Manon im Helmhaus in Zürich

Immer war da ein Hauch von Trauer

Annelise Zwez, Mittelland Zeitung, 18. Februar 2008

Manon: Sie gab sich so exaltiert, dass die Männer nicht merkten, dass sie eine Feministin war und die Frauen sie nicht durchschauten. Jetzt wird im Helmhaus in Zürich hingeschaut.

Den „Gong“, so sagte Manon einmal, habe ihr 1974 Jean Christophe Ammans Geschlechter-Wandel-Ausstellung „transformer“ in Luzern gegeben. Da war sie – neben Katharina Sieverding – als einzige Frau mit dabei; als Autor der lasziven Selbstinszenierungen wurde aber ihr Mann gefeiert, der Künstler Urs Lüthi, sie nur als Muse. Da sei es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen.

Rosmarie Küng, die sich in den 1960er-Jahren in Anlehnung an Clouzots Film der Lebedame Manon Lescaut das Label „Manon“ zulegte, ging zurück nach Zürich und machte aus ihrem Schlafzimmer ein lachsfarbenes, hocherotisches Boudoir mit tausenderlei Federn, Phalli und flauschigen Fellen und präsentierte es noch im selben Herbst in der Galerie Li Tobler. „La philosphie est entrée dans le boudoir, il est temps que le boudoir entre dans la philosophie“, schreibt sie später in Paris in ihr Arbeitsbuch.

Installation Das Ende der Lola Montez, 1975/2008Gesehen habe die Installation kaum jemand, sagt Manon nüchtern, aber nichtsdestotrotz wird das Boudoir wie auch alle folgenden Installationen, Performances und Fotoserien der 1970er-Jahre zum Mythos. Seit den späten 1980er-Jahren gibt es keine Publikation zu Fotografie oder Kunst von Frauen, die nicht Manons Tun überhöhen würde. Insbesondere die bitterböse Inszenierung „Manon presents men“ im Schaufenster der Zürcher Galerie Jamileh Weber wird Legende. Die Insiderin in den Zürcher Zwielicht-Clubs zwischen Trash, Glamour und Sadomaso kehrt den Spiess und lässt den Kongress tanzen. Sie stilisiert Männer zu Schau-Objekten und präsentiert Luicy Lucy, The Great Blondino und andere mehr in einer Männer-Peep-Show.

In den Boulevard-Blättern und Magazinen wird Manon zur erotischen Kultfigur, aber die Kunstszene und die Feministinnen lassen sie links liegen. In der als Frauen-Manifest geltenden Ausstellung „Frauen sehen Frauen, eine gefühlvolle, gescheite, gefährliche Schau“ im Strauhof in Zürich (1975) ist Manon nicht dabei. Sie gilt als Verräterin; das Weiblich-Fetischistische, das sie in immer neuen Inszenierungen zelebriert und dabei die Männer subversiv in Ekstase versetzt, gilt in feministischen Kreisen als tabu. Niemand realisiert wie sehr Manon spielt, wie sie die strategische Übersteigerung des Narzisstischen braucht, um die eigene Schüchternheit zu kaschieren.

Auf die in den letzten Jahren viel publizierte Fotoserie „La dame au crâne rasé“, die 1977/78 in Paris entsteht, folgt in geradezu tragischer Folgerichtigkeit der „Ball der Einsamkeiten“, eine Art „Entpuppung“, wie die Kunsthistorikerin Brigitte Ulmer schreibt. Es ist eine grossartige Fotoserie, die Manon im Look von 37 „Alter Egos“ auf dem immer selben Sofa zeigt, als Hippie-Mädchen mit John Lennon-Brille so gut wie als müde Hausfrau im Trikot-Look.

Dann fällt Manon, wie einst ihre „Schwester“ Meret Oppenheim, in eine Schaffens-krise. Sie hatte gespielt und wollte nun endlich sich selbst sein, doch wer war sie? 1990 kehrt sie zurück und zeigt im Kunstmuseum St. Gallen den grossformatigen Fotozyklus „Der Künstler-Eingang“ – 30 reduzierte, geradezu konzeptuelle Farbilder im Courége-Look mit Manon als Drehscheibe im Zentrum. Die Ausstellung findet Beachtung, aber der Mythos der Arbeiten der 1970er-Jahre ist stärker und vor allem gerinnt das Wenige aus der Zeit, das im Umlauf ist, einer immer grösser werdenden Zahl junger Life-Style-Künstlerinnen zur Inspirationsquelle. Von Pippilotti Rist über Rita Ackermann bis Vanessa Beecroft ist niemand, für den Manon nicht wegweisend gewesen wäre.

Damit sieht Manon ihren Weg auf einmal anerkannt und kann da weiterfahren, wo sie nach 1980 aufhörte. Lustvoll und melancholisch zugleich realisiert sie den Fotozyklus „Einst war sie Miss Rimini“, in dem sie gealtert, aber immer noch wunderschön, Träume von einst und Realitäten von heute in packenden (Selbst)-Maskeraden festhält, sei es als meditierende Nonne, als hyperaktive Schwimmerin oder als Mickey Mouse im roten Bikini. Die Kunstfigur Manon hat, so scheint es, ihre Mitte gefunden und kann nun, nach langem Zögern, Hand bieten zur Rekonstruktion des „Boudoir“. Es wird 2006 zum Highlight der von Heike Munder im migros museum Zürich realisierten Feminismus-Ausstellung „It’s time for action“.

Und jetzt kommt der Überblick – als Ausstellung im Helmhaus in Zürich (23. Februar bis 20. April) und im Swiss Institute in New York (28. April bis 13. Juni) und als vielseitige Monographie im Verlag Scheidegger & Spiess. Manon hat hiefür mit der Kuratorin Brigitte Ulmer längst Abgelegtes, ja gar Verschollenes reaktiviert. Legendäres wird jetzt mit Fakten untermauert und Manon als eine der wichtigsten Schweizer Künstlerinnen der Frauen-Aufbruchzeit erlebbar gemacht.

Manon MZ  [0.46 MB]