impression Jahresausstellung Druckgrafik Grenchen 2008

Das Drucken ist der Künstler Lust

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 19. Dezember 2008

Das Kunsthaus Grenchen hat eine neue Tradition lanciert. „Impression“ ist die Weihnachtsausstellung der Druckkünste für die Region Solothurn/Mittelland. Der Auftakt hat Qualität.

Die Originaldruckgrafik ist – seit Jahrzehnten schon – die Spezialität des Kunsthaus Grenchen. Also gilt es, die Kunstschaffenden der Region dafür zu sensibilisieren und ihnen Plattform zu sein. Das ist sinngemäss die Idee von Eva Inversini, der jungen Direktorin des kleinen, 2007/8 erneuerten städtischen Museums  in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Grenchen-Süd. Dieser Tage wurde unter dem Titel „impression“ die erste jurierte Jahresausstellung für Druckgrafik eröffnet.

Zwar vermag das Konzept sein Potenzial noch nicht ganz auszuschöpfen, dennoch überzeugt die erste Auflage über weite Strecken. Ein wichtiger Schlüssel hiefür ist die Definition des Begriffs „Region“ – dieser meint nämlich nicht Grenchen und Umgebung, sondern eine geographische Spannweite übers Seeland nach Bern, Burgdorf, Solothurn und den Berner Jura; somit ein Umkreis mit einem potentiell genügend grossen Reservoir an Kunstschaffenden mit Beziehung zu Druckkunst.  Damit nicht genug: Jedes Jahr will man eine Gastregion einladen und so in einem Mehrjahresturnus die ganze Schweiz miteinzubeziehen. Den Auftakt macht heuer die Ostschweiz, deren Auftritt allerdings noch die Kraft hat, welche grundsätzlich möglich wäre.

Zur Qualität der im Neu- und Altbau grosszügig gehängten Arbeiten von insgesamt 25 Künstlerinnen und Künstler trägt auch die geschickte Umgehung  der Abhängig-keit von Bewerbungen bei. Die Jury mit Heinz Egger (Burgdorf), Dorothee Messmer (Kartause Ittingen), Konrad Tobler (Bern) konnte per Konzept nämlich einerseits aus 34 Dossiers auswählen und andererseits nach freiem Ermessen weitere Kunstschaffende einladen.

Die Verteilung spiegelt das Auftaktjahr: Elf kamen via Bewerbung in die Ausstellung, 14 via Direkteinladung. Dieses Verhältnis könnte sich mit grösserem Bekanntheitsgrad der Veranstaltung bald schon ändern. Es trägt aber heuer dazu bei, dass so bedeutende Namen wie Markus Raetz, Uwe Wittwer, Cécile Wick oder Alex Hanimann vertreten sind.

Auch wenn leider kein Jurybericht vorliegt, so ist herauszulesen, dass es den drei Juroren nicht zuletzt darum ging, die Druckgrafik von der Mitte bis an die möglichen Ränder zu zeigen. Denn die Grafik ist heute, vielleicht mehr denn je, ein Experimentierfeld, in dem Variationen der Kupferdrucktechniken vermischt, überlagert und/oder mit fotografischen Techniken ergänzt werden. Ja es stellt sich deutlich die Frage, wo hört die Originalgrafik auf und wo beginnt die Fotografie? Ist nicht jeder Ink-Jet-Print, dessen fotografische Vorlage am PC bearbeitet wurde, letztlich eine Druckgrafik?

So findet man in der Ausstellung ebenso traditionelle Kupferdrucke,  wie zum Beispiel die Matterhorn-Variationen von Marie-Theres Amici (Kaltnadel),  wie Air-Brush-Inkjets  (Jörg Mollet) oder  fotochemische „Malerei“  (Filip Haag). An Techniken vertreten sind aber auch Heliogravur, Holzschnitt, Lithographie, Aquatinta, Mezzotinto, Linolschnitt,  Monotypie und – bewusst provokativ – sogar Fotografie.

Letztlich ist die Technik aber nur ein Vehikel, um Künstlerisches zu visualisieren. Und so lautet die Frage an die ausgestellten Werke: Wo ergibt sich aus der gewählten Technik  ein Mehrwert von visueller Intensität. Und da sind zweifellos die beiden Drucke in Übergrösse von Wolf Zät zu nennen (vgl. BT vom 15. Nov.), in denen sich aus Tausenden von feinen Linolkerben eine urwaldähnliche, nächtliche Tümpelzone ergibt die sich, quasi durch die Hintertüre, mit Franz Gertschs „Schwarzwasser“ misst.

Aus dem Kreis der Ostschweizer Gäste fallen nicht Josef Felix Müller und Alex Hanimann besonders auf, sondern Monica Germann&Daniel Lorenzi, welche zusammen mit Ingo Giezendanner den ansonsten schmal vertretenen, erzählerischen, comic- respektive karikaturnahen Print vertreten; Germann/Lorenzi mit Promi-Porträts, u.a. von Ernesto Bertarelli, den sie mit  Sieg, Frau und Geld charakterisieren. Der Kupferdruck gibt den „Zeichnungen“ etwas Graviertes, irritierend Unzeitgemässes, als wäre die Gegenwart schon Vergangenheit.

Eine Ausstellung in der Ausstellung bestreiten vier ausgewählte Studentinnen der Hochschule der Künste Bern. Hier findet man in der Arbeit Selina Reber die (leider) einzige Installation der alle Räume des Museums umfassenden Schau. Sie lässt das Motiv des geknautschten Kissens in verschiedensten Grössen und Formen erscheinen und präsentiert die Siebdrucke in einer Raum-Ecke als eine Art Wohnzone.

Vieles mehr ist zu entdecken; schade, dass man dabei nicht auf etwas mehr Aufregendes und Irritierendes stösst.

Info: Bis 8. Februar. Di-Sa 14-17, Do bis 20, So 11-17 Uhr. 24./25./26./31. Dez. + 1./2. Jan. geschlossen. Führungen, Workshops, Lesungen: www.kunsthausgrenchen.ch

Die Beteiligten
Von der Jury ausgewählt wurden:
Roland Adatte, Marie-Theres Amici, Daniela Erni, Robert Estermann, Johanna Frautschi-Brunner, Adrien Jutard, Barni Kiener, Jörg  Mollet, Josef Felix Müller, Thomas Ruch, Bettina Zimmermann
Von der Jury eingeladen wurden:
Raffaella Chiara, Monica Germann&Daniel Lorenzi, Ingo Giezendanner, Jürg Grünig, Filip Haag, Alex Hanimann, Ursula Jakob, Markus Raetz, Patricia Schneider, Kaspar Toggenburger, Cécile Wick, Uwe Wittwer, Wolfgang Zät.
Aus den Dossiers der Hochschule wurden gewählt:
Selina Lauener, Andrea Müller, Selina Reber, Astrid Vollenweider
                                        (azw)

Bilder (von oben nach unten): Raffaella Chiara(Kaltnadel), Patricia Schneider (Fotografie/Aquatinta), Ingo Giezendanner (div. Druckverfahren), Selina Reber (Siebdruck). Fotos: azw