Weihnachtsausstellung CentrePasquArt 2007

So laut wie leise und frech dazu

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 15. Dezember 2007

Die Weihnachtausstellung des Bieler Kunstvereins muss keine Vergleiche scheuen. Obwohl regional, hält sie frech den Finger auf, zeigt Werke von Youngstern, ohne die älteren Semester zu übergehen.

Sie ist frisch, sie ist frech, sie zeigt Neues, Unbekanntes, Überraschendes – sowohl von jungen Künstlern und Künstlerinnen wie von älteren Semestern: Die traditionelle Weihnachtsausstellung des Bieler Kunstvereins im CentrePasquArt, die heute Samstag um 17 Uhr eröffnet wird.

75 vielfach mehrteilige Werke von 48 Kunstschaffenden aus der Region Biel hat die dreiköpfige Jury aus dem Angebot von 127 Bewerbungen ausgewählt. Das sind 38 Prozent aller Eingaben, was im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen landauf, landab guter Durchschnitt ist. Künstlerinnen und Künstler halten sich in etwa die Waage.

Von 1935 bis 1985

Der Senior der Veranstaltung ist der Vollblutmaler Martin Ziegelmüller (geb. 1935), der eine überzeugende und erstaunlich farbig-expressive (Ruinen)-Landschaft zeigt. Wenn die Malerei heuer ansonsten wenig zu bestellen hatte, so wurde ausserordentliche Qualität doch nicht übersehen. Die Junioren der Ausstellung sind das Bieler Trio Georges Blunier, Adrien Horn und Matthais Wyss (geb. 1981/82/85). Ihre immense und dicht verwobene Tuschzeichnung auf Sperr-holz mit dem Titel «L’Arche de Noé» zählt ebenfalls zu den herausragenden Werken der Ausstellung.
Die Arche Noah des Trios, das die biblische Geschichte in die Jetzt-Zeit transponiert, statt Tieren Autos in die Fähre lenkt, und mitten in einer Berg-Baustelle steht, weist auf einen Grundtenor der diesjährigen Ausstellung. Die Jury suchte Inhalte, Mut zur kritischen Aussage und/oder konzeptuelle Ansätze und dies alles am liebsten ein wenig subversiv, vielleicht auch schräg und möglicherweise nicht ganz so bierernst. Dass der Leubringer Philippe Hinderling bei einer solchen Ausrichtung gesetzt ist, versteht sich von selbst. Seine sechs-teilige, verblüffend einfache «Sono»-Arbeit verhilft allen zu einem Medien-Erlebnis, hört man doch sich selbst «am Radio» (oder ähnlich).
Zu den Hinterlistigen gehören selbstverständlich auch Steiner/ Meyer-Cesta, diesmal mit einem Selbstporträt zwischen «Noi siamo» und «La Rivoluzione». Und mit einem Hüpfer fährt auch Hannah Küllings Therapeuten-Sitzung mit Uhu, Chalet und Vogelkäfig, frei nach Magritte, ein.

Blick auf die Medien

Scharfes Augenmerk richtete die Jury mit Thomas Schmutz, Verantwortlicher für Kunstvermittlung im Museum PasquArt, Reinhard Spieler, neu Direktor des Kunstmuseums in Ludwigshafen, und Monika Loeffel vom Kunstverein Biel auf den Umgang der Kunstschaffenden mit den gewählten Medien. Also nicht einfach ein Video, sondern zum Beispiel die bewusst improvisiert inszenierte, audiovisuelle 3-Kanal-Installation von Monsignore Dies, die eine Kamera-Velo-Fahrt durchs nächtliche Biel Richtung Bözingen dokumentiert und dabei den Adrenalin-Gehalt «misst». Oder – gänzlich anders – eine fotografisch wirkende Glas-Arbeit von Walter Kohler-Chevalier, welche, von hinten und vorne schwarz und weiss bearbeitet, die Glas-Dicke zum transparenten Raum zwischen den Gräser im Nebel zeigenden Bildschichten macht.

