Kunst und Finanzkrise MZ 11/2008

Den Künstlern werden die Sponsoren fehlen

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung 30. November 2008 (hier ausführliche Version)

Die Zeit, da brillantbesetzte Totenschädel für 50 Millionen verkauft werden, ist vorbei. Wie reagieren die Kunstschaffenden?

Damian Hirsts 2007 versteigerter Brillanten-Scull wird als Symbol für die Perversität des Kunstmarktes der letzten Jahre in die Geschichte eingehen. Wenn die Finanz-krise die Top-Shots aus China, Leipzig und London vom Sockel holt, so kann das nur ein Segen sein.  Für 95% aller Kunstschaffenden in der Schweiz und weltweit, sah und sieht die Realität sowieso ganz anders aus. Wer nicht beim globalen Jet-Set mitmacht, ist schon seit Jahren im Off. Nichtsdestotrotz war da, vor allem bei den Jungen, immer irgendwo der Traum, das grosse Los zu gewinnen und von einer Top-Galerie in den Szenen-Himmel gehievt zu werden. Über Qualität wurde entsprechend wenig gesprochen, über Sponsoren hingegen schon.

„Ich bin gerade noch geschlüpft“, sagte Pipilotti Rist kürzlich an der Vernissage ihrer multimedialen Show im Museum of Modern Art in New York. So teure Technik werde in Zukunft niemand mehr finanzieren.

 Auch das Kunstmuseum Basel wird von der UBS keinen Sponsoren-Vertrag in Höhe von 20 Millionen für eine prestigeträchtige Van Gogh-Ausstellung, wie jene vom kommenden Frühjahr, erhalten.

Das ist aber nicht das Ende der Kunst: Ingeborg Lüscher, die im vor allem internatio-nal bekannte Schweizer Künstlerin und Witwe von Harald Szeemann, schrieb vor wenigen Tagen in einem Mail: „Ich habe in der Kunsthalle Wien eine Ausstellung des Littauers Zilvinas Kempinas gesehen, sensationell. Mit fast nix gemacht. Magnet-band-Schlaufen, die im Luftstrom von Propellern schwebten. Aber wie!“

Die Kunstschaffenden, die mit teuren „Neuen Medien“ arbeiten, sehen harten Zeiten entgegen. Gemeint sind damit nicht nur Installationen mit komplex synchronisierten Mehrkanal-Videos, sondern auch die Fotografie, deren Vergrösserung für Kunst-schaffende nicht mehr erschwinglich sein wird, wenn die Galerien sie nicht mehr vorfinanzieren können, weil ihnen die Sammler fehlen, die sie kaufen. Die Finanz-krise wird das mediale Erscheinungsbild der Kunst verändern.

Verringern wird sich auch die Zahl der Kunstschaffenden. In den letzten Jahren bezeichnete man erfolgreiche junge Künstler oft als Shooting-Stars, ähnlich wie in der Musikbranche und nur wenige Künstler kippten das Bild indem sie es mit Schützen-Königen gleichsetzten wie etwa Rudolf Steiner an der Jahresausstellung 2007 in Aarau. Angesichts fehlender Königsmacher wird sich hier bald einmal die Spreu vom Weizen trennen. Das heisst: Nur wem der Ausdruck seiner Welt-Vision, seiner Welt-Befindlichkeit innerstes Anliegen ist, wird durchhalten. Das ist gut so, denn aktuell gibt es zu viele, die den Finger in den Wind halten, ein paar Jahre Kunst produzieren und sich dann ernüchtert anderem zuwenden. So wird die Krise vielleicht für jene zur Chance, die in langen Jahren kontinuierlich ein Werk geschaffen haben, obwohl der Begriff „Werk“ in einer Zeit, die Nachhaltigkeit in den Wind geschlagen hat, geradezu verpönt war.

Man sagt von der Kunst, sie nehme Entwicklungen voraus. Beobachtet man das Auftauchen der 1980er-Jahrgänge in der Kunst, so sind Spiegel zur aktuellen Lage tatsächlich sichtbar. Ein enormes Misstrauen gegenüber allem sogenannt „Realen“ prägt vieles, was Junge zeigen: Trash als Zerstörung von Perfektion, Mischen von Bild- und Wissensfetzen als Unmöglichkeit an etwas zu glauben oder, als Kontra-punkt, das Bearbeiten von Spuren als letzter Halt wider den eigenen Fall. Nicht  globaler Lifestyle interessiert viele junge Kunstschaffende, sondern Persönliches, im Kleinen, Eigenen wie auch im Sozial-Politischen. Die Ausstellungen der kommenden Jahre werden dies verdeutlichen.

Damit wird indes die sich seit längerem öffnende Schere zwischen verkäuflicher Kunst, wie zum Beispiel Malerei, und Kuratoren-Kunst, die schwierig in eine Sammlung zu integrieren ist, nicht kleiner werden. Beide Sparten werden unter der Finanzkrise leiden – die Zahl der privaten Galerien wird zurückgehen und die von Öffentlichkeit und Wirtschaft getragenen Räume – von den Museen bis hinunter zu den Off-Spaces – werden auf Sparflamme agieren müssen.

Den Aargau hat die bereits 2007 einsetzende, die Kunstverkäufe unterhalb der Top Shots von Messen und Auktionen dezimierende Finanzkrise bereits erreicht. Per Ende Februar 2009 wird die letzte private Galerie von überregionaler Bedeutung ihre Tore schliessen. Die Galerie Elisabeth Staffelbach in Aarau zeigt nach mehr als 30-jähriger Aktivität „Die Letzte“. „Ich kann nicht länger Sponsorin meiner eigenen Galerie sein“, sagt sie, lässt aber offen, ob sie in ein Joint-Venture mit einer Galerie in Zürich einsteigen wird oder nicht. Die Finanzkrise wird somit die Abwanderung der Kunst in die Stadt noch einmal akzentuieren, was für die Kunstszenen jenseits der grösseren Städte einen weiteren, schmerzhaften Taucher bedeutet.