Schwartz Ise Porträt Berlin

Wenn Muster zu schillernder Malerei werden

Annelise Zwez, „Die Welt“ Berlin, 28. März 2008

Wie eine deutsche Power-Frau der 68er-Jahre zu einer brillanten Schweizer Malerin wurde.

Schon vor Jahrtausenden verzierten die Menschen ihre Produkte mit Ornamenten. Das Muster ist möglicherweise die älteste Form von Schmuck. Bis heute sind repetitive Formen das Einmaleins der Dekoration. Kein Wunder also, entdeckte die freie Kunst das Ornament auch für sich. Aber weder Piet Mondrian noch Paul Klee durften ihre Liebe zum Muster zugeben, denn dieses gehörte zur angewandten Kunst. Erst die Ausstellung „Ornament und Abstraktion“ in der Fondation Beyeler in Basel machte 2001 Schluss  damit und bewies die Fruchtbarkeit des Ornamentes für die Kunst.

Die 1942 in Stuttgart geborene und seit 1989 in der Schweiz lebende Malerin Ise Schwartz ist eine Vertreterin der „Pattern Art“. Der Verweis auf die klassische Moderne reicht indes nicht, um ihr Schaffen zu fassen. Aber die Nähe der 50000 Einwohner-Stadt Biel, wo die Künstlerin heute lebt, zum Geburtsort von Paul Klee nährt eine Fährte. Paul Klee betrieb durch malerisch bearbeitete ornamentale Schichtungen visuelle Archäologie. Wenn Ise Schwartz Muster aus verschiedenen Epochen durch raffinierte Oberflächenbearbeitung in eine einzige malerische „Haut“ verschmilzt, tut sie nicht Unähnliches. Trotzdem hinkt der Vergleich.

Denn der Rucksack einer Künstlerin, die ihre Impulse im Deutschland der 1968er-Jahren erfuhr, ist ein anderer. Ise Schwartz sagt zwar, sie hätte schon während ihrer Studienzeit an der Kunsthochschule Mainz „herrlich altmodische“ Muster gesammelt. Und ein Porträt-Zyklus aus den 1980er-Jahren mit Bildern wie „Schade, dass sie eine Hure war“ zeigt in Motiv und Umraum-Gestaltung wie, hier ein Liebespaar, und sein ornamentales Umfeld die Künstlerin gleichermassen faszinieren.

ise Schwarz, stilerazionalismo, Oel auf Leinwand, 2007Doch zunächst musste der für ihre Generation obligatorische Kampf um ein neues Bewusstsein als Frau und Künstlerin gefochten werden. Die früheste Manifestation ihres Aufbruchs ist das Bild „Vierpass I“ von 1966. Es zeigt vier weibliche Puppenköpfe, drei mit erstarrtem Gesichtsausdruck, der vierte, leere ist zu gestalten.

Es folgen der „Pop Art“ verwandte Bilder mit Gegenständen aus dem Alltag der Heim- und Herd-Frau, bis dann – im Boom-Jahrzehnt der deutschen Malerei – die Farbe durchbricht und das Circensische Oberhand gewinnt.

Als Ise Schwartz mit 47 Jahren in die Schweiz aufbricht, ist das eine Zäsur. Sie kommt als „Artist in Residence“  und wird später Einwohnerin der an der französisch-deutschen Sprachgrenze gelegenen Uhren-Metropole, wo unter anderem die „Swatch“ ihren Hauptsitz hat.

Obwohl der Kontakt zur deutschen Kunstszene nie abbricht, könnte man sagen, die Künstlerin lasse die feministische Epoche ihres Lebens hinter sich. Seit den 1970er-Jahren war sie immer wieder im Kontext fraubewusster  Manifestationen aufgetreten, 1977 zum Beispiel in der Ausstellung „Künstlerinnen international 1877-1977“ ihn Berlin.

1990/91 überrascht die Künstlerin die Bieler Kunstszene mit einer raumgreifenden, in Kontrast zur eher apolitischen Schweizer Kunst stehenden Installation. Der erste Golf-Krieg hatte ihr ein Vorantreiben ihrer Malerei hin zur Abstraktion verunmöglicht. Die mehrteilige Arbeit „support our heroes“ umfasste neben „Grabplatten“ aus Holzterrazzo eine Vielzahl von Fernseh-Fotos mit Kriegsszenen, überlagert mit zynischen Zitaten. Mit Respekt wird die Präsenz der deutschen Künstlerin in der Schweiz fortan wahrgenommen.

Auch später haben sie Erschütterungen zu Exklaven in ihrem Schaffen angeregt, so zum Beispiel zur malerischen Verarbeitung im Nachlass ihrer Mutter gefundener Kindheits-Fotos, auf welchen stets der Vater fehlt. Die Rezensenten verunsicherten die Wechsel zuweilen, doch, so Ise Schwartz, „jede bildnerische und materialmässige Herausforderung hat mich weiter gebracht“.

So beginnt denn auch der Weg zum heutigen malerischen Ausdruck mit einem Kurs für Druckgrafik. Um sich nicht mit Inhalten zu belasten, greift sie zu „Laubschatten“ und wenig später zu ornamentalen Vorlagen aus ihrer Muster-Sammlung. Das Überlagern von Licht- und Farbschichten, das Kratzen, Ätzen und Drucken eröffnet  neue Dimensionen. Bald schon erfindet sie ihre eigene „Druckmaschine“ und beginnt die Möglichkeiten digitaler Bearbeitung ornamentaler Vorlagen zu nutzen.

Diese übermittelt sie mit einem Beamer auf die Bildträger. Was die Künstlerin fasziniert, ist die Evokation von Raum, in dem Dunkles in den Hintergrund rückt, Farbe und Licht je nach Oberflächenbeschaffenheit nach vorne drängt und sich im Bild zu Gleichzeitigkeit vereint. Unterschiedliche Massstäblichkeit bestimmt zudem die innerbildliche Bedeutung der Vorlagen.

Mit Leidenschaft konzentriert sich Schwartz auf die malerischen Effekte, die sich in der Druckgrafik vorformuliert haben und kommt zum Schluss: „Die Qualität eines Bildes misst sich an dem, was in der Malerei selbst angelegt ist“.

Eine grossartige Präsentation ihres Schaffens im Museum in Siegburg bei Bonn zeigt 2004, dass Ise Schwartz in der „Pattern Art“ ein langfristiges motivisches Feld gefunden hat. Und eine grössere Galerie-Ausstellung in Biel zeigte erst vor Monatsfrist, dass die Künstlerin bezüglich Malerei einen Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens erreicht hat. Sie kann nun spielen mit ihrem Alphabet, weiss wie sie die Öl- und Acrylfarbe ins Licht rücken oder – durch Schleifen zum Beispiel – zurück binden kann, wie Auf und Ab im Bildgeschehen tausend Facetten haben kann.

Wesentlich ist dabei, dass die Künstlerin ihre Mustervorlagen nicht blindlings wählt, sondern immer neue Fährten anlegt. Mal rückt sie ihre Malerei mit Delfter Ornamenten zurück in die bürgerliche Stube, mal verquickt sie Florales mit den allgegenwärtigen Computer-Codes zu einem Miteinander von Barock und Geometrie und vereint in jüngsten Bildern gar Architektonisches und in Graffiti-Manier gemalte Blumenmuster.

Link: www.iseschwartz.com