Oliver Mosset, Atelier Arizona

Ein Radikaler in der Gunst der Jungen

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 08. März 2008

Seit den 1970ern lebt Olivier Mosset in den USA. Mit der Einladung zur Whitney Biennale hat der Neuenburger den Olymp erreicht. Ein Besuch im Atelier des Malers in Arizona.

Auf die Frage, warum die Kuratoren der als „documenta“ Amerikas geltenden Withney Biennale in New York ihn gerade jetzt zur Teilnahme eingeladen hätten, meinte der in Tucson im Südwesten der USA lebende Schweizer Künstler: „Vielleicht weil ich mich für junge Künstler interessiere“.

Die überraschende Antwort hat einen reichen Hintergrund. Immer und immer wieder hat sich der in der Schweiz keineswegs Vergessene für junge Kunstschaffende und zeitgenössische Kunst-Räume eingesetzt. 1995 zum Beispiel half er – nicht zuletzt mit der Kraft seines internationalen Namens – das Centre d’art Neuchâtel (CAN) zu gründen. Und eben jetzt läuft im MOCA, dem noch sehr provisorischen Museum of Contemporary Art in Tucson eine von Mosset kuratierte Ausstellung mit Künstlern, die sich mit der „Arid Zone“, der Wüste Arizonas an der Grenze zu Mexico auseinandergesetzt haben.

Dieses kulturpolitische Engagement ist nicht einfach eine Parallel-Aktivität zu seiner Kunst, sondern – etwas pointiert formuliert – seine Kunst selbst. Mosset malt (oder spritzt) in seinem reichlich unromantischen Atelier an der Grant Avenue in Tucson monochrome Leinwände, die so gross sind, dass sie für jeden Transport abgespannt und aufgerollt werden müssen. Er bezeichnet sie nicht als Malerei, sondern als Raum-Objekte, als Wandgestaltungen, die Räume verändern indem die Farbflächen neue Massstäbe setzen.

Die realen Setzungen versteht Mosset dabei als Anreize zur Diskussion. „Mich interessieren nicht die Bilder selbst, sondern was sie auslösen“, sagt er. Gerne ist er dabei, wenn diskutiert wird; nicht um sich in Szene zu setzen, sondern um – analog den ebenso leisen wie markant präsenten Bildern – zuzuhören. Und das wiederum ist wohl einer der Gründe dafür, dass junge Künstler den mittlerweile 63-Jährigen überaus schätzen und seine die Hektik der Bilderflut in nichts als Farbe und Fläche auflösenden Bilder heute auf dem  internationalen Kunstmarkt so hoch gehandelt werden wie noch nie. „Früher musste ich kämpfen, heute kann ich es gelassen nehmen“, sagt er.

Seine ersten Erfolge in den USA verdankte Mosset dem Umstand, dass seine in den 1960er-Jahren in Paris entwickelte Anti-Dekorations-Malerei in Amerika als Beispiel der gerade aktuellen „Radikalen Malerei“ verstanden wurde, auch wenn  er selbst das nie so sah. Denn eigentlich ist Mosset ein Romantiker oder auch ein „Easy Rider“. Die Harley Davidson, die in seinem Atelier steht und der hellblaue „Pick Up“-Ford Jahrgang 1964 vor dem Atelier-Haus sind äussere Zeichen dafür. Arizona ist ein Eldorado für Motorrad-Fans. Nicht nur, weil die gebirgige Halb-Wüste attraktives Auf und Ab erlaubt, sondern vor allem weil es im Staat von Präsidentschafts-Kandidat Mc Cain kein Obligatorium für Helme gibt und man wie einst mit wildem Haar durch die Landschaft brausen kann. Ob er den auch …,fragen wir. „Man darf einfach keinen Unfall haben“, meint er.

Olivier Mosset zog 1996 von New York nach Tucson, das trotz einer Universität mit einem Department für visual arts, unter dem Aspekt zeitgenössischer Kunst ein Un-Ort ist. Wieso das? Die Antwort lautet, wie in vielen Biographien: Da war die Liebe. Die ist inzwischen wieder verflogen, aber Mosset ist immer noch da, wenn er nicht gerade in New York, Paris, Shanghai, Zürich oder in seinem Haus im Neuenburger Jura ist. Vielleicht ermöglicht das zeitweilige Offside dem Künstler aber mehr als er selbst denkt. Denn es fällt auf, dass seine neuen raumgreifenden Bilder im Kern Rückbesinnungen auf frühere Kapitel seines in sich sehr geschlossenen Werkes sind.

„Ich mag es, Älteres in neuem Licht zu sehen und zu schauen, was sich heute darin spiegelt“, sagt er und erzählt, dass er eben den Kunst-am-Bau-Wettbewerb für ein Schulhaus in Zürich-Leutschenbach gewonnen habe, für welchen er seine alten „Toblerone“ reaktiviert habe. Gemeint sind damit Panzersperren aus dem 2. Weltkrieg, die er einst für sich entdeckte, zum Teil käuflich erwarb, und schon vor mehr als 20 Jahren als „ready made“ aus bemaltem Holz erstmals nachbaute. Auf Mossets dicht bestücktem „Fahrplan“ für 2008 steht unter anderem auch eine erste Einzelausstellung in Peking, das für die West-Coast-Amerikaner wesentlich näher liegt als für uns Europäer. „China – das ist wie Science Fiction“, sagt er und freut sich darauf.

Olivier Mosset
Geboren 1944 in Neuenburg
1966 Übersiedlung nach Paris und Mitbegründer der Gruppe B.M.P.T (Buren, Mosset, Parmentier, Toroni).
1977 Übersiedlung nach New York
1979 erste Einzelausstellung in der Tony Shafrazi Gallery in New York.
1986 Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus, Aarau
1990 vertritt die Schweiz an der Biennale in Venedig
2003 Retrospektiven in den Museen von Lausanne und St. Gallen
2007/08 Ausstellungen in New York, Los Angeles, Saint-Louis, Rennes, Paris, La Seyne-sur-Mer, Reykjavik, Brüssel, Mouans-Sartoux, Zürich, Peking