Franziska Wagner Spritzenhaus Nidau 2009

Wesen einer anderen Welt

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 14. Mai 2009

Für Franziska Wagner heisst Kunst schaffen, die Wesen der Welt neu zu denken und zu formen. Als Schattentheater tanzen sie zurzeit im Spritzenhaus in Nidau.

Es sind schon gut vier Jahre her, dass Franziska Wagner letztmals ausstellte. Künstlerisches Gestalten sei immer Teil ihres Lebens gewesen, aber Öffentlichkeit habe sie immer nur bedingt interessiert, sagt die 66-jährige Bieler Künstlerin. Stimmiges gelinge ihr nur, wenn sie es für sich selbst schaffe.

Oft entsteht im Kontext solcher Statements Freizeit-Kunst.  Dass dies bei Franziska Wagner nicht zutrifft, zeigt ihre aktuelle „Intervention“ im Spritzenhaus in Nidau. „Schattentanz“ ist  eine Versammlung von Miniatur-Wesen, die in ihrer Erscheinung mit Mensch und Tier verwandt sind, aber dennoch einer anderen Welt zugehörig scheinen. Ausgangspunkte für die mehr als 100 Winzlinge, die da von der Decke hängen und bei jedem kaum merklichen Luftzug zu „tanzen“ beginnen, sind kleine Fundstücke – das Schulterblättchen eines Vogels, die Wirbelsäule eines Fischs, oder auch die Verdrahtung eines Champagner-Korkens. Davon ausgehend umformt sie das Gegenständliche mit weichem Papier-Maché und erweckt es als Neu-Schöpfung zum Leben als Kunstobjekt.

Als  Vorgehensweise ist dies gewiss nichts Neues, ebenso wenig wie die Projektion der Tanzenden als Schattentheater auf die dahinter liegende Wand. Doch das „déja-vu“ ist einem als Besucherin schnell einmal egal, denn die Künstlerin hat ein so subtiles Gefühl für die richtige Dosierung zwischen vertraut und unbekannt, dass die Installation zu einem zugleich fremden wie nahen Ort wird und dadurch berührt. Da gibt es zum Beispiel nichts Groteskes, sondern nur anders Gewachsenes.
1: 1 betrachtet, könnte manches erschrecken, doch die  Sorgfalt, welche die Künstlerin jedem Miniatur-Wesen zukommen lässt,  strahlen diese als Zuneigung aus.

Franziska Wagner ist nicht naiv – es geht der Künstlerin nicht um eine putzige Märchen- oder Fabelwelt, sondern um die Dimension des Wachstums an sich, das mit der kommenden Produktion von Organen auf oder an Lebewesen in nächste Nähe gerückt ist. Ihr Tenor ist jedoch nicht Kritik per se, sondern eine Art Hinterfragen der Dimension, welche das bedeutet.

Zur „Intervention“ gehören auch fünf wesentlich grössere Köpfe – ebenfalls aus Papier-Maché. Sie stehen, auf einer Konsole platziert,  für das Publikum des Schattentheaters. Man kann sie aber auch losgelöst von ihrer Rolle als Porträts betrachten und erkennt auch da die stupende Gabe der Künstlerin, Zuneigung eine Form zu geben.

Info: Das Spritzenhaus in Nidau befindet sich unmittelbar neben der Kirche. „Intervention“ bis 17. Mai. In Betrieb: Do/Fr 17-19, Sa/So 10-13 Uhr.

Bildlegende:
Fremd-vertraut: Die Winzlinge von Franziska Wagner. Bild: azw