zum selben Thema, zum Wohnhaus, Ausdruck. Während Sibylle Feucht ein Video zeigt, in welchem die Kamera langsam an gleichförmigen Häusern einer Feriensiedlung entlang fährt, stellt Simone Müller Zeitungsfotos in den Fokus von Leuchtkästen, die Häuser abbilden, in denen in den letzten Jahren Familiendramen stattfanden (erahnbar an Abschrankungen/ herumstehenden Polizisten etc.). Auch diese Themen sind nicht ganz neu, wohl aber eigen interpretiert.