Eidgenössische Preise für freie Kunst

Konzeptuelle Ansätze im Vormarsch

www.annelisezwez.ch, Mittelland-Zeitung, 3. Juni 2008

Kunstpreise Ein Trend zu konzeptuellen und politischen Themen kennzeichnet die Vergabe der Preise des Eidgenössischen Wettbewerbes für Kunst

Am Vorabend der Art Basel feiert die Schweizer Kunstszene traditionsgemäss Weihnachten. In den Messhallen vis-à-vis des internationalen Kunst-Stelldicheins werden die Preise des Eidgenössischen Wettbewerbes für Kunst, des Kiefer Hablitzel Stipendiums, der Mobilière, des Rotary-Clubs und der Guggenheim-Stiftung vergeben.

38 Kunstschaffende, zwei Architekten und drei Kunstvermittelnde erhielten einzeln oder als Gruppe fast ein Million Franken, aufgeteilt in Tranchen zwischen 4 000 und 26 000 Franken. Die Preise verstehen sich als Förderinstrumente, die Preistragenden sind allesamt unter 30 (Kiefer Hablitzel) respektive unter 40 Jahre alt.

„Die weltoffene, multikulturelle Schweiz hat die Kunstszene definitiv erreicht“, sagte Hans Rudolf Reust, Präsident der Eidgenössischen Kunstkommission in Basel, „immer mehr Preistragende haben einen Migrationshintergrund“.

Bei den renommierten Eidgenössischen Preisen fällt heuer ein starker Trend zu konzeptuellen und politischen Ansätzen auf – ausgezeichnet wurde zum Beispiel Anne-Julie Raccoursiers witziges Video, das am Beispiel der Motorrad-Garde des französischen Präsidenten Sarkosy „Ornamente der Macht“ aufzeigt. Andere Beispiele sind deutlich trockener, zuweilen aber auch sehr präzise wie etwa die Architektur-Inszenierungen der Baslerin Karin Hueber.

Unter den Auszeichnungen figuriert als Gegengewicht aber auch Poetisches wie die Schattenspiele von Karen Geyer oder Hintersinniges wie Stefan Burgers filmische Untersuchung zur Kunstliebe von Chamäleons. Auffallend ist, dass fast ein Viertel der Eidgenössischen Preisträger in der am 6. Juni ihre Toren öffnenden Schweizer Übersichtsausstellung „Shifting Identities“ im Kunsthaus Zürich vertreten sein werden. Offenbar ist man sich einig, was im Moment förderungswürdig ist.

Erfreulich ist darum, dass die Jury der Kiefer Hablitzel Stiftung in bisher seltenem Mass anderer Meinung ist. Während bei den Preisen unter der Ägide des Bundesamtes für Kultur Farbe, Malerei, Sinnlichkeit, Materialität Mangelware ist, darf nach Ansicht der Hablitzel-Jury unter dem Vorsitz von Toni Stoss weiterhin gepinselt werden, wie zum Beispiel die Räume mit Malerei ausstaffierende Lausanner Gruppe „Blakam“ oder die Geheimnisse in die Wolken schreibende Tami Ichino aus Genf respektive Japan.

Der Espace Mittelland wird nicht verwöhnt. Er ist keine Region für junge experimentelle Kunst. Erfreulich immerhin die Auszeichnung für den in Berlin lebenden Trudelhaus Baden-Preisträger Aurelio Kopainig, der sich anhand von Diaprojektionen und zeichnerischen Animationen mit Konstruktion und Wachstum beschäftigt.

Info: Alle Werke der zweiten Runde können bis 8. Juni  täglich 10-19 Uhr besichtigt werden.