Die Präsenz der Jungen

Eine deutlich junge Generation repräsentiert zum Beispiel Mirjam Gottier, die – wie schon in ihren Skulpturen – seltsamen Beziehungen nachspürt; diesmal in Form einer saloppen Illustration auf Gips, die von einem Mädchen und seinen Träumen erzählt. Das Illustrative, Comic-hafte kennzeichnet auch die Kunterbuntes von Hans Schärer bis M.S. Bastian dynamisch aufwirbelnde Zeichnungs-Collage von Marcel Freymond und Olivier Rossel. Und ebenso frech sind die mit Textilfestiger versteiften «Scherenschnitte» aus ausrangierten Sportler-Trikots von Adi Nobs.
Überraschende Materialität kennzeichnen aber noch viel mehr die Arbeiten von Caspar Bucher, dem diesjährigen «Prix Kunstverein»-Preisträger. Er zeigt einerseits «Pilone», wie wir sie als orange-weisse Strassen-Markierungen kennen, die hier aber als gold-weisse Porzellanabgüsse erscheinen und andererseits «Red Balllons», die ordnungsgemäss an der Decke hängen, aber nicht aus Gummi sind, sondern glas-geblasen und somit das Damokles-Schwert mitdenken.

Zweideutig ist auch der Cola-Brunnen des neu in Leubringen wohnhaften Basler Kunststudenten Patrick Harter, der munter plätschernd zeigt, wie (chemisch) «gefrässig» Coca Cola sein kann.

Skulptur beschäftigt zur Zeit nicht wenige. Die anrührendste in der Bieler Weihnachtsausstellung ist zweifellos das schafähnliche Wesus Folie und Watte mit dem poetischen Titel «Ich träume mein Leben auf» (Lorenzo le kou Meyr), während Bettina Wachters gelber Engerling-Haufen anziehend und abstossend zugleich wirkt.

Die Kunstkritikerin Sabine Altorfer bemängelte in ihrem Text zur Aargauer «Auswahl 07», es gebe keine Werke zum Schmunzeln. Nun, davon gibt es in Biel erfrischend viel. Genannt sei zum Beispiel «Carrefour rot» von Pat Noser – eine grossformatige Malerei, die mit PR-Hochglanz-Arroganz ein Konsum-Stilleben darstellt, das unsere Zeit mit Witz und sehr viel malerischem Können ad absurdum führt.

Wenig Körperliches

Die mediale Aufmerksamkeit der Jury galt also durchaus auch der Malerei; Peinture erster Qualität findet man nämlich auch in den ornamentalen Überlagerungen von Ise Schwartz, während die Bodenständigkeit und Multikulturalität kombinierende Schweizer Familie von Daniela da Maddalena eher von ihrem witzigen Sarkasmus lebt.

Nicht sehr präsent ist heuer die Zeichnung – ganz im Gegensatz zu anderswo. Neben dem Trio Blunier, Horni, Wyss sei hier aber noch ausdrücklich auf die emotional definierten Bleistiftblätter von Romana del Negro hingewiesen. Umsomehr, als sie bewusst machen, wie wenig unmittelbar körperliche Ausdrucksformen heuer in der Auswahl sind. Es sei denn, man rechne die Körper zeigenden Fotografien von Thomas Schori («Moira») und Carla Etter («Velins») dazu. Jede Jury hat eben ihr Gesicht.

Verjüngung macht Freude

Gesamthaft gesehen ist die Weihnachtsausstellung 2007 multimedialer, zeitgenössischer und teilweise auch jünger als die analogen Ausstellungen der letzten Jahre. Ob die Jury anders gewählt hat oder ob zum Teil eine jüngere Generation Aufmerksamkeit einfordert, ist in Unkenntnis aller eingereichten Werke schwer zu beurteilen. Aber man wird den positiven Verdacht nicht los, dass insbesondere der offene Vorkurs der Schule für Gestaltung eine eigentliche Künstler- und Künstlerinnenschmiede ist. Vielleicht ist die Ausstellung dadurch etwas weniger Bieler Szenen-Überblick, liess die Jury doch nicht wenige Etablierte über die Klinge springen, doch die neuen Namen tun gut.

Ausstellung dauert bis 13. Januar 2008